Sommerloch

In Deuschland gehts ja vielleicht ab, Mann! Die Queen zu Besuch, das humpfzigste Grexit-Ultimatum verstrichen und dann auch noch die mutige Mutter, die die Bundesjugendspiele abschaffen will. Obwohl? Allein der Begriff. Bundes.Jugend.Spiele. Aaaarrggghhhh! Einmal gelesen, und mein schöner Verdrängungswall bumm, kaputt. Und wer muß es wieder ausbaden? Ihr. Here you go:

Die mit dem Gipsbein*, die mit der Colaflaschenbodenbrille, die mit dem ganz schlimmen Keuch-Asthma und ich, wir waren immer die letzten, die beim Schulsport in eine Mannschaft gewählt wurden. Wir kamen mit Verliergarantie, weil wir Bälle weder heranfliegen, noch irgendeinen Sinn darin sahen, ihnen nachzuhechten. Stattdessen betrieben wir das Spiel eher statisch, blieben stehen, wo man uns hingestellt hatte und hofften inständig, daß der Ball einen großen Bogen um uns machen würde. Was hätte ich damals darum gegeben, dieses vorwurfsvolle Herumgekreische “Renn Doch! Das Ist Dein Ball!”, immer noch eichengleich ruhig und gelassen, mit einem schulterzuckenden: “Was heißt hier “Aus”? Das war schlecht geworfen.” abschmettern (sic!) zu können. Ganz ehrlich, der Stachel, direkt daneben stehen zu müssen, wenn die Sportlichen die Mangelware verhandeln (“wenn ihr die Dicke nehmt, dann nehmen wir Blindfuchs und Hechel”), sitzt immer noch tief. Was ich denen heute nicht alles aufs Brot schmieren würde, jetzt, wo ich Ironie und Sarkasmus** kann.

Und dann “Bundesjugendspiele”, der Demütigungshöhepunkt des Jahres, wo unser Dreiertrüppchen um Teilnehmerurkunden antrat. Ich habe die Spiele ein einziges Mal als Aktive mitgemacht, vor Tribünen, wo die Daumen schon nach unten zeigten, bevor ich überhaupt als Letzte beim Hundertmeterlauf ankam (“Für solche Zeiten haben wir gar kein Kästchen auf dem Formular, das müssen wir separat eintragen”), mir bei der Landung im Weitsprungsandkasten beide Knie blutig schrammte (“Mit den Füßen voraus, habe ich gesagt! Geh, hol dir ein Pflaster und dann spring nochmal gscheit.”) und beim Kugelstoßen einen freiwilligen Helfer zum unfreiwilligen Sopran beförderte (“Auahhh!”, in-Embryonalstellung-auf-dem-Boden-wälz, mehr “Auahhh!!”). In den Folgejahren haben mir die Prüderie auf einem Sportplatz in den Siebziger Jahren, darstellerische Begabung, Rechentalent und Grundkenntnisse in Humanbiologie, speziell “Die Pubertät des Menschen, weiblich” immer zu irgendwelchen nichtsportlichen Veranstaltungshelferrollen verholfen. Letzteres wurde ebenfalls mit einer Teilnehmerurkunde vergütet. Warum denn, verdammt noch mal, nicht gleich so?

Wenn ich jetzt sehe, wie in den Foren Dummheiten postuliert werden, wie “Schadet den verweichlichten Sofahockern nicht, wenn sie auch mal verlieren, daran ist noch keiner gestorben”, dann höre ich im Hintergrund immer das Argument “Eine Watschn hat noch keinen umgebracht” und mir platzt schier die Galle. Veranstaltungen wie diese haben dazu geführt, daß ich mir selbst das Etikett “unsportlich” aufgeklebt und darum Jahrzehnte gebraucht habe, um zu verstehen, daß es durchaus Sportarten gibt, die selbst mir Spaß machen können.

Schafft den Schwachsinn ab!

* Nur temporär auf der Schwarzen Liste. Kaum, daß der Skiunfallbeinbruch verheilt und rehabilitiert war, war die Klassenkameradin es auch.
** Apropos Ironie und Sarkasmus: Das einzig positive Resultat dieser Zwangswettbewerbe war für mich der Einstieg ins Training für Hirn und Maul.

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