Die Lüning-Variante

Christoph und ich lernen seit neuestem (unterwiesen von Scott http://www.youtube.com/watch?v=ooY4Ylz0WNQ) Mah-Jongg. (Mit einem wunderschönen Spiel, direkt von der Quelle aus Chinatown.)

Mah-Jongg ist die fernöstliche Mutter aller Pokerspiele und es gibt wohl weltweit wenigstens ebensoviele Varianten wie Spielsteine (sogenannte “Ziegel”, 144 an der Zahl). Allen gemein ist, dass es vierer Spieler für eine Partie bedarf, also in diesem Falle Christoph, Sabine sowie unsere Alter Egos Horst und Jochen.

Christophs Horst ist der uns schon wohlbekannte Herr Lüning(https://flockblog.de/?p=7873) und man meint aus seinem Spielverhalten auf die erschreckenden Spätfolgen seines langjährigen “Nosens” rückschließen zu können: Kurzfristige Absenzen, dann wieder unglaubliche strategische Höhenflüge abgelöst von vollkommen sinnfreien Spielzügen; insgesamt macht Horsti uns schon Sorgen. So sehr, dass Christoph oder ich ihn inzwischen manchmal direkt ansprechen, um darauf hinzuweisen, dass er dran ist. Oder Christoph einen vollkommen unverständlichen Spielzug mit einem seufzenden “Oh mei, Horst, was mochst’n wieda?” beweint. Jochen ist eine eiskalte strategisch hochbegabte Sau, ein zynischer Alt-Linker, der darauf besteht, dass zu den Spielen Waders Arbeiterlieder oder die DDR-Liedersammlung “Die Partei, die Partei, die hat immer recht” aufgelegt werden. Am meisten Freude hat er, wenn seine Züge anderen schaden; noch dazu bescheißt er. Wir haben inzwischen gelernt, dies zu dulden – sonst erzählt der Opa von der APO und seinen glorreichen Tagen bei den Feldzügen von Wackersdorf, der Startbahn West, in Fessenheim oder bei den Bonner Friedensdemos und hört einfach nicht mehr auf. Christophs und meine personae ähneln stark den netten natürlichen Personen – unsere Alter Egos machen uns das Leben eh schon schwer genug.

Mit der Zeit haben wir die Winde besonders lieben gelernt: Christoph hat sich zum Dauerostwind ernannt (der Ostwind darf immer immer immer anfangen), ich hingegen kämpfe nach wie vor für die Anerkennung des Vierwindekongs als ultimativem Spielzug (wird von der Fachpresse vollkommen zu unrecht angezweifelt). Wir können bereits professionell “Kong”, “Pong” und “Chow” ansagen, hatten, bis auf Horst, jeder schon mindestens einen Mah Jongg, wissen aber in Wirklichkeit immer noch nicht, wie man korrekt zählt.

Daher zur Beflügelung der Spielfreude und im Bestreben, den Mangel an genauer Regelkenntnis zu verschleiern, gilt bis auf weiteres unsere Lüning-Variante, die auch das ad hoc und bei Bedarf Erfinden neuer Regeln umfasst (Mehrheitsbeschluss, einfache Mehrheit).

Auf den Straßen von San Jose – Nachtrag

Gestern: ungeheuer viele Frauen mit viel Haar (Heather Locklear ist ein Dreck dagegen) und noch mehr Make-up, in schwarzen business-style Kostümen und erstaunlich hochhackigen Stiefeln (die wenigsten können allerdings fehlerfrei darin gehen) verteilen sich in kleinen Gruppen über die San Joseaner Innenstadt. Erste Assoziation: im Convention Center muss eine Domina-Konferenz stattfinden. Oder sowas ähnliches.

Weit gefehlt. Die Damen sind “Ambassadors”. Für “Mary Kay’s World of Beauty” und treten mit keinem geringeren Ziel an, als “Enriching Women’s Lives”. Das tun sie im Schneeballsystem, so wie Avon und Amway und wer seinen gesamten Freundinnenkreis auf einer “Party with a Purpose” zum Kauf von viel Kosmetika animiert hat, darf zur Belohnung sein pinkes MK-Beutelchen in San Jose zur Schau tragen.

Mary Kay muss höchstpersönlich vor Ort gewesen sein, vor dem Marriott wurde nämlich eben ihr Pink Cadillac vorgefahren. Ein Auto, von dem Barbie träumt.

“The Tech”

ist ein Museum in San Jose mit dem hehren Ziel, seine Besucher mit “The Spirit of Silicon Valley” zu inspirieren. Haben sie bei mir geschafft mit einem Fake-Erdbeben nach Wahl (lokal kalifornisch in Northridge 1994/6.7 Punkte auf der Richterskala, oder lieber was in Asien? Taiwan 2002/6.5 Punkte oder lieber Amazonas? Brasilien/7.1 Punkte oder….; Japan 2011 war noch nicht vorrätig), wo man in einem bereits kunstvoll zerstörten Haus gründlich durchgerüttelt wird). Wie bei allen guten Dingen in Amerika muss man dafür natürlich erst mal Schlange stehen und hört dabei folgenden Dialog. Mutter: “Sally, you’re coming in line?” Ca. Vierzehnjährige (mit mittelgroßer Divengeste): “Nah. I’ve had enough quakes in my life.” (Wenn sie sich da mal nicht täuscht.)

Die eigentliche Attraktion waren Gunther von Hagens “Körperwelten” in der US-Version “BODY WORLDS Vital”. “This exhibition is designed to show visitors the essentials for human health and wellness by contrasting healthy bodies to ones that have succumbed to a host of illnesses and medical conditions. The exhibit tells the compelling story of how best to defeat life-threatening diseases such as cancer, diabetes and heart disease through informed choices and lifestyle changes.”

Ich hatte das Gefühl in der AOK-Zweigstelle Feldmoching über die Gefahren des Essens, Trinkens, Rauchens und Lebens im allgemeinen aufgeklärt werden zu sollen. Kein Reiter hoch zu Roß, kein Querschnitt durch den Leib einer Hochschwangeren mit halbiertem Fötus, stattdessen Raucherbeine, Leberzirrhosen, verstopfte Arterien und Alzheimer-Hirne. Der begleitende Amerikaner fand’s denn auch (wie wohl bezweckt) “pretty creepy”.

Darauf einen Snack im Museumsrestaurant (deep fried) und ein schönes zuckerhaltiges Erfrischungsgetränk (free refills).

Neu im Kino: Sucker Punch (Spoiler-Alert)

Ich sach mal so: das ist der feuchte Traum eines jeden Nerd come true.

Ein armes onscholdiges Blondchen, das vom bösen Stiefvater ins Irrenhaus eingeliefert wird, auf dass man eine Lobotomie an ihr vornehme. Ein Fluchtplan. Und dann geht’s los: Ninja-Nutten, übelst kleistergeschminkt, mit einem Zuhälter, der aussieht wie Freddie Mercurys schielender Schwippvetter und einer russischen Dominatanzlehrerin, harrt wie Kruppstahl, die aber im Herzen nur die Freiheit der ihr anvertrauten Kampftanzmäuse im Sinn hat. Fette Männer aller Berufsgattungen darunter Köche, Bürgermeister, Stiefväter, die der Unschuld an dieselbe wollen.

Schlachtschauplätze, schon mal gesehen im Herrn der Ringe und bei Harry Potter, aber auch die Gräben vor Ypern (inklusive kaiserliche Pickelhauben-Zombies mit Gasmasken und über der Brust gekreuzten Schläuchen, die beim Abhacken schön grauen Rauch ausblasen), Luftkampf gegen Triple-Decker & Zeppeline, Stampfkampfmaschinen (kennen wir die nicht aus Star Wars?). Ein Zug, auf eingleisiger Strecke auf hohen Brücken mit tickender Zeitbombe, eskortiert von silbernen C3POs auf dem einsamen Weg durch die dunkle Nacht in die große Stadt. Ein Tempel im Schneegebirge, eine recht sinnfreie Prophezeihung, böse Samurai und ein guter weiser Mann. Ein Drache, magische Kristalle in den Innereien der Drachenbrut (so viel Schleim kriegen die Mädchen an den knappen Corsagen und Ninjaröckchen kaum abgewischt). Viel Pyro- und noch viel mehr Computertechnik.

Ganz viel laute Musik, von “I want it all” bis “Stabat Mater” – es ist alles drin. Alles! Und laut!

Aber ganz ehrlich Mr. Zack Snyder: Sucker Punch sucks!

PS: Der Film ist “Rated PG-13 for thematic material involving sexuality, violence and combat sequences, and for language.” Einige der kinobesuchenden Familien schienen der irrigen Annahme gewesen zu sein, dass man die dreizehn auch erreichen könne, in dem man das Alter der begleitenden Kinder addiert.

PPS: http://www.urbandictionary.com/define.php?term=sucker+punch

Am Arsch vorbei

Wir sind noch im Halbschlaf auf dem Weg zur Arbeit, da taucht vor uns auf dem 280 ein “Pirate Booty aged with Cheddar” (Piratenhintern mit Käsegeschmack) aus dem Regen auf. Was? Wie bitte? Träum ich gerade wirr? Nicht doch, beim Überholen protzt der LKW auch noch mit seiner Riesenauswahl an “Smart Puffs”. Will man das alles haben? Am frühen Morgen? Später nachgesehen: Die Piratenpuffer produzieren “wholesome goodness (Chips, Flips, Cracker) without the guilt”. Besser macht’s das Zeug wahrscheinlich auch nicht, aber man muss sich nicht mehr schuldig fühlen. “Guilt Free Food” gibt’s mir hier eh zu viel. Bevor ich’s mit schlechtem Gewissen esse, dann lasse ich’s halt einfach bleiben, oder?

http://piratebrands.com/products/piratesbooty/agedwhitecheddar

Mein Bauch gehört mir!

Am Straßenrand des Camino Real in Redwood City stehen die Fundamentalisten von “40 Days for Life” bei Wind und Wetter an einem Tapeziertisch und beten. Manchmal belästigen sie Passanten mit Bildern von Föten und zahnlückigen all american extra sweet kids. Wenn gerade niemand zum Belästigen vorbeikommt, beten sie wieder. Hinter ihrem Stand, zurückgesetzt von der Straße liegt eine Filiale von Planned Parenthood, der hiesigen Version von Pro Famila. Wie diese, berät PP in Fragen zu Sexualität, Gesundheitsvorsorge und Familienplanung. Also auch zum Thema ungewollte Schwangerschaft, was bei der hiesigen dumm-rigiden Sexualmoral leider öfter verkommt, als man es sich in einer aufgeklärten Industriegesellschaft vorstellen möchte. Dieser Meinung ist auch PP: “Only you can decide what is best for you. But we are here to help.”

Die Herrschaften mit dem Tapeziertisch halten es eher mit der Maxime “Lieber zehn Kinder auf dem Kissen, als eins auf dem Gewissen” und maßen sich an, damit im Vollbesitz der Wahrheit zu sein und ein Recht auf Einmischung in eine solche extrem persönliche Entscheidung zu haben. Mich hat beim Lesen dieses Blogs http://www.40daysforlife.com/blog/ das pure Grausen gejagt. Monotheismus taugt einfach nur für Haßprediger.

Zu Zeiten als die Mayflower in See stach, sind hinreichend Schiffe versunken. Wenn man bedenkt, wie wenige Windstärken dieses Land vor so viel Schaden hätten bewahren können…