Der Aufhänger einer Unterhaltung über Recycling war eine Beobachtung, die mein Gesprächspartner auf einer Reise nach Ägypten gemacht hatte. Der Araber habe wohl keinen Zugang zu pfleglichem Umgang mit Resourcen, überall lägen dort Plastikflaschen und -tüten herum. Da sei man in Kalifornien doch schon so viel weiter: hier kann sich ein fleißiger Obdachloser seinen Lebensunterhalt damit verdienen, daß er Flaschen und Dosen aus Mülltonnen kramt und sie für fünf Cents pro Stück beim Wertstoffhof abgibt. Toll, oder? Ich habe ihn trotz beifallsheischenden Blickes nicht gelobt, sondern so richtig ausgeholt.
Schätzele, ich komme aus Deutschland. Wir haben’s erfunden. Bei uns gibt es Einweg- und Mehrwegbehälter, auf alle wird Pfand erhoben. Mindestens fünf Mal mehr als hier. Was man nicht zur Wiederbenutzung zurückbringt, wird der Wiederverwertung zugeführt. Ich bin zu Hause jeden Samstagmorgen mit meinen vollen Korb zu Fuß (!!) losgegangen, Pfandflaschen in den Supermarkt zurückbringen und Einwegzeug in einen der an jeder Straßenecke aufgestellten Container “entsorgen” (dieser Begriff ist unübersetzbar), brav nach Farben und Stoffen sortiert. Bei uns kostet jede Plastiktüte im Supermarkt Geld, weswegen die Deutschen ein Volk von Leinenbeutlern sind. Daß wir unsere Einkäufe auch selbst einpacken, hat ihn vollends fassungslos gemacht.
Vielmehr verstört war er allerdings von der Vorstellung, daß Flaschen vielfach genutzt werden. Aus einer Flasche trinken, aus der schon andere vor ihm getrunken haben? Oh mein Gott, was man sich da nicht alles einfangen könne. (Schon dem Kleinstamerikaner wird eine Höllenpanik vor “germs” eingetrichtert. Man muß sich nur mal ansehen, wie sich Amerikanerinnen bei der Nutzung öffentlicher Toiletten verrenken. Erst wird vorsorglich gespült, dann die Brille komplett mit allem verfügbaren Papier und eigens dafür vorgesehenen “seat covers” mehrschichtig abgedeckt und schließlich die Hände mit einem Handtaschenflakon “Sanitizer” desinfiziert. Dann können sie pinkeln. Eilig dürfen sie es nicht haben.)
Die Flaschen werden doch gespült, Mann! Es kommt eher zu Unfällen, weil in seltenen Fällen noch Rückstände der Desinfektionsmittel in den Flaschen sind. Nein, das wolle er nicht. Das sei ja e-ke-lig. Wie er mit den Vorbehalten im Restaurant essen könne und trinken aus den widerlichen Plastikbechern, in denen hier das Wasser zu Mahlzeiten gereicht wird, will ich wissen? Darüber hat er noch nicht nachgedacht, das sei aber auf jeden Fall etwas ganz anderes. Finde ich nicht. Aber was soll’s? Nachdem ich ihm von den sieben Mülleimern meiner Mutter und dem Teebeuteldilemma (http://bit.ly/zqV92S) berichtet hatte, habe ich ihm die vorerst letzte schockierende Eröffnung gemacht: Wir zahlen daheim für Einkaufswagen im Supermarkt Miete.
So, und jetzt kommst du mit deinem Super-Öko-Kalifornien.
Oje, schreckensspiralenauslösende, tagesverdüsternde Teebeutel erst… (mit epenthetischen Interfixen) 🙂