In ein paar Stunden ist es soweit, die Academy Awards werden verliehen. Man bespricht die Erfolgsaussichten. Von ihr aus könne jeder den Goldjungen bekommen, sagt meine Bekannte, bloß nicht “12 Years a Slave”. Was an dem Film denn so verkehrt sei, frage ich. Ihr gehe diese “fucking collective guilt”-Diskussion so auf die Eier, sie könne es einfach nicht mehr hören. Hah! Ich muß wohl verwundert geschaut haben, denn sie schiebt verständnisvoll nach: “Aber das verstehst du nicht, Sabine, du bist ja nicht von hier.”
Herrschaftszeiten noch einmal! In welchem Jahrhundert hört denn bei euch der Geschichtsunterricht auf?
Hitler? Holocaust? Befreiung Europas aus dem Joch des Faschismus durch die siegreiche Rote Armee, Tschuldigung, ich meine natürlich freiheitsverteidigende amerikanische Truppen? Nürnberger Prozesse? Entnazifierung? Die bis zum heutigen Tag andauernde Debatte zur Kollektivschuld der Deutschen? Auf allen Ebenen, von Politik über Philosophie bis Wirtschaft. Schon mal gehört?
Ich weiß bei solchen Gesprächen nie, was ich sagen soll, wahrscheinlich, weil ich meine eigene Meinungsbildung noch gar nicht abgeschlossen habe. Kann eine Kollektivschuld überhaupt verjähren? (Nicht nach Karl Jaspers.) Angenommen, eine Verjährung sei doch möglich, was sind die treibenden Faktoren? Die Anzahl der nachgeborenen Generationen? Die Anzahl der Opfer im Verhältnis zu – ja wozu? Zur Bevölkerung des Landes? Kontinents? Planeten? Ist das überhaupt quantifizierbar und wenn nicht, wäre das der Beweis dafür, daß eine Verjährung nicht möglich sein kann?
Weil das aber ein viel zu weites Feld ist und wir uns nur auf einen Kaffee und ein Schwätzle getroffen haben, erspare ich ihr mein Grübeln und erkundige mich angelegentlich, wer denn ihrer Meinung nach wohl zum besten Hauptdarsteller gekürt wird und frage mich im Nachhinein, ob das jetzt feige war.