Gelesen: Sally Rooney – “Mr. Salary”

Dass Sally Rooney Novel kann, wissen wir seit einigen Preisverleihungen und meiner Rezension zu “Normal People” von neulich (s. https://flockblog.de/?p=45897). Dass ihr die kurze Form (“Novella”) auch liegt, weiß ich, seit ich gestern in einer Franzen-Lesepause mal schnell “Mr. Salary” in einem Reclamheftformat weggeatmet habe. Meine Fresse, ist diese Frau gut – noch dazu bedenkend, dass sie höchstens Mitte 20 war, als sie ihre Figuren schuf.

Holla, die Waldfee!

Rooney lesen! Lesen! Lesen!

Schon lang nicht mehr im Kino. Sehr sehr lang: “The Last Unicorn” (1982)

Nach all dem, was im Staate Dänemark faul war, war ein Kontrastprogramm dringend angesagt. Neues hatte ich schon, also warum nicht mal was Altes? Obwohl… Dergleichen birgt ja immer Risiken, denn wenn sich der nostalgievernebelte Blick beim Wiedersehen klärt, dann stellt sich doch manches, das man als kindgerecht und schön in Erinnerung hatte, als rollenklischeebehaftet, sex- oder rassistisch heraus.

Peter S. Beagles Einhorn hat sich erstaunlich gut gehalten. Die Animationstechnik hat natürlich in den letzten 40 Jahren große Fortschritte gemacht, aber dieses 80er Jahre Produkt hat einen sehr eigenen, fast intellektuellen Charme und kann sich noch gut sehen lassen. Wie in jedem echten Märchen geht es nicht ganz ohne Grausamkeit (gut so) und die Rührseligkeit wird mit einem guten Maß an Comic Relief aufgewogen. Selbst der Soundtrack von America ruft eher ein nostalgisches Hach! hervor als – wie ich befürchtet hatte – ein genervtes “Geh-mir-doch-weg-mit-Eighties-Kitsch”.

Wie kindertauglich The Last Unicorn ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aber ich sage ihm eine große Renaissance als Stonerfilm hervor, wenn “Legalize it” endlich durch ist… Mit vielen Munchies.

Gelesen: Florian Illies – “1913: Was ich unbedingt noch erzählen wollte”

Ein Büchlein wie ein Sorbet. Was für zwischendrin, leicht und nett und bald vergessen und vor allem dem Umstand geschuldet, dass Illies soviel Material für den ersten Band (https://flockblog.de/?p=40619) gesammelt hatte, dass es für einen zweiten reicht. Döntjes, Schnurren, Anekdoten über Künstler, Dichter, Mäzene, Maler, Erfinder, Autoren, Komponisten, Bildhauer, Weltenentdecker und *Innen.

Doch vorhin ist mein lang erwartetes Weihnachtsgeschenk von mir an mich eingetroffen: Jonathan Franzens “Crossroads” (Taschenbuch). Da kam Illies Fleißprojekt natürlich sofort wieder auf den Tsundoku*. Man möchte sich ja auch einmal wieder fordern…

*

Gelesen: Sally Rooney – “Normal People”

In meiner Jugend gab’s so ‘ne Spontisprüche (schlagt es nach, junge Menschen), darunter einen, den ich immer sehr gemocht habe: “Nichts passiert, aber davon jede Menge”.

Genau darum geht es in Rooneys Zweitling. Zwei junge Menschen, Familien, Klassenunterschiede, Schule, Uni. An sich passiert nichts, aber davon jede Menge. In einer sehr klaren und klarsichtigen, analytischen Sprache geschrieben. Und ja, das Buch ist so gut, wie es alle Preisvergeber auch gefunden haben. Ich konnte es vom ersten bis zum letzten Buchstaben nicht aus der Hand legen.

Unbedingt lesen! Lesen! Lesen!

Analyse

Erst ist es nicht hell, weil noch Nacht ist und dann, weil aus donklen Wolken schon wieder so ein matschiger Schneeregen fällt.

Meine Jahreszeit wird das nicht mehr. Nie mehr. Nicht in diesem und nicht in allen möglicherweise folgenden Leben.

Neu auf Netflix: ” Don’t Look Up”

Ich glaube, bei dieser Produktion war es so:

Ein Zoom-Call. Adam McKay fragt in die Runde: “Könnt ihr mich hören? Halloho? Meryl? Leo? Jennifer? Cate? Rob? Jonah? Mark? Thimotée? Tyler? Ron? Alle da?” [Bestätigendes Gemurmel.] “Su-uper! Dann schnell, bevor hier das Internet wieder zusammenbricht: es muss flott gehen, wir müssen vor Dreikönig 2022 rausgekommen sein, weil, naja, ihr wißt schon. Jahrestag. Sturm aufs Kapitol und so. Die Youngster-Zielgruppe habe ich mit Ariana und Kid im Sack, die kriegen wir. Ihr seid alle voll typgerecht besetzt, das spielt ihr im Schlaf. Ach was, spielen, chargieren langt. Ich erklärs euck kurz. Jennifer entdeckt, dass ein Meteorit auf die Erde zurast und sie in einem halben Jahr zerstören wird. Ihre Warnungen werden ignoriert. Dann volle Mediensatire, auch digital. Anschließend Sinneswandel, Meryl macht den Trump, aber besser. Schließlich Auflösung, Zerstörung. Aber Family Values. Sound good, oder?

Meryl, du bist meine Präsidentin. Typ Trump, aber in weiblich mit blonder Korkenzieherlockenfrisur. Tut mir leid, da musst du durch. Schau dir bitte ein paar Trump-Auftritte an. Ja, ist grausig, nochmal, tut mir leid. Aber dafür kriegst du eine Uber-Patrioten-Szene mit rot-weiß-blauem Feuerwerk auf einem Flugzeugträger, bei der sich alle Republikaner ärgern werden, dass sie ihnen nicht vorher eingefallen ist.

Leo, du verwandelst dich vom menschenscheuen Astronomie-Professor zum Medien-Drosten, das machen wir mit einer Rasur und Cate. Cate, du weißt, was du zu tun hast. Klamotten und Make-up gut tragen. Unterkühlt sexy. Das bist du. Das schaffst du.

Jennifer, erinnerst du dich an “Silver Lining”? Genau. Schnelle Stimmungsumschwünge, Verzweiflung, Fassungslosigkeit, auch mal Rumbrüllen. Ruf das wieder ab, aber in billig. Geht das?

Rob, du spielst mir “edel sei der Mensch, hilfreich und gut”, mit einer Prise BLM. Diverser wirds nicht. Jonah, von dir brauche ich Doppel-D, hihi, Don jr. & Doof – einfach zitieren, mehr ist das nicht. Ron. Rohon, hallo? Ron, du bist mein alter Patriotenpilot. [Beiseite: Schade, dass wir Bruce Willis nicht gekriegt haben.] Klar, mit Uniform und alles. Tyler, als du selbst. Timothée, Schatz, von dir krieg ich aufmüpfiges Surfer-Street-Kid, oder? Ja, Kappe mit Schild nach hinten, Superidee! Machen wir.

Mark, dich brauche ich leicht creepy. Denke dir Elon, Steve und Michael Jackson. Mit allwissenden Smartphones und Kiddies auf der Bühne, aber dabei Großkapitalist und Weltherrschaft. Kindliche Begeisterung gepaart mit Gruselgrausamkeit und Flüsterstimme. Spielst du, wenn man dich morgens um drei wachrüttelt mit links? Eben. Sag ich doch.”

Ein großartiger Cast.

Vollkommen vergeudet an das, was man bei Holly-Flix Satire nennt.

Die, die Trumps Magas “die Eliten an den Küsten” nennen, werden mit wahlkampfgesangsähnlichen Einlagen der tumben Mützenträger aus den Fly-Over-Staaten bedient, wobei “Don’t look up” (zu dem Kometen, der demnächst die Erde zerstört, den aber alle ignorieren, weil er gerade nicht auf die Agenda passt) verdächtig wie “Lock her up” klingt – kurz, es wird jedes Klischee gemolken. Ganz fürchterlich: Meryls Präsidentin raucht. Das ist in den USA bekanntermaßen nahe am Verbrechen. Nicht bei dieser Figur, die dafür auch noch Stimmzuwächse einheimst. Grausig.

Satire ist das nicht. Schon gar nicht, wenn man sich die Enden ansieht. [Vorsicht, Spoiler.] Die Guten essen um einen großen Tisch ein gemeinsam mit Bluts- und Wahlverwandten zubereitetes letztes Abendmahl und akzeptieren gefasst und reflektiert ihr unausweichliches Ende im Kreise ihrer Lieben, wobei die sonst für Thanksgiving reservierten “Wofür-ich-dankbar-bin”-Statements nicht fehlen dürfen. Die Bösen entkommen in ihrer Tycoon-Arche-Noah-Rakete zu einem erdähnlichen Planeten, entgehen aber auch dort der gerechten Strafe nicht. Hah!

What an utter shite!

@Netflix: Mit dir bin ich für dieses Jahr fertig. Mach mal wieder was Vernünftiges!

Neu auf Netflix: “The Power of the Dog”

Ich glaube ja, das war so:

Jane Campion schreibt an Benedict Cumberbatch: “Bene-Baby, ich hatte eine tolle Idee. Ich besetze dich quasi total gegen deinen Typ. Ich mache aus dir den Archetyp des toxisch männlichen. Harter Typ, ungewaschen, naturverbunden und grausam, bösartig zu Schwächeren, loyal zu seiner Gang, aber eigentlich A Lone Wolf. Mit breitbeinig amerikanischem Akzent, weil Cowboy.”

Als die Antwort auf sich warten läßt, legt sie nach: “Gut, von mir aus. Du kriegst auch einen eigenen Brokeback-Mountain-Moment. Mit Nacktbaden.”

Nachdem Cumberbatches Zusage eingetroffen ist, schreibt sie eine weitere Nachricht: “Kirsten, heul doch.”

Das wäre dann der Film gewesen. Außerdem kein Hund.