Von Bienen und Blüten

Aufklärung im Sinne der geschichtlich/philosophischen Epoche heißt im Amerikanischen “The Age of Enlightenment”, was wörtlich “Erleuchtung” bedeutet und bei mir immer das Bild von Daniel Düsentriebs Glühbirnenmoment assoziiert. Sein Kind über Sexualität im allgemeinen und menschliche Fortpflanzung im besonderen aufzuklären, heißt mit neutralem Fachbegriff “Sex-Ed” (weil “Education” wirklich ein viel zu langes Wort ist, um es im ganzen auszusprechen), in der Umgangssprache “the talk about the facts of life” oder kurz THE TALK (dann aber in Großbuchstaben) oder auf neu-politisch-korrekt-biologisch-dynamisch-Amerikanisch “The Heart-to-Heart-Talk”, wobei bei den cooleren unter den Eltern das Wörtchen “to” durch die Zahl “2” ersetzt wird. An dem Umstand, daß ein Elter seinem Produkt den Produktionsvorgang nahezubringen versucht, ändert der Austausch nichts.

Wie sagen sie’s nun ihrem Kinde, diese Nachfahren der Mayflower-Puritaner? Viele sagen offensichtlich nichts, bis heute werden 3 von 10 amerikanischen Mädchen wenigstens einmal ungewollt schwanger, bevor sie das 20. Lebensjahr erreichen. Was einen nicht wirklich verwundert, wenn man sieht, mit welchen unglaublichen Summen Fundamentalchristen wie “Pro Life” finanziert werden und wie großflächig und weiträumig sie selbst in einer verhältnismäßig weltoffenen Gegend wie dem Silicon Valley ihre “Lieber-zehn-auf-dem-Kissen-als-eines-auf-dem-Gewissen”-Thesen plakatieren. Eine Filiale von “Planned Parenthood”, dem amerikanischen Äquivalent zu Pro Familia ist, seit ich hier bin, schon zum dritten Mal umgezogen und das Gebäude gleicht einem Hochsicherheitstrakt, weil die Pro-Lifer vor dem Eingang nicht nur friedlich mit Embryo-Plakaten demonstriert, sondern sowohl Mitarbeiter wie Besucher physisch bedroht hatten. Was für eine Frechheit, eine derartig bornierte Organisation “Für das Leben” zu nennen! Beim Age of Enlightenment haben die samt und sonders gefehlt und dafür das Mittelalter freudig wiederholt. Jungen Frauen wird es hier immer noch sehr schwer gemacht, an zuverlässige Verhütungsmittel zu kommen, Planned Parenthood ist eine der wenigen Organisationen, die hilft. Nur so am Rande bemerkt: noch heute empfehlen Organisationen, die Auslandsschuljahre betreuen, den Schülerinnen einen Jahresvorrat der Pille mitzugeben, weil sie sie in den USA möglicherweise trotz Rezept einfach nicht ausgehändigt bekommen.

Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, wie Eltern instruieren, die die Sexualaufklärung ihrer Kinder nicht der Schule überlassen wollen und auch oft nicht können, weil kreationistischer Biologieunterricht das Zutun des Menschen zu seiner Fortpflanzung gerne überspringt und im Bedarfsfall auf Gott verweist (Rippe).

Wie ich aus berufenem Munde erfahre, bucht der Silicon Valleyaner zu diesem Zweck Experten und geht mit seinem Nachwuchs zu einem 2×2-Stunden-Seminar an die Stanford University: http://bit.ly/1dKPX6s, zu einer “informative, humorous and lively discussion of puberty”. Den Puberino möcht ich sehen, dem sein Zustand Anlaß für eine lustige und lebhafte Gruppendiskussion ist. Könnte es sein, daß amerikanische Jugendliche vielleicht anders drauf sind? Sind sie nicht. Mein dazu befragtes 11 Jahre altes Referenzkid weigert sich, am zweiten Abend der Veranstaltung teilzunehmen, weil er nicht noch mal zwei Stunden lang mit fremden Männern, fremden Jungen und am allerschlimmsten dem eigenen Vater “body talk” machen will. Und wie das mit dem Kinder- und Nichtkinderkriegen geht, weiß er a) von der Mama und b) aus dem Internet. “You gotta wrap that puppy up.” (Welpe im Gummirock.)

Ich mag den Buben und seine Einstellung. Zur Belohnung habe ich ihm mein Lieblingslied zum Thema Aufklärung empfohlen: The Beautiful South, “Your father and I”: http://bit.ly/1wO5IIJ

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