Einzelhandelsromanze

Mit dem vollen Einkaufswagen Richtung Kassen unterwegs. Der Herr an der 12-Item-Kasse winkt mich zu sich: “This looks somewhat twelve-ish to me” (mußte spontan dran denken, was Jesus jetzt wohl tun würde https://flockblog.de/?p=4431). Er hatte nicht unrecht, das eine Dutzend Lebensmittel war für mich, das andere bestand aus stapelweise Keksen für die hart arbeitenden Kollegen. (Doch, das stimmt, ich suche immer welche aus, die ich nicht gerne mag. Das hilft gegen die Versuchung bei nachmittäglichem Unterzucker.) Alles eingepackt, ich hätte gehen können, wenn mir nicht die Dame mit den Neue-Sorten-Eiscremepröbchen aufgelauert hätte. Bin ich halt geblieben und hatte einen Logenplatz:

Nach mir an der Kasse des 12-Item-Menschen eine Blondine, die gerade noch ABC-Schützin war, als ich schon Bravo gelesen habe. 2 Sixpacks Bier, 2 Flaschen Pink Bubbly (rosafarbener süßer Sekt, ganz greislig) und ein paar Tüten Chips im Körbchen. Er hat sie nach ihrer ID gefragt, weil doch junge Menschen unter 21 vor so viel “Booze” geschützt werden müssen. Sie hat ihm ihren Führerschein gezeigt, und er konnte sich überzeugen, dass sie wohl bereits im trinkfähigen Alter ist und während er einpackt, erkundigt er sich, ob sie wohl “help out” benötige (also jemanden, der ihr die Einkäufe zum Auto schafft). Die Arme war so schwach, dass sie gerade noch “pa-lease” hauchen konnte…

Also, wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war, dann weiß ich auch nicht.

Mal wieder CalTrain

Nein, nein, nicht doch. Der Zug war pünktlich. Er hat bloß nicht, wie eigentlich gemäß Fahrplan vorgesehen, in San Bruno gehalten, weil ihn irgendwer auf dem Weg nach Süden zum Expresszug geschlagen hatte. Alle auf dem Bahnsteig haben dem durchrauschenden Zug mit sehr langen Gesichtern nachgesehen, und der eine oder die andere hat damit seine Pläne für den Nachmittag ad acta legen müssen. Dabei hätte ich mir wirklich gerne die “The Tempest” – Inszenierung von StanShakes (das ist die Stanforder Shakespeare-Theatergruppe) angesehen. Ich bezweifle allerdings, dass man dort mit der Matinee auf mich gewartet hätte (Matineen fangen hierzulande um 4:00 Uhr nachmittags an und “Entrees” auf der Speisekarte sind Hauptgerichte – sie haben’s halt nicht mit Fremdsprachen). Dann halt kein Shakespeare. Oder zumindest nicht diese Inszenierung. CalShakes hat für dieses Jahr “Much Ado about Nothing” und “Macbeth” auf dem Spielplan. Es besteht also noch Hoffnung.

Heute früh (Toni hatte das Auto übers Wochenende) also wieder zum Bahnhof. Der Fahrkartenautomat hat nur Bargeld akezptiert. Hat man im Land der Kreditkarten(schulden) selten einstecken und also begannen die fahrscheinerwerbenden Personen untereinander wilde Geschäfte auszuhandeln, mit Schecks, Schuldscheinen, Visitenkarten zum Beweis der Kreditwürdigkeit – was ein Auftrieb!

Auf die an sich naheliegende Idee, es beim Automaten am Bahnsteig gegenüber zu versuchen, kam keiner.

Heimatkunde. Ein Dialog.

A: “Der China Camp State Park heißt so…”

B: “Weil da die Chinesen aus China Town zum Camping hinfahren.”

A: “Nein, Quatsch. Beim Bau der transamerikanischen Eisenbahn…”

B:” Wieso jetzt Eisenbahn? Du wolltest doch was über den Park erzählen?”

A:” Will ich auch. Hör einfach auf, mich ständig zu unterbrechen. Also…”

B:” Kommt jetzt was zum Park? Oder zur Eisenbahn?”

A:” Zu beidem. Das hängt zusammen. Also, …”

B:” Ach so. Das hättest du auch gleich sagen können.”

A:” Hab ich ja. Still jetzt. Aufgemerkt. Also, zum Bau der transamerikanischen Eisenbahn (ab ca. 1860) wurden Unmengen billiger Arbeitskräfte gebraucht. Entsprechend heuerte die Union Pacific Railroad Company arme irische Einwanderer…”

B:” Wieso jetzt Iren? Wo bleiben die Chinesen?”

A:” Ruhe, Mensch! Wo war ich? Also Iren und Schiffsladungen voller Chinesen direkt aus China bauten unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne adäquate Ernährung und Behausung und zu Hungerlöhnen…”

B:” Ja, ja, und jetzt wieder proletarischer Klassenkampf… Rotfront und so. Weiß schon. Wenn die nix zu wohnen hatten, warum gibt es dann ein China Camp?”

A:” Halt doch einfach mal für fünf Minuten die Klappe und höre zu. Ich kann’s auch lassen, dann bleibst du halt dumm.”

B:” Mmmppff.”

A:” Nach Abschluß der Gleisbauarbeiten wurden die Arbeiter quasi betriebsbedingt gekündigt, genauer gesagt, einfach ent- und weitestgehend mittellos sich selbst überlassen. Findige chinesische Fischer sattelten mit speziell aus China importierter Ausrüstung um auf Krebs- und Krabbenfang in  der San Francisco Bay. Um 1875 gab es schließlich 26 dieser sogenannten “Crab Camps”, mit Booten, Trocken- und Räucheranlagen, eigenen Gärtnereien etc., die sich autonom versorgten. – So richtig nah ran wollte wohl auch keiner, es muss bestialisch gestunken haben. Um 1900 herum entdeckten Amerikaner, dass sich mit dem Krabbenfang ein gutes Geschäft machen läßt. Die chinesische Konkurrenz wurde – mit freundlicher Unterstützung des Gesetzgebers – ausgeschaltet und…”

B:” Pooahh. Echt. Einfach so? Voll gemein, ey.”

A: “Voll gemein. Genau. In den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts gab es keine Chinesen mehr in der Branche, zumindest nicht mehr in führenden Positionen. Das China Camp im State Park ist das einzige noch erhaltene Relikt aus der Zeit davor.”

B:” Aber die Amis können doch nicht so einfach…”

A: “Doch. Sie können. Weißt du, ‘außer den Menschen gibt es noch Sachsen und Amerikaner. Aber die haben wir noch nicht gehabt, und bekommen Zoologie erst in der nächsten Klasse.'”

B (prustend): “Zoologie, hihi, Sachsen, hihi…”

A:” Pscht. Das ist ein Zitat von Kurt Tucholsky aus “Der Mensch”. Hmmm, was die Amis angeht, bin ich nicht sicher, aber bei den Sachsen sollten wir uns entschuldigen.”

A und B (Im Chor:) “Tschuldigung, Saxonia. War nicht so gemeint.”

Vor dem Haus gegenüber

parkt wieder ein weißer Pick-up Truck. Sieht so aus, als wäre Sam aus Mexiko zurück. Es besteht Anlaß zur Hoffnung, dass ich doch keine Machete kaufen muß, um dem Dschungel im Backyard Herr zu werden.

Aus der Radiowerbung

Man sollte es kaum glauben, aber die Radio-Werbung wird dominiert von Matratzen- und Diamantenhändlern. Für erstere wirbt Randy Manzini von Manzini’s Sleepworld permanent und persönlich, sehr schnell und aufgeregt, für die Funkelsteine spricht Mr. Shane von der Shane Company, unser “friend in the diamond business” unablässig, behäbig und gesetzt. Einer der wenigen Spots, die sich in diesem Umfeld irgendwie behaupten, ist der vom “tight wallet syndrome”. Ich habe vergessen, wer genau dem amerikanischen Volk mit welchen Wahnsinnstricks und guten Ratschlägen (zB Kreditkartenschulden einfach rechtzeitg bezahlen) dabei helfen will “real money” zu sparen (nicht etwa Monopoligeld).

Man spare aber nicht des Sparens wegen. Nein, als Belohnung für den vernünftigen Umgang mit Geld verspricht dieses Unternehmen, dass Geld genug da sein wird, um endlich (wieder) jede Menge shoes zu shoppen, oder den noch größeren Fernseher anzuschaffen oder in Restaurants zu essen, wo es “real silverware” (also Besteck aus Metall) gibt. Oder, bei wirklichem Wohlverhalten, alle drei Grundbedürfnisse (Schuhe, TV, plastikgeschirrfreie Einnahme aushäusiger Mahlzeiten) zu befriedigen. Es scheint so einfach, dieses Volk glücklich zu machen.

Manchmal vermisse ich das Alte Europa.

“Lead like Jesus”

Die Jungs lassen nicht locker.

Heute haben sie mir zur Vorbereitung für die Sonntagsschule (“Sunday lecture”) ihre Präsentation geschickt. Wackere 35 Folien, gespickt mit Bibelsprüchen, Bildchen, Ablauforganigrammen. Ich zitiere im folgenden Folie 15:

How do we edge God out?

What do the following actions say about a person’s attitude about themselves?

* Using the emergency lane to bypass congested traffic
* Taking 20+ items through the 15 items or less lane
* Parking in the Fire Lane for a quick trip to the ATM
* Using one’s position/influence for personal gain

What would Jesus do in each of the above?

Fragen wir uns das nicht alle immer und ständig? Besonders an der 15-Item-Kasse?