Verhörte Intelligenz

Ein Interview mit Quentin Tarantino. Er spricht über die Bildsprache bei John Cassavetes. Die VI schreibt mit: “Cast of Eddies”.

Kombiniere: Cineast isse nicht.

Gestern in der Rathausgalerie: “Stadt in Trümmern” – Herbert List und die Ruinenfotografie in München

Sehr beeindruckende Fotos. Sehr beeindruckend. Als Mensch mit dem Privileg und der Gnade der späten Geburt verstehe ich bei diesen Bildern zum ersten Mal wirklich, wie verheerend zerstört München war. Nicht zuletzt deswegen, weil Herbert List künstlerische Ruinenfotografie betreibt, wenn man das so nennen darf und eine Art Ästhetik der Zerstörung zeigt, noch einmal, wenn man das mit der Ignoranz einer Nachgeborenen so nennen darf.

Die Oper: ein urzeitliches Skelett mit hervorstehenden Säulenrippen. Das verwüstete Rathaus aus Blickwinkeln sichtbar, die ein paar Jahre davor (und danach wieder) von Gebäuden verstellt sind. In der dachlosen Akademie herumliegende Statuen, die an gefallene Krieger gemahnen. Jedes Bauwerk anders versehrt. Anders schlimm. Eine Bildbeschreibung wie “Der gebälklose Portikus des Nationaltheaters”, die ich drei Mal lesen muss, um die Wortschöpfung “gebälklos” in mein Sprachgefüge einzubauen. Oder die “Anschlagstelle zwischen Ruinen”, auf der gerade genug Mauer geblieben ist, um für ein anstehendes Konzert der Philharmoniker zu werben sowie Namenslisten (Gefallene?, Vermißte?, Flüchtlinge?) und die Anzeige für die Metzgerei (“Der Verkauf geht weiter”) unter den Trümmern aufzuhängen. Das gerupfte Siegestor ohne Quadriga und überall gefallene bayerische Löwen.

Bis auf diesen, der es zu einer Nachkriegskarriere als Verkehrsschildhintergrund gebracht hat.

Dann bekommen wir unverhofft ein Geschenk. Eine ältere Dame hatte gerade Umstehenden vor einem Foto etwas erklärt und weil ich es nicht recht mitbekommen habe, frage ich noch einmal nach und lerne, dass die Schuttbahn (der wir unter anderem den Olympiaberg verdanken), unter der Woche immer den Schutt in die vorstädtischen Bezirke transportierte, aber am Wochenende für den Personenverkehr eingesetzt wurde und im Volksmund “Der Rasende Gauleiter” genannt wurde. (Ein anderer Herr wirft ein, dass auf der Türkenstraße immer noch Gleisreste zu sehen seien, da muss ich gelegentlich mal gucken.) Es bedarf nur einiger Fragen und die jetzt knapp 90-jährige Zeitzeugin holt aus. Wie sie als Mädel zu “den Wittelsbachern” in die Schule geschickt wurde, um ein bißchen rechnen und lesen und schreiben zu lernen, aber hauptsächlich Anstand und Hauswirtschaft, damit sie mal einen guten Mann bekommt. (Hatte sie, aber der lebt nimmer. Und einen “guten Buben”.) Wie der Vater gleich früh im Krieg gefallen ist und sie dann der Mutter zur Hand gehen mußte. Anstehen. Um die zwei Eimer Wasser für den Haushalt. Wenn sie dran war, übernahm die Mutter, weil die Kleine das Gewicht nicht hätte stemmen können, und so ging es weiter. In den Schlangen beim Bäcker, beim Gemüsetandler, beim Kohlenhändler, überall. Wie sie manchmal mit dem Zug aufs Land gefahren sind, um zu hamstern, und sie senkt noch heute die Stimme und schaut sich um, dass es ja keiner mitbekommt – war verboten und hätte schlimm bestraft werden können. Wie sie nach jedem Luftangriff aus dem Keller gelaufen sind, um nachzuschauen, ob sie noch ein Dach über dem Kopf haben, auf dem Vorder- und dem Hinterhaus. Und wie sie dafür, dass dieses Haus nur glimpfliche Schäden abbekommen habe, 32 Jahre lang habe Lastenausgleich zahlen müssen. Und nicht wenig. Aber es hätte ja soviel schlimmer kommen können. Nur, und das macht sie traurig, ihren baldigen Geburtstag mag sie nicht feiern. Es ist ja keiner mehr da. In dem Moment würde ich das so gerne ändern können. Die Dame ist ein Born von Geschichten und Wissen und sie gibt reichlich. Noch einmal: ein echtes Geschenk. Vielen, vielen Dank.

Wenn es vorgesehen sein sollte, dass ich je so alt werde, dann hoffe ich, dass ich das auch mit dieser geistigen und körperlichen Fitness und Interesse an meiner Umwelt schaffe. Und einen mindestens ebenso feuerroten Mantel dazu trage.

Erledigt

Entgegen aller im Netz verbreiteter Unkenrufe fuhr meine U-Bahn gestern pünktlich und ich hatte am Marienplatz auf einmal eine Pufferviertelstunde übrig. “Ach”, dachte ich oben angekommen bei mir, “die bauen schon die Buden für den Christkindlmarkt auf.” Nach der ersten Duftschwallkombi aus dem typischen Glühwein-Bratwurst-Gebrannten-Mandel-Odeur muß ich mich korrigieren: der Christkindelmarkt ist ganz offensichtlich Mitglied der Lebkuchenfamilie und damit jedes Jahr früher, als man so denkt.

Auch recht. Ich habe Zeit genug, einmal an den Ständen mit kunterbuntem Blech-, Textil-, Glitterzeug-, Christbaumschmuck- und Holzkruscht vorbeizuschlendern und kann damit für dieses Jahr diesen und jeden anderen Christkindlmarkt als besucht vermerken.

Nun aber auf zum Fischbrunnen, um mit der dort wartenden Freundin die Ausstellung (s. nächster blogpost) zu besuchen.

Morgengrauen

Beim Hinüberwechseln aus einer Tiefschlafphase in eine luzidere schleicht mir der sanfte Rhythmus des tröpfelnden Schneeregens ins Ohr. Und das zarte Guru-Guruh-Gurren eines träumenden Täubchens.

Ich glaube, es gibt auf der ganzen Welt keinen Wecker, der mich schneller zum Aufspringen, Balkontüraufreißen und Handtuchwedeln bringt wie dieses Geräusch. (Nein, ich meine nicht den Schneeregen.) Zwei Mal Aufspringen wegen Guruh schon heute, noch bevor St. Ignatius gegenüber seine Glocken sechs Mal schlagen läßt.

Jetzt reichts! Ich denke, ich nehme den:

Der sieht noch dazu grundhäßlich aus, das muss doch doppelt abschreckend wirken. Oder?