Aus dem Vokabelheft

Wenn einer hierzulande ohnehin schon Gleichgesinnte mit großem Aufwand von seiner Meinung zu überzeugen sucht, dann nennt man das in guter puritanischer Tradition “dem Chor predigen” (“preaching to the choir”).

Heute fiel in einer Besprechung die Variante “it’s like preachin’ to the converted, bro” – das ist so hübsch, das habe ich gleich meinem Sprachschatz einverleibt.

Neu im Kino “Into the Woods”

Stephen Sondheim hat vor Jahr und Tag ein Stück geschrieben. Und weil es eh nix Neues gibt unter der Sonne, hat er die Märchen vom Aschenputtel (Cinderella), Rotkäppchen (Little Red Riding Hood), Jack and the Beanstalk (“Jakob und die Bohnenstange”, ausnahmsweise nicht von den Grimmen Brüdern) und Rapunzel (sprich “/rəˈpʌnzəl/”) miteinander verwurschtelt und als Rahmenhandlung ein Bäckerpaar mit unerfülltem Kinderwunsch sowie eine von der eigenen Mutter verfluchte Hexe draufgepackt. Soweit, so unerträglich. Stephen Sondheim graust es aber vor gar nichts, und darum ist sein Stück ein Musical, was bedeutet, daß die Darsteller viel und grundlos singen und gelegentlich in Tanzakrobatik ausbrechen. Das war 1987 am Broadway erfolgreich, und wurde in den nachfolgenden Jahren so regelmäßig in den Musicaltheatern der Welt wieder aufgeführt, daß der Produktion schließlich der “Laurence Olivier Award for Best Musical Revival” verliehen wurde. Soweit, so grausig.

Aber es geht immer noch schlimmer. Genau, das ist jetzt der Moment, an dem die Disney-Studios die Rechte erwerben und das Märchensingspielkonglomerat verfilmen. Mit Wald, Armeleutefachwerkdörfern, Märchenkönigsschloß, Turm, Landschaft, Wald, Sumpf (Einöde), Wald, Wasserfall und Gesang. Und Wald. Die Kinder sind pausbackig und bezopft wie in der Reklamewelt der Fünfziger Jahre, die Prinzen hübsch, glattbrüstig und hohlköpfig, die guten einfachen Menschen sind gut, einfach und – wie es die Tradition gebietet – standesbewußter als der Adel, Aschenputtel ist schmuddelig und dunkelhaarig, Stiefmutter und -schwestern mit Glitzerschmuck behangen und blond, die Hexe ganz arg häßlich und unfrisiert (!) und Johnny Depp spielt Jack Sparrow als Pädowerwolf. Alle singen.

Ist Stephen Sondheim eigentlich schwul? Moment, schnell nachsehen. Yup. “…lives openly gay.” Happichs mir doch gedacht. “Into the Woods” ist eine Tuckenspielwiese: starke beruftstätige Frauen (Prinzessin, Bäckerin, Puttel, Hexe, Stiefschwester, Müllerin) in opulenten Kostümen mit anspruchsvollen Frisuren. Herumzupfen, was glattstreichen, ein, zwei, drei Schleifchen nachziehen, bißchen Puder ins Dekolletee stäuben, die Haarberge auftoupieren und beraten (der Fachterminus ist “reinreden”). “Schätzchen – diese Schuhe zur neuen Kutsche? Un-mög-lich!”. Für das bißchen Männerrollen reichen 1 Johnny Depp, 1 Knabe, 2 Prinzenbuben, 1 alter Mann (Geist des Bäckervaters) sowie 1 Bäcker & Gutmensch, klein und knubbelig von Statur. Fettich ist der Schmonzettenfilm mit Gesang! Der Autor sagt, er habe seine Inspiration von Bruno Bettelheim bezogen. Werter Herr Sondheim, ich habe an der Uni das Gesamtwerk rauf und runter gelesen. Glauben Sie mir, das kann man auch ohne hinterher in ein Musical auszubrechen. Das hat Bettelheim nicht verdient!

“Into the Woods” ist bei vielen der Jungen und Angesagten im Silicon Valley Kult und ich habe mir eine Disney (bäh!) – Produktion eigentlich nur angesehen, um Mitreden zu können (Fachterminus “Adabei”). Meine Nichtbegeisterung mag auf meine grundlegende Aversion gegen Musiktheater zurückzuführen sein. Warum singen, wenn man seine Rolle vernünftig sprechen könnte? Vor allem aber liegt es daran, daß ich altes Europa bin, an Jahren und an Herkunft und für mich so ein bißchen Märchenkombinieren und singend im Wald herumlaufen so dermaßen nicht für Kultstatus reicht.

 

PS: Das Selbstmitleidsduett “Agony” von Chris Pine and Billy Magnussen (“Die Prinzen”) fand ich aber doch lustig: http://bit.ly/159ENdE

“Spare the Air Day”*

Die Qualität der Atemluft (Air Quality Index, kurz AQI) wird hierzulande in fünf Verschmutzungsstufen gemessen, von “gut” über “mittel” über “ein bißchen ungesund” zu “ungesund” bis “sehr ungesund”. Wenn die Vorhersage für den nächsten Tag ungesund oder schlechter ist, wird ein sogenannter *”Luftschontag” ausgerufen.

In den Sommermonaten (April bis Oktober, hach!) wird den Bürgern an diesen Tagen ans Herz gelegt, weniger Auto zu fahren, weniger mit dem Knattermäher zu mähen, nicht mit Ölfarben zu streichen und auf den Gebrauch von Haarspray (!) zu verzichten. Direkt verboten ist aber nichts. Im Winter (November bis Februar) ist das anders. Da ist an ungesunden Tagen das Verbrennen von Holz illegal, egal ob drin oder draußen. Feuerle machen ist gegen das Gesetz. Schluß. Aus. Punkt. (Nicht nur “forbidden”, wie früher, also letztes Jahr noch.)

Wir hatten seit Anfang des Jahres 10 Luftschontage, davon einmal 7 in Folge. 10 bitterkalte Wintertage ohne Kachelofen und prasselndes Kaminfeuer. Mann, würde mir was fehlen, wenn ich’s hätte.

Zwei Fragen hätte ich aber:
1. Warum glauben die Air Districts im Sommer an den gesunden Menschenverstand und im Winter an das Strafgesetzbuch?
2. Wo ist der März abgeblieben?

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Mitte letzten Jahres hatte ich täglich Arztrechnungen im Briefkasten. Für alles, angefangen beim skalpellführenden Chirurgen über Bettlakenreinigung bis zur Pediküre der Krankenhausempfangsdame – okay, das letzte war erfunden. Es ist aber nicht gelogen, daß man mir für eine Packung Tupfer knapp drei Monate nach der OP eine separate Rechung über $28.70 gestellt hat. Keine Ahnung, ob da wer nachgezählt hat und eine Handvoll von den hübschen Wattebäuschchen mit der Goldkante fehlten oder was. Wahrscheinlicher ist, daß ich die Rechnung dem sogenannten “Chargemaster” zu verdanken habe. Der Chargemaster ist das System, nach dem Krankenhäuser auch im Jahr 2 von Obamacare auswürfeln, welchen Teil der Kosten ein Patient selbst zu tragen hat. Entscheidende Faktoren sind die Art seiner Krankenversicherung, das Lieblings-Deo des Chefarztes und die Schuhgröße des neuen Pflegers auf dem 2. Stockwerk, in manchen Bundesstaaten fließt auch der Tidenhub bzw. die durchschnittliche Windstärke ein. Grundregel: Patienten ohne Versicherung sind Freiwild und bringen dem Hospital am meisten. Krankenversicherungen gefährden den Profit, weil sie wenigstens gedeckelte Beträge aushandeln sowie angemessene Zahlungsbedingungen.

Richtlinien wer wann wieviel wofür abrechnen darf, sind nicht in die Gesetzesvorlage eingeflossen. Lobbyist ist hier ein anerkannter und gutbezahlter Beruf. Aufgemerkt: zwischen diesen beiden Sätzen besteht ein Zusammenhang.

Jetzt bin ich wieder gesund und munter und hatte schon lange keine “medical bills” mehr in der Post. Vielleicht bin ich deswegen erschrocken, als da heute ein dickes Kuvert mit dem Absender “One Medical Group” ankam. Mein erster Gedanke war denn auch, ob dem Chargemaster noch was eingefallen ist, das er mich bezahlen lassen könnte. Eventuell das Paar  – noch immer ungetragener – ekligblauer Unisize-Socken mit Gummistoppern, das mir die Physiotherapeutin nach den ersten Gehversuchen gegeben hat? Aberaberaber… das war doch ein Geschenk? Dafür darf der doch gar kein Geld verlangen? Tut er auch nicht.

Nur die Ruhe. Ich soll was umsonst kriegen. “Sabine, get your first 3 months free” steht da in Großbuchstaben fettgedruckt zu lesen und in einem etwas kleineren Font immer noch fettgedruckt “And a 4th month free if you sign up within one week”. Dankeschön auch, das ist aber nett. Worum gehts? Um mich, schreiben sie. Darum, daß man sich bestens und liebevoll um mich kümmert, so wie’s mir zusteht. Das wird ja immer netter. Verabredungen am selben oder am nächsten Tag. Termintreue und Pünktlichkeit. E-mail-Kontakt. Eine eigene App. Mann, ist das nett, das kann ich doch gar nicht annehmen. Und das wollt ihr alles für mich tun, ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Jeeiiiin, nicht ganz. Ein bißchen was muß ich auch für die Doktoren und ihr Team tun. Nämlich Mitglied werden. Aber weil ich zum ausgewählten Kreis derer gehöre, deren Adresse das Krankenhaus an irgendwelche Werbetreibenden verkauft hat, kostet mich das im ersten Jahr keine $149, sondern nur $111.75 und zusätzlich nur die Arzt-, Labor- und sonstigen Rechnungen. Heiliger Äskulapstab! Ein Arzt-Abo. Für nicht mal zwölf fuffzich im Monat. Dafür, daß ich, wenn ich krank bin, einen Termin bekomme und der Termin ohne Wartezeiten eingehalten wird. Nicht zu vergessen e-mail und App.

Ich habe mir die Website angesehen, für mich geht das Konzept nicht ganz auf: die Ärzte sind vorwiegend Internisten (erschreckend viele mit dem Schwerpunkt Ernährung und Lifestyle), dazu kommen in der City und im Silicon Valley noch einige, die Traditionelle Chinesische Medizin praktizieren. Für alle anderen Disziplinen müßte man nach deren Logik ein weiteres Abo beim jeweiligen Facharzt buchen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß das Konzept recht erfolgreich wird, gerade in den hiesen Großstädten, bei der entsprechenden coolen Merkantil-Klientel. Was aus pekuniär schwächeren Kranken wird, ist nun wirklich nicht deren Problem. Sie hams ja und wer sich kein Abo leisten kann, muß halt warten und schauen, wo er bleibt. Gut finden kann ich das nicht. Sollte es nicht primär ums Heilen gehen und erst sekundär ums Geschäft?

Ja. Erwischt. Manchmal bin ich naiv.

Aus dem Vokabelheft

“2014 was a doozie”, womit der Autor sinngemäß sagen will: “Letztes Jahr war der Hammer!”

Ich habe mich ja sehr gefreut, daß in der ganzen langen Synonymliste auch mein Freund der Humdinger* zu finden ist. “Beauty, bee’s knees, cat’s meow, corker, crackerjack, daisy, dandy, dilly, jim–dandy, dream, honey, hot stuff, humdinger, hummer, knockout, lollapalooza, nifty, peach, pip, pippin, ripper, ripsnorter, snorter, sockdolager, standout, sweetheart.”

* s. https://flockblog.de/?p=19723

Reloaded

In meiner Wanne wuselts. Entweder haben die sich alle totgestellt und sind ausgezeichnete Kanalschwimmer oder die drei bösen Schwestern der Königin haben ihre Mannen ausgesandt, sie zu rächen. Oder Zombies? Zombies wären auch eine Möglichkeit.

Combat, Combat, kill mir diese Legionen wieder!

Experiment gelungen – Königin tot

Ich habe mich dieses Mal bei den Ameisen nicht eingemischt. Nicht abgebraust, nicht totgedrückt, wenig geflucht. Nur früh und abends frisches Combat-Gel nachgelegt. Und siehe da, vorhin konnte ich vollkommen ungestört duschen. Mußte vorher nur die Leichenberge aus der Badewanne wegspülen.

Bravo Combat!

Nimmer ganz neu im Fernsehen: “Fargo” – die Serie

Die Preisverleihsaison für Film- und Fernsehschaffende läuft auf Hochtouren, und als ich mir heute früh berichten habe lassen, wer mit Golden Globes ausgezeichnet wurde, ist mir siedend heiß eingefallen, daß ich mein Loblied auf “Fargo” noch nicht gesungen habe. (Als die Serie im April startete, war ich gerade mit OP-Vorbereitungen befaßt und ein wenig abgelenkt.)

Wem “True Detective” gefallen hat – und das habe ich mehrfach empfohlen, das weiß ich bestimmt – der ist bei “Fargo” genau richtig; bloß das Wetter ist wesentlich schlechter. Brutal sind sie beide. Beide Serien haben das gleiche Grundkonzept: nach einer Staffel ist der Fall abgeschlossen, und in der nächsten ermitteln neue Polizisten woanders einen neuen Fall. Beide Serien haben tolle Drehbücher und ich wiederhole meine Forderung, daß endlich auch Preise fürs Casting verliehen werden sollten, das ist nämlich auch bei beiden hochgelungen und jede Rolle mit brillanten Schauspielern besetzt. Fargo schlägt True Detective bei der Ausstattung. Man sehe sich nur die Ziergegenstände im Hause des Versicherungsagenten und seiner Frau an. Wie gemein Details sein können… ein Hochgenuß!

Die Coen-Brüder haben mitproduziert und werden ihre Freude gehabt haben.

Anschauen! Anschauen! Anschauen!

Schneckenpost

Am Wochenende vor Weihnachten hatte ich bei meiner New Yorker Bank online ein Dokument angefordert und war davon ausgegangen*, daß es mir so um den Jahresanfang wohl zugestellt werden würde. Weit gefehlt! In einem Land, wo die Börse einen anderen Feiertagskalender hat als der Staat und Banker ihre Urlaubstage aus beiden Kalendern beziehen, bekommt die naive Kundin am 5. Januar doch schon Bescheid, daß ihr Papier** “shipped” sei. Angekommen ist der Brief heute.

Entweder legt die amerikanische Post nochmal ganz ganz andere Ruhetage ein oder der Greyhound, mit dem dieser Postsack unterwegs war, hatte unterwegs mehr als eine Panne. Man weiß es nicht. Man will es auch nicht wissen. Infrastruktur können sie hierzulande einfach nicht.

 

*Wie amerikanische Mütter ihre Kinder schon seit jeher ermahnen: “Don’t assume. You’re making an ass out of you (“u”) and me.”

** Warum die mir nicht einfach statt eines Briefes ein .pdf per e-mail schicken können, haben sie mir bis heute nicht schlüssig erklärt. Dafür habe ich heute eine e-mail bekommen, daß das Dokument ab morgen zum download in meinem Online-Banking bereit steht. Wahrscheinlich habe ich mit meiner Anfrage wieder eine Unzahl von Arbeitsplätzen gesichert***.

*** Wenn hier einer was verbockt und nochmal machen muß, dann spricht der Kenner von einer Maßnahme für “job security”-

Tuuut! Tuuut!

Ist das etwa … ein Nebelhorn? Scheint so, denn als ich aus dem Haus gehe, kann ich vor lauter Waschküche das Auto in der Einfahrt nicht sehen, was mit seiner seiner schmutziggrauen Farbe ü-ber-haupt nichts zu tun hat.

Frage mich für den Rest des Tages, ob sich ein Dampfer auf dem Flughafen verfahren hat und bitte um Erklärung, warum Flughafenbauplaner immer den nebligsten Fleck in einer Gegend als Standort wählen?