Graduation Day

Vorhin hätte ich beinahe den Examiner-Verteiler im Bahnhof nicht wiedererkannt: man hatte ihn in eine violette, ach was, knatschlilafarbene Robe mit Hochwerftroddelflachhut im ebenso fliederfarbenen Ton gesteckt um den über 8.000 kalifornischen High-School-Abgängern dieses Jahr zu gratulieren. Sie seien nun “ready to make a positive difference in the world”.

Ich bin sehr gespannt zu sehen, wie die Schulabgänger einen positiven Unterschied machen werden. Lächelnd arbeitslos? Nüchtern beim Baseball? Die Zeit wird es weisen.

Lieferbestätigung

Das klingt doch wie aus einem Buch von Alan Moore: “your package was shipped via Medea Mail”.

Na ja, – immer noch besser als Pandora.

“The pursuit of happiness”…

also der Anspruch auf Glück ist in der amerikanischen Verfassung verankert.

Ich hatte eben meine persönliche Robert-Lesson dazu: “Y’know what? Sumtimes I see people coming here and look at them at a the first glance I think: that’s a happy person. And an hour later I realize: they’re not happy at all. They have problems, I hear them talking on their cell: they loose their job, they dunnot have a family. Nuthing. And y’ know why I judged them wrong at first sight? Robert was happy – not they was happy. If everybody was as happy as I am – the world could be a wonderful place.”

Er wieder: kurz das psychologische Prinzip der Projektion definiert und dann auch noch den Weltfrieden organisiert. Und das alles in unter einer Zigarettenlänge. Der Mann ist wirklich begnadet.

Manchmal,

so in diesen Spät-Frühling/Frühsommerwochen, kann ich mich einer leichten Wehmut nicht entziehen – all diese herrlichen deutschen Donnerstag-Feiertage mit anschließendem Brückenfreitag… Das ist schon was Schönes.

WIR haben ja hier am Montag Memorial Day. (Einen “Federal Holiday”, also Schulen, Banken, Behörden und die Post geschlossen, sowie “Memorial Day Sale” bei allen, die irgendwas zu verkaufen haben.) Für uns ist gut gesorgt: wir sind weg von der Straße und dürfen arbeiten. Schützt sicher auch vor der kalifornisch-intensiven UV-Strahlung.

Grrghhgh.

Ballgame: San Francisco Giants vs. New York Mets

Ich hatte ja keine Ahnung – und da ich annehme, dass es den meisten von euch genau so geht, im folgenden ein wenig Hintergrundinformation:

Baseball ist DAS amerikanische Spiel. Jede Mannschaft spielt etwa 170 Spiele pro Saison, davon immer drei oder vier in Folge gegen denselben Gegner. Die Eintrittskarten sind vergleichsweise günstig und daher setzt sich das Publikum aus anderen Bevölkerungsschichten zusammen als beim Football. Baseball ist in der amerikanischen Alltagssprache omnipräsent, wer mag, kann sich hier kluglesen:

http://en.wikipedia.org/wiki/English_language_idioms_derived_from_baseball

Am Freitagabend war es soweit: ich und mein erstes Baseballspiel.

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Das AT&T Stadion ist gigantisch, das Brimborium um das Spiel herum nicht zu überbieten (vom Kinderbaseballfeld mit echten Trainern bis zum Kußwettbewerb via Großleinwand und dazwischen alles, was man sich als Entertainment so vorstellen kann). Eigentlich reicht es, sich an die Simpsons-Folgen zu erinnern, in denen Homer fürs Spiel aufrüstet: mit dickem Winkehandschuh und teuer gekauftem Fan-Merchandise sowie Unmengen schlechten Essens und Bier. Man verkauft beispielsweise Garlic-Fries, deren Duftwolken den olfaktorischen Eindruck des Ballparks dominieren. Selten war einem Essen sein Zweck so deutlich anzuschmecken: fett (selbst der Knoblauch wird frittiert) und übersalzen – der wahre Fan kauft dazu in Halbgallonenbechern Bier. Das führt dann dazu…

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Vom Spiel habe ich wenig mitbekommen: die Zuschauer (?) wandern ständig die Gänge auf und ab und verstellen die Sicht, außerdem war’s sehr frisch. Das Stadion liegt nämlich direkt an der Bay, und hat, neben kaltem anlandigen Wind, als regionale Besonderheit bisher 47 “Splash-Hits” zu bieten. (Das sind Bälle, die direkt ins Meer geschlagen wurden.)

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Wir sind nach dem 6. von neun Innings gegangen, in der irrigen Annahme, dass wir dadurch im Zug von dem Pack verschont bleiben. Von wegen.

Der CalTrain war rappelvoll und die Herr- und Damenschaften waren großenteils “hacked”, “hammered”, “baked”, “twatted”, “sloshed” – und das, ohne auch nur zu wissen, ob “ihr” Team denn nun gewonnen oder verloren hat. Pro Waggon wurden zum Zugpersonal zwei zusätzliche Sheriffs eingesetzt, die ihre liebe Not hatten, verbotene Bierdosen einzusammeln und Füße von den Sitzen zu bekommen.

10 Minuten auf die Abfahrt des Zuges warten, 20 Minuten Fahrt nach San Bruno – das kann sich ziehen…

Die Giants haben in den letzten drei Innings keinen einzigen Punkt mehr gemacht und die gesamte Partie verloren. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

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If God had wanted me to exercise, he would have put diamonds on the floor

Diesen Mae West zugeschriebenen Spruch haben mit gute Freunde mal als Postkärtchen geschickt und ich habe das jahrelang beherzigt.

Seit ich in Amerika bin, sehe ich, dass das Geld hier wahrhaftig auf der Straße liegt. Ich bin billiger zu haben als Mae (habe schließlich schwäbische Gene) und bücke mich brav nach jedem Cent, Nickel, Dime und Quarter. Mein “Höchstverdienst” waren bisher knapp über 20 Dollar an einem Tag (der Wahrheit die Ehre gebend, muss ich eingestehen, dass da eine Zwanzigdollarnote dabei war…).

Jürgen, um diese meine Neigung wissend und um die Ertüchtigung meines Leibes sehr bemüht, hat offensichtlich sein gesamtes Klein- und Klimpergeld irgendwo hier in diesem Haus verteilt. Bisher bin ich in der Garage und unter dem Kopfkissen (die Zahnfee wirds wohl hoffentlich nicht gewesen sein) fündig geworden, mal sehen, wieviel Beute ich in den nächsten Tagen noch mache. Einen Cent hat auch der Staubsauger gefunden. Werde ihn konsequent weiter als Hilfskraft einsetzen.

Jetzt isser weg…

und ich gewöhne mich wieder ans alleine Sein und Wohnen.

Kalifornien hat zum Trost mal wieder die Sonne angeknipst und ich sitze abends um 10:00 bei lauem Wind unter dem Sternenhimmel. Could be worse. Could be better.