Heute war der Höhepunkt der lokalen College-Football-Saison: die Berkeley CAL Bears gegen die Cardinals aus Stanford, in Berkeley.
(Natürlich hatte Jürgen es irgendwie hingekriegt, für dieses längst ausverkaufte Spiel für uns Karten zu bekommen – zwischen den beiden Fanblocks, aber mit einer klaren Mehrheit der gelb-blauen Bears um uns rum. Nachdem die mir ohnehin die sympatischere Mannschaft sind (das ist immer auch ein Kampf der Underdogs gegen die Silicon Valley Elite) war mir das ganz recht.)
Wir reisten dieses Mal nicht, wie sonst immer, mit dem Caltrain, sondern mit der BART (BAY Area Rapid Transit). Der Bahnfof ist in gut 20 Minuten zu Fuß von zu Hause erreichbar, das Tarifsystem läuft darauf hinaus, dass man dem Automaten den Preis für die Fahrkarte entweder passend einfüttert oder überzahlt. Gibt man zu wenig hat das wenig Sinn, da sowohl beim Ein- wie beim Aussteigen Schranken zu passieren sind, die sich in dem Falle der Unterzahlung einfach nicht öffnen. Es kommt dann ein schwarzgekleideter Cop herbeigeeilt, aber was der tut, habe ich nicht mehr mitbekommen – ich hatte genug bezahlt und kam durch.
Wir hatten keine Ahnung, wo’s langgeht und sind an der Downtown Berkeley Station einfach den Massen gefolgt. Ich hatte vorher noch recherchiert, dass es Shuttle Busse gibt – aber wenn schon die Amis zu Fuß gehen, dann kann das für Europäer ja nur ein Katzensprung sein. Ist es nicht, man tapert ewig den Berg hoch, weil das Stadion sehr hübsch in die hügelige Landschaft gebettet am Hang liegt. Hauptsache, es geht wieder irgendwo bergan. Grrghh.
Wir waren 20 Minuten vor Spielbeginn auf unseren tollen Plätzen in Section PP, sonnenbeschienen, hatten wieder das volle Pre-Game-Showprogramm mit Marching Bands und Cheerleaders und den Gewinnern des güldenen Safewaypasses und des 1000-Gallon-Tankgutscheins und und und… es ist wirklich Wahnsinn, was man sich hier alles einfallen läßt, das Volk zu unterhalten. Wahrhaft Brot und Spiele, wenn auch wieder ohne Fly Over. Als es ans Absingen der Hymne ging, mußte das Publikum selbst ran. Hier bitte: ordentlich memorieren – man weiß nie, wie schnell man im Stadion steht, und beim unbeholfen Mithmhmhmen schräge Seitenblicke von den aus voller nationaler Brust schmetternden Nachbarn erntet:
The Star Spangled Banner Lyrics
By Francis Scott Key 1814

Oh, say can you see by the dawn’s early light
What so proudly we hailed at the twilight’s last gleaming?
Whose broad stripes and bright stars thru the perilous fight,
O’er the ramparts we watched were so gallantly streaming?
And the rocket’s red glare, the bombs bursting in air,
Gave proof through the night that our flag was still there.
Oh, say does that star-spangled banner yet wave
O’er the land of the free and the home of the brave?
On the shore, dimly seen through the mists of the deep,
Where the foe’s haughty host in dread silence reposes,
What is that which the breeze, o’er the towering steep,
As it fitfully blows, half conceals, half discloses?
Now it catches the gleam of the morning’s first beam,
In full glory reflected now shines in the stream:
‘Tis the star-spangled banner! Oh long may it wave
O’er the land of the free and the home of the brave!
And where is that band who so vauntingly swore
That the havoc of war and the battle’s confusion,
A home and a country should leave us no more!
Their blood has washed out their foul footsteps’ pollution.
No refuge could save the hireling and slave
From the terror of flight, or the gloom of the grave:
And the star-spangled banner in triumph doth wave
O’er the land of the free and the home of the brave!
Oh! thus be it ever, when freemen shall stand
Between their loved home and the war’s desolation!
Blest with victory and peace, may the heav’n rescued land
Praise the Power that hath made and preserved us a nation.
Then conquer we must, when our cause it is just,
And this be our motto: “In God is our trust.”
And the star-spangled banner in triumph shall wave
O’er the land of the free and the home of the brave!
Frisch aufgesungen habend, ging das Spiel los, wieder ohne dass ich es mitbekommen hätte. Aber es war auch so viel los, alles schön bunt und der Stadionlautsprecher genau gegenüber; so direkt denken konnte man sich nicht mehr hören. Sehr nett, als die Bears ihre ersten Punkte machten und es aus eben diesem Lautsprecher tönte: “CAL: :3 – Stanford… (kleine Kunstpause) NOTHING”. Für den Herrn am Mikro hat es mir fast leid getan, dass Stanford ein paar Pünktchen erspielt hat, dem ist viel Spaß genommen worden. Der hat sein “NOTHING” so herrlich ausgekostet…
THE BIG GAME war denn auch spannend (hätte ich nie gedacht, aber wenn man die Regeln so ein bißchen verstanden hat, ist Football ein aufregendes, sehr strategisches Spiel) und die Pausenschau wirklich witzig. Die Stanford Cardinals haben nicht, wie ich mal irrtümlich behauptet habe, einen Vogel als Maskottchen, sondern einen Baum. (War wohl ganz früher mal ein Indianer, das geht aber wegen political correctness nicht mehr… – wer dazu Näheres wissen möchte, befrage Jürgen.) Der CAL-Fanblock hat nun mit bunten Papptäfelchen über dem Kopf in vier Bildern die Geschichte erzählt, wie sie den Baum klauen, anzünden, wie er nett brennt und zum Schluss nur noch ein Baumskelettstrunk übrig bleibt. (Das nimmt wohl Bezug auf eine wahre Geschichte: bei einem der BIG GAMES in jüngerer Vergangenheit wurde der Baum als Geisel genommen und erst nach Tagen gegen Lösegeld wieder freigelassen. Man hats nicht leicht, so als Baum.) Die Halbzeitshow ist die Chance der Marching Bands, sich zu produzieren und so ließen die CALs erst Stanford aufspielen und konterten dann mit einer dreifachen Überzahl an Musikanten (sie haben die Cardinals ganz einfach eingekesselt) und einem Medley von Musik aus den Neunzigern. Beginnend mit den Back Street Boys, zum Cheerleaderauftritt roch es nach “Teen Spirit” und zu der oben angeprochenen Bildergeschichte ließen sie wissen, dass sie es (nämlich die Axt geholt, die hiesige Trophäe) “ooops” wieder getan hätten.
Ein ungemein unterhaltsamer Nachmittag. Nach dem Sieg “ihrer” Bären sind 60.000 von 70.000 anwesenden Zuschauern aufs Spielfeld gerannt, um dort mit der Mannschaft zu feiern. Und wieder alles friedlich. Die einzigen Ausreißer waren ein paar trunkene CAL-Bübchen, die Menschen in roter Kleidung (Cardinals) Four-Letter-Words nachbrüllten. Sehr nette Szene auf dem Weg zurück ins Städtchen. Auf einem Balkon stand ein Fan, der statt T-Shirt Boa trug. Nicht Feder-, sondern Constrictor. Auch sie offensichtlich ein Fan, mit einem Lächeln wie Ka selig.
Nach einem schnellen Abstecher im Fan-Shop mussten wir dringend nach Hause und was Anständiges essen – so ein Spiel strengt ganz schön an!