Wenn der amerikanische Arzt einen Patienten für hinreichend malad befindet, verschreibt er Medizin. Dieses Rezept trägt der Kranke zum nächsten Drugstore oder Supermarkt seines Vertrauens, wo sich – immer in der am weitesten vom Eingang entfernten Ecke des Ladens – die Pharmacy befindet. Die Weißkittel hinter dem Tresen füllen irgendwo im Hintergrund Pillen in orangfarbene Kunststoffbehälter mit weißem Schraubverschluß um und schreiben vom Rezept mehr oder minder sorgfältig den Namen des Patienten, den Turnus der Einnahme sowie die Anzahl der “Refills”* ab. Dann entrichtet man seine Rezeptgebühr und gut is.
Ich habe eine Monatsration Ibuprophen verschrieben bekommen, 90 Stück à 800 mg, 3 x täglich einzunehmen, 1 Refill. Rezept einlösen, zahlen und gehen. Von wegen. Das habe ich mir so gedacht. Das Umfüllen in die Plastikflaschen** werde ca. eine Stunde dauern, befindet die Apothekerin. Ich könne mir doch die Wartezeit mit Einkaufen vertreiben und sie werde mir eine SMS schicken, wenn sie soweit sei. Gute Frau, mir gehts nicht gut. Ich will nicht einkaufen! Schon gar keine Stunde lang. Ich will meine Pillen haben. Jetzt! Ich will heim, schlucken, schlafen.
Unter eine Stunde ginge es leider nicht, meint sie bedauernd. Ich frage mich, was die in der Zeit treibt? 90 Tabletten aus Blisterpackungen in Flaschen drücken? Denn Blisterpackungen gibt es hierzulande aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen nicht. Ich kann mir das nur so erklären, daß der letzte Paragraph des Hippokratischen Eid in Amerika folgendermaßen überarbeitet wurde: “Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht breche, so möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg beschieden sein, dazu Ruhm unter allen Menschen für alle Zeit; wenn ich je eine Blisterpackung verschreiben werde, dessen Gegenteil.” Nun aber genug der Abschweifungen, Hirn. Ernsthaft jetzt, wie lösen wir das? Ganz einfach: ich lasse mir von der Dame noch einmal bestätigen, daß es sich bei dem Medikament um ein Generikum von Ibuprophen handelt. Letzteres ist im ganzen Laden OTC zu haben. OTC bedeutet “over the counter”, also freiverkäuflich. Dabei ist die Dosierung je Tablette meist niedriger, also nicht 800mg, sondern 200. Ich zerre sie zum Regal und halte ihr eine Großpackung unter die Nase: “Wenn ich davon 3 x täglich je 4 nehme, dann sollte das doch den gleichen Effekt haben. Ja oder ja?” Ja. Da hätte ich recht. Und sie mutiert auf einmal zur Drogerieangestellten mit Verkaufsprovision: das seien die Gel-Kapseln, die schrieben die Ärzte nie auf, obwohl sie viel magenfreundlicher seien und außerdem gibts die gerade BOGO (“buy one get one free”, also zwei zum Preis von einem) und sie könne mich auch gleich an der Schlange vorbei abkassieren. Ist mir sehr recht. Machen wir. Eine Viertelstunde später habe ich vier statt einer genommen und mein Schwabenhirn rechnet beim Einschlafen aus, daß ich dabei billiger weggekommen bin, als mit der Rezeptgebühr, die beim “Refill” natürlich wieder anfallen würde.
Brave New Obamacare-World.
* Eine neues Rezept mit wieder einem Refill gibt es nur, wenn man den Doktor wieder konsultiert. Und so haben chronische Kranke alle zwei Monate sicher einen Arzttermin. Und der Mediziner Planungssicherheit.
** Eine Packung Pillen wird hier nach guter alter Quacksalbertradition tatsächlich in sogenannte “Medicine Bottles” abgefüllt.
Bei 3 x täglich 4 retadierenden Gel-Kapseln a 200 mg brauchst Du sonst eigentlich nix mehr zu essen und solltest auf Deine Leberwerte achten. Frag doch mal den Arzt Deines Vertrauens. 2 x ein Stamperl 40%igen Schnaps läßt sich nur fast durch ein Stamperl 80%igen ersetzen.
Länger dauert’s, wenn der Apotheker gerade Mittagspause hat. Er ist nämlich der Einzige mit Umfülllizenz.
Ich hab tatsächlich schon beobachtet, wie Tabletten aus Blisterpackungen in orange-farbene Dosen manövriert wurden. Diese sind übrigens viel praktischer, um auf einmal alle Tabletten gleichmäßig über den Raum zu verteilen.