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An jedem anderen Freitag im Jahr grĂŒĂŸt man einander morgens im BĂŒro mit “Happy Friday” außer, wenn der Supreme Court gerade entschieden hat, daß gleichgeschlechtliche Ehen ab sofort in allen 50 Bundesstaaten zugelassen und gemischtgeschlechtlichen Ehen gleichgestellt sind. Dann substituiert man mit “Happy Rainbow!” Es ist faszinierend. Bei uns im BĂŒro geht es sonst eigentlich eher ruhig zu, aber heute erzĂ€hlen alle von ihren mit Regenbögen geradezu gefluteten Facebook-, Twitter und anderen Social Media-Seiten, selbst der bekennende stockkonservative Ayn-Rand-JĂŒnger* unter den Kollegen. Jetzt echt?, frage ich: “Atlas didn’t shrug?”* “Nein”, sagt er, “Atlas hatte nicht den geringsten Grund, mit den Schultern zu zucken. Wenn zwei Menschen einander lieben, dann sollen sie heiraten können, wenn sie das wollen. So einfach.”

Da schau her. Gestern, bei der Entscheidung zur Krankenversicherung fĂŒr alle, hatte er Atlas noch in einer Art epileptischem Anfall gewĂ€hnt. Das Problem mit der Krankenversicherung sagte er, sei nicht die Krankenversicherung an sich. Die eigentliche Katastrophe sei, daß Obama bei bis dato freien Amerikanern den Anspruch geweckt habe, von anderen versorgt zu werden. UnabhĂ€ngig von “pre-existing conditions”** oder daß sie halt nicht genug Geld fĂŒr eine Versicherung hĂ€tten. Selbst wenn ein republikanischer Wahlsieger nĂ€chstes Jahr diese unsinnige Healthcare Reform rĂŒckgĂ€ngig machen wolle, könne er das fast gar nicht mehr, ohne Revolten zu provozieren. Untergang des Abendlandes eben, Amerika auf dem Weg in den Staatssozialismus.

Wir AuslÀnder, sozialisiert in LÀndern mit einer staatlichen allgemeinen Krankenversicherung zucken dann auch oft. Zusammen. Zu dieser Arm-und-krank?-Pech-gehabt!-Denke haben wir, egal wie lange wir hier schon leben und arbeiten, einfach keinen Zugang.

 

* “Atlas shrugged”, das 1957 erschienene Magnus Opum von Ayn Rand, beschreibt den Untergang des Kapitalismus und den Exodus der Reichen und Erfolgreichen aus einem dystopischen Amerika, wo anstelle der freien unregulierten MĂ€rkte nun Regeln und Gesetze Vorrang haben. Sie findet das nicht gut. Bei seiner Ersterscheinung wurde das Werk mehrheitlich verrissen, erfreut sich aber nun schon seit Jahrzehnten konstanter Verkaufszahlen und einer ĂŒberraschend breiten Leserschaft (siehe oben).

** Vorerkrankungen, die vor Obamacare einem Versicherungsunternehmen das Recht gaben, einem Kranken den Zugang zu Krankenversicherung zu verweigern.

Nachbemerkung, weil ichs immer schon mal gesagt haben wollte: Was in Deutschland unter “Kranken”-Versicherung lĂ€uft, heißt im Always-look-at-the-bright-side-think-positive-Amerika “Healthcare”, also sowas wie “GesundheitsfĂŒrsorge”.

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