Stadt am Wasser

Und, was habt ihr so gemacht, an eurem ersten Tag in Stockholm?

Das, was man halt so tut, am ersten Tag in einer fremden Stadt: vor allem Schauen und Staunen und Schönfinden. Das viele Wasser. Und die BrĂŒcken. Und die Inseln. Den blauen Himmel. Den strahlenden Sonnenschein. Dass unsere U-Bahn-Karte auch fĂŒr die FĂ€hre gilt und dass alle anderen nach dem Schiff fĂŒr den VergnĂŒgungspark mit den grausamen FahrgeschĂ€ften anstehen. Beziehungsweise fĂŒrs ABBA-Museum. Dass es tatsĂ€chlich ein Museum nur fĂŒr alkoholische GetrĂ€nke gibt (Spritmuseum) und dass dieser wunder-wunder-wunderschöne Tag in uns so gar keine Bereitschaft zum Aufenthalt in geschlossenen RĂ€umen weckt, sondern wir lieber am Wasser sitzen und vor uns hin schauen wollen. Da trifft es sich fast gut, dass vor dem Wasa-Museum schon eine un-glaub-lich lange Warteschlange ansteht und dass im Sekundentakt weitere Busladungen voller Menschen dazukommen. Wir dann doch so eher nicht. Vor dem Völkerkundemuseum steht keiner an; dabei könnte man dort alles lernen, “was man schon immer ĂŒber Schweden wissen wollte” sowie Exponate zu 500 Jahren schwedischer Geschichte. Aber schau doch, da vorne, da ist ein Bankerl, am Wasser.

Zwei Stunden spĂ€ter ist die Wasaschlange nur noch glaubhaft lang, aber es wĂŒrde immer noch ewig dauern, bis zum Eingang zu kommen und sich dann mit Massen durchs Schiff zu schieben. Das lassen wir fĂŒr heute bleiben, denn erstens ist Morgen auch noch ein Tag und zweitens ist es dann bestimmt ganz anders. Stattdessen fahren wir mit der Siebener Tram am Wasser lang und dann machen wir uns unsere eigene Stadtrundfahrt widde widde wie sie uns gefĂ€llt mit einer Auswahl an Ortsbussen, steigen aus, wo es schön ist und um, wenn wir genug gesehen haben. Und weil Stockholm ein wirklich tolles und einfach zu verstehendes Öffentliches Nahverkehrssystem hat, das sich sogar auslĂ€ndischen Laien binnen Augenblicken erschließt, kommen wir richtig rum, im Söder, im VĂ€st und in der Mitt und fahren ganz oft ĂŒber schöne BrĂŒcken und haben viel Freude an unserem Ausflug. Bloß das Softeis, das ich mir schon den ganzen Tag einbilde, das gibts immer nie da, wo gerade das perfekte Eisessbankerl am Wasser steht. Daran, liebe Stockholmer, solltet ihr noch arbeiten.

Aber dann wart ihr doch bestimmt am zweiten Stockholmtag endlich im Wasa-Museum?

Ja, nein, also nicht direkt drin, aber wir habens vom Wasser aus ganz oft gesehen, das gildet doch auch? Wir sind heute mit der “Stockholm” auf dem glitzernden Baltischen Meer von Stockholm durch den Archipelago nach Vaxholm geschippert, und es war herrlich! Auf dem Oberdeck, in der Sonne, eingelullt von Emmas Stimme, die uns die Schönheiten rechts und links der Route aufzĂ€hlte so wie Klippudden und Hasseludden und ich fĂŒhl mich schon fast als machte ich Ferien auf Saltkrokan…

Ein paar Stunden spĂ€ter legen wir wieder am Kajplats 15 vor der Softeisbude an, essen endlich das Eis, auf das ich mich schon seit gestern freue (danke, Stockholm, superschnelle Umsetzung) und dann treiben wir uns in der Stadt herum, schauen schöne Architektur und alte GebĂ€ude und haben so lange Freude dran, bis wir in Gamla Stan, der Altstadt, mitten im Touristen-Terror-Territory landen. Die Welt drĂ€ngelt sich zwischen Pippi-Puppen und Plastik-Wikingerhelmen, unzĂ€hligen grausigsten Dingen wie ElchschĂŒrzen, BĂ€rentatzentassen, Eulenkörnerkissen und macht Selfies. Wir versuchen tapfer zu sein, aber nach einem halben Kilometer langts und wir gehen doch lieber am Wasser lang zurĂŒck zu unserer U-Bahn Station Slussen.

Was haben wir heute gelernt?

  1. Emma ist sich uneins mit Wikipedia. Die Stockholmer StadtvĂ€ter hĂ€tten seinerzeit nicht das Gesocks vermalmt, sondern die leicht entflammbaren Berufe (“flammable professions”) in die VorstĂ€dte verlegt. Inzwischen ist Södermalm so hipp, dass es sich Sö-Ho nennen lĂ€ĂŸt.
  2. Die mir sympatischste Insel im Archipelago ist ĂŒbersĂ€t mit hĂŒbschen kleinen Villen Kunterrot. Die sind der Frauenrechtlerin Anna Johannson-Visborg zu verdanken, die in den ausgehenden 20er Jahren erkĂ€mpfte, dass jede Brauereiarbeiterin in den heißen Sommermonaten wenigstens eine Woche Urlaub bekam und eine Ferienhaussiedlung fĂŒr sie bauen ließ.

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