“What can we do for you today, honey?” will die Dame mit den asiatischen Zügen im Beautysalon wissen. Ich bin etwas irritiert. Es ist doch Wochenende und Lien sollte da sein und mir keine dummen Fragen stellen, sondern sehen, dass meine Haare schon wieder gewachsen sind wie Unkraut und dringend ihrer Schere bedürfen.
“No. Lien not in. I am Li-Ly. I can do everything for you.” Ich gehe nicht gerne zum Friseur. Wenn ich mich nun schon überwunden habe und wo ich schon mal da bin: “Haare schneiden, bitte. No artwork. Just haircut.” Li-Ly macht ein paar zaghafte Anläufe, mich von den Vorteilen ihrer Haarfärbeprodukte sowie anderer Dienstleistungen (“You like manicure? I do good manicure.”) zu überzeugen, aber ich insistiere auf “just haircut”, weder “shampoo” noch “blow”, “just haircut” und das macht sie dann auch. Flott und nett, mit seichtem Haarschneidegeplapper, nur auf die Fragen nach Liens Verbleib reagiert seltsam ausweichend und verschlossen. Lien wird doch nichts zugestoßen sein?
Es läßt mir keine Ruhe, ich rufe Lien an und sie erzählt, dass “The Owner” vor kurzem da war und sie und ihr ganzes Team (bestehend aus Schwester, Nichten, Kusinen) kurzerhand auf die Straße gesetzt hat. Das eigene Werkzeugset (man hat das in dieser Branche, so wie Köche ihre Messer) durften sie mitnehmen, alles andere verblieb im Salon und am nächsten Tag bestand die Belegschaft von “Ann’s Hair & Beauty” aus einem neuen Verband vietnamesischer Schwestern, Nichten, Kusinen. Das ist halt mal so. “The Owner” sei in der Bay Area Alleinherrscher über eine erkleckliche Anzahl dieser “Hole-in-the-Wall”-Salons und wer nicht brav ist oder nebenraus wirtschaftet oder einen der schlechten Tage des “Owners” erwischt, der verliert von jetzt auf gleich seine Existenzgrundlage (das ist umso schlimmer, weil die Damen meistens aus der eigenen Familie rekrutieren). Er muss sich auch nie sorgen, dass es zu Geschäftsunterbrechungen kommt; irgendwo warten immer neue Vietnamesinnen auf ihre Chance (oder alte darauf, wieder in Gnade zu kommen).
Bei mir geht sein Konzept auf. Ich werde nicht wegen eines Haarschnittes eine halbe Stunde nach Freemont auf die andere Bayseite fahren und auf dem Rückweg 5 Dollar Brückenzoll löhnen, nur damit mir Lien die Haare schneidet. Meine neue Lien ist jetzt Li-Ly. Gleich ums Eck, walk-ins welcome und billig wie ehedem.