Auf nach Otterbäcken

Nach dem zweiten von Siws reichhaltigen Frühstücken und der ersten Nacht, in der uns die von allen Schwedenkennern angekündigten Mücken plagen (drei (3) Stück, die es alle drei nicht überleben) geben wir die Koordinaten unseres Ferienhauses ins Navi ein und verlassen Strängnäs, nicht ohne einen Zwischenstop in der Apotek, wo wir uns zum “3 für 2”-Supersonderangebot mit “MyggA”-Produkten eindecken. Nun fühlen wir uns wirklich “rustad for sommaren”, denn das mitgeführte Autan entlockte den Viechern nicht einmal ein Lächeln.

Das Navi schickt uns auf die Autobahn, hmmm, ob das wirklich die scenic-möglichste Route ist? Anscheinend doch, erst fahren wir an dem Museum vorbei, das uns Siw gar so sehr ans Herz gelegt hatte – Waffen aller Gattungen, vom “Steinalter” bis heute. Es geht auch recht zu, draußen, auf den Panzern klettern Kinder unter den wohlgefälligen Blicken ihrer Eltern in Luken und auf Kanonenrohren herum. Wir fahren dann mal vorbei. Die Autobahn führt gerade mal zweispurig auf und ab durch den Wald. Ich bin überrascht, dass Schweden so hügelig ist; das Schweden meiner Vorstellung ist so flach wie Norddeutschland und man sieht dort immer den Horizont. Nicht so in der Realität. Da gibt es Wald, Wald und Wald, Buckel und keinen Horizont. Dafür aber Städte wie Västerås [sprich: vɛstɛrˈoːs und denke so bei sich, dass es sich Mr. Martin bei der Namensfindung des Standorts des “Iron Throne” nicht so schwer gemacht hat].

Nach gut zwei Stunden dirigiert uns das Navi auf einen Landsväg, und statt Wald säumen nur noch Haine, Felder, Wiesen, Weiden die Straße, darauf Pferde (sehr versprengt), Kühe (eher wenige), Schafe (ein paar mehr). Und weil wir mitten in den Mälaren sind, immer mehr Wasser und Brücken – richtig schön ist das. (Sonne, Glitzern, rote Häuser, grüne Wiesen, blau-gelbe Schwedenflaggen, die sich wie Gymnastikbänder im Wind schlängeln, Scheunen, blitzeblauer Himmel mit Schäfchenwolken, zusätzlich Bodenschäfchen, eher zottig und schwarz, rotwangige fröhliche bezopfte Kinder, Pferde auf Veranden… halt: da bin ich offensichtlich einer Fehlinformation aufgesessen. 1. Die Verandendichte an den hübschen Villen Kunterrot ist erstaundlich dünn und 2. Nirgends. Auf keiner Veranda auch nur ein Pferd! 3. Auch trägt die schwedische Flicka keine Rattenschwänze mehr.

Das Navi wird immer aufgeregter: wir seien jetzt aber sowas von gleich da und weist uns an, links in eine Bamperlstraße* in den Wald einzubiegen und verkündet dann unvermittelt “Ankunft”. Hmmm. Rechts ist Wald. Links auch. Etwas weiter vorne ist ein noch schmaleres Nochmehrbamperlstraßerl, das sowohl zum See, wie auch zu einer Baustelle zu führen scheint. Dort stehen ein Haus, ein Bagger, da sind Menschen und man hört Hämmern und Sägen. Das wird doch jetzt nicht unser Feriendomizil sein? Wir machens arbeitsteilig, wie immer; Christoph fährt da hin, ich steige aus und rede mit den Leuten. Es hilft aber gar nichts, dass mein Schwedisch viel besser ist als Christophs, die Handwerker kommen vom Balkan, ihre Kenntnisse der Landessprache sind so mies wie meine und mein Kroatisch ist bescheiden. Aber wir radebrechen uns zusammen, er ruft die Vermieter an (“peoples coming”) und zehn Minuten später kommen Karin und Håkan vorgefahren, entschuldigen sich wortreich, dass noch nicht alles (zum Beispiel die Terasse) fertig ist. Wir sind die ersten Gäste im frisch renovierten Häuschen, Håkan führt uns auf dem Grundstück herum (hier ist die Garage mit den Schwimmwesten, Rudern und Angeln, dort der Fischausnehmplatz, da das Deck für den Sonnenuntergang, dort der Wald, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, dort drüben sei der Felsen, wo die Fischadler wohnen, hier im Garten renne manchmal ein verwirrter Jungelch herum und dort drüben, wobei er ungefähr südwestlich in den Wald hineindeutet, könne man morgens ab 08:00 Uhr frisches Brot kaufen), dieweil Karin Bettwäsche und Handtücher bringt und uns dann mit dem Innenleben des Häuschens vertraut macht. Wir haben ein Herrenzimmer, ein Mädchenzimmer in Zartrosa und ein Elchzimmer, Küche, Bad, Wohn- und Eßraum – alles sehr sehr hübsch und sehr neu in skandinavischem hellen Design** und dort drüben könne man morgens ab 08:00 Uhr frisches Brot kaufen und überhaupt “Välkommen till Sveriges” und die Waschmaschine brächten sie am Montag. Dann fahren sie wieder, das Sägen und Klopfen draußen scheint an Intensität noch zugenommen zu haben. Eine Bestandsaufnahme dessen, was mögliche Vormieter dagelassen haben könnten, erübrigt sich, alles ist frisch und neu und die Schränke, bis auf Töpfe, Pfannen, Besteck und Geschirr im skandinavischen Design** sind gähnend leer.

Wir verteilen Zimmer, und weil ich netterweise die erste Wahl habe, kriege ich das rosa Zimmer mit Blick nach Westen auf den See, Christoph nimmt selbstverständlich das Herrenzimmer mit Blick nach Osten und in den Wald und unsere Koffer dürfen, in Ermangelung von Schränken, im vom Elch- zum Ankleidezimmer umgemünzten mittleren Raum einziehen. Dann schreiben wir einen langen langen Einkaufszettel und fahren nach Mariestad, einen Kofferraum voller Lebensmittel einkaufen. Das klingt einfacher als es ist, schwedische Lebensmittel haben leider keine englischen Untertitel. Aber dafür haben wir jetzt ausschließlich laktosefreie Milchprodukte im Haus…

Als wir zurückkommen, hat das Hämmern und Sägen aufgehört, die funkelniegelnagelneue Terasse ist fertiggeworden und da sitzen wir dann mit unseren Kanelbullars und trinken unseren Välkommen Kaffe mit Mjölk und freuen uns auf eine ereignislose Woche.

* Das ist, wenn man Christoph glauben darf (und wer täte das nicht), der internationale Fachbegriff für diese Art von unbefestigtem Weg mitten im Wald.

** Alles, jeder Topf und jeder Teppich in diesem Haus ist von Ikea. Das war auch schon in unserem “Rum med Frukost” in Strängnas so. Warum nur sieht man dann nie eine Filiale? Verstecken sie die vor Touristen? Und wenn ja, warum?

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