1000 x Nebel

Seit heute wieder auf dem Spielplan!

Unsere Kritikerin hat sich die Wiederaufnahmeinszenierung angesehen und findet, daß früher alles besser war: “Ein paar lumpige graue Fähnchen vor Hügeln und alles, was sonst hinter dicken Schleiern liegt, weit offen einer leuchtenden Abendsonne preisgegeben. Kein Drama. Kein… gar nix. Da muß noch mehr kommen, wenn die Macher an den großen Publikumserfolg der Vorjahre anknüpfen wollen.”

Nur die Ruhe, Frau Flockblog. Nicht hetzen. Lassen Sie die nur machen – et hätt doch noch emmer joot jejange.

Aus dem Vokabelheft

Schon fast 19:00 Uhr. Ich wäre abfahrbereit, aber ein paar meiner Kollegen sind in ein Gespräch über Serverfarmen und viele viele Terabytes vertieft und wenns um groß und noch größer geht, sind die Buben nicht zu bremsen. Ich stelle mich so lange unauffällig dazu, bis ich auffalle und mit den Worten “oh, sorry, we were just gas-bagging” in die Runde einbezogen werde. Das kenne ich nicht, und darum klären wir die Etymologie und lernen dabei, daß in beiden Sprachen in solchen Runden heiße Luft / hot air abgesondert wird. Ich vermute, daß die Redewendung im Nachgang zu ersten Montgolfière im frühen 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte.

Morgen muß ich meinen Jungs unbedingt erzählen, daß mir auf dem Heimweg die beste deutsche Entsprechung eingefallen ist und sie zwingen, drei Mal schnell nacheinander “Dampfplauderer” auszusprechen. Das wird sie lehren, mich von meinem Feierabend abzuhalten!

Bloß keine Bände sprechen

Das häufigst verkaufte Pflanzenöl in den USA ist Canola-Öl. Weil ich manchmal ignorant sein kann und außerdem meinen Ölbedarf aus Oliven, Kürbis- oder Sonnenblumenkernen pressen lasse, habe ich mich bisher nie gefragt, welcher Baum denn wohl Canola-Früchte trägt. Heute habe ich beim Mittagessen gelernt, daß Canola-Öl aus Raps produziert wird. Raps heißt auf Englisch “Rape” und die “Rapeseed Association of Canada” hatte in den Siebzigern berechtigte Zweifel, daß der Produktname “Vergewaltigungsöl” ein Garant für Massenabsatz werden könne. Ein Expertengremium wortschöpfte daraufhin “Canola”, seitdem streiten andere Experten, ob das nun für “Can” wie Canada + “ola” wie Öl, oder für “Can(ada)+o(il)+l(ow)+a(cid)” (säurearm) steht.

Ganz egal, die Strategie hat offensichtlich prima funktioniert. Von Rapeseed (Brassica napus), auch bekannt unter den Namen Rape, Oilseed Rape, Rapa, Rappi und Rapaseed spricht außer Wikipedia keiner mehr und das Zeug verkauft sich in mindestens Gallonenkanistern wie geschnitten Brot.

Aus dem Vokabelheft

Der Sokratiker weiß, daß er nichts weiß. Er wird aber um Längen von John O. Brennan, dem Director der CIA geschlagen, der vor dem Untersuchungsausschuß zur Klärung der Frage, ob CIA-Gefangene auch ohne Folter ausgesagt hätten, mit der Wortschöpfung überraschte, das sei “unknowable” (wörtlich: “unwissbar”) und auf dieser Anschauung noch heute beharrt.

Daß der Ausschuß zu dem Ergebnis kam, daß die Folter keine Erkenntnisse lieferte, geht ihm ja sowas von am Unwiss vorbei.

Thanks for the Reminder

Ja, liebe für Blinkeschilderbeschriftung zuständige Menschen bei der für Blinkeschilderbeschriftung an Autobahnen zuständigen Institution, danke fürs vielfache Anblinken mit

buzzed driving leuchtschild

auf dem Heimweg heute Abend. Einen zuverlässigeren Indikator für Trinkfeiertage (also alle Feiertage in diesem Land, auch die adoptierten) gibt es nämlich nicht, außer, daß man sonst immer gleich 911 anrufen und “drunk drivers” melden soll. Ob die Neuformulierung vielleicht daran liegt, daß vor Kartoffelfäule fliehende Auswanderer traditionell als Cop bei “The Force” anheuerten, und 911 anrufen am Nationalfeiertag drum eh nix bringt?

Also noch mal, danke fürs dran Erinnern. Solchermaßen darauf hingewiesen, werde ich morgen selbstverständlich die Inselfarbe* tragen und mit viel weichem Jameson auf den guten Saint Patrick anstoßen. Sláinte!

* Frei nach Paddy O’ Bush: “Und zieh’ mir ja das Grüne an, weil ich’s halt so sehr leiden kann.”

Von Bienen und Blüten

Aufklärung im Sinne der geschichtlich/philosophischen Epoche heißt im Amerikanischen “The Age of Enlightenment”, was wörtlich “Erleuchtung” bedeutet und bei mir immer das Bild von Daniel Düsentriebs Glühbirnenmoment assoziiert. Sein Kind über Sexualität im allgemeinen und menschliche Fortpflanzung im besonderen aufzuklären, heißt mit neutralem Fachbegriff “Sex-Ed” (weil “Education” wirklich ein viel zu langes Wort ist, um es im ganzen auszusprechen), in der Umgangssprache “the talk about the facts of life” oder kurz THE TALK (dann aber in Großbuchstaben) oder auf neu-politisch-korrekt-biologisch-dynamisch-Amerikanisch “The Heart-to-Heart-Talk”, wobei bei den cooleren unter den Eltern das Wörtchen “to” durch die Zahl “2” ersetzt wird. An dem Umstand, daß ein Elter seinem Produkt den Produktionsvorgang nahezubringen versucht, ändert der Austausch nichts.

Wie sagen sie’s nun ihrem Kinde, diese Nachfahren der Mayflower-Puritaner? Viele sagen offensichtlich nichts, bis heute werden 3 von 10 amerikanischen Mädchen wenigstens einmal ungewollt schwanger, bevor sie das 20. Lebensjahr erreichen. Was einen nicht wirklich verwundert, wenn man sieht, mit welchen unglaublichen Summen Fundamentalchristen wie “Pro Life” finanziert werden und wie großflächig und weiträumig sie selbst in einer verhältnismäßig weltoffenen Gegend wie dem Silicon Valley ihre “Lieber-zehn-auf-dem-Kissen-als-eines-auf-dem-Gewissen”-Thesen plakatieren. Eine Filiale von “Planned Parenthood”, dem amerikanischen Äquivalent zu Pro Familia ist, seit ich hier bin, schon zum dritten Mal umgezogen und das Gebäude gleicht einem Hochsicherheitstrakt, weil die Pro-Lifer vor dem Eingang nicht nur friedlich mit Embryo-Plakaten demonstriert, sondern sowohl Mitarbeiter wie Besucher physisch bedroht hatten. Was für eine Frechheit, eine derartig bornierte Organisation “Für das Leben” zu nennen! Beim Age of Enlightenment haben die samt und sonders gefehlt und dafür das Mittelalter freudig wiederholt. Jungen Frauen wird es hier immer noch sehr schwer gemacht, an zuverlässige Verhütungsmittel zu kommen, Planned Parenthood ist eine der wenigen Organisationen, die hilft. Nur so am Rande bemerkt: noch heute empfehlen Organisationen, die Auslandsschuljahre betreuen, den Schülerinnen einen Jahresvorrat der Pille mitzugeben, weil sie sie in den USA möglicherweise trotz Rezept einfach nicht ausgehändigt bekommen.

Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, wie Eltern instruieren, die die Sexualaufklärung ihrer Kinder nicht der Schule überlassen wollen und auch oft nicht können, weil kreationistischer Biologieunterricht das Zutun des Menschen zu seiner Fortpflanzung gerne überspringt und im Bedarfsfall auf Gott verweist (Rippe).

Wie ich aus berufenem Munde erfahre, bucht der Silicon Valleyaner zu diesem Zweck Experten und geht mit seinem Nachwuchs zu einem 2×2-Stunden-Seminar an die Stanford University: http://bit.ly/1dKPX6s, zu einer “informative, humorous and lively discussion of puberty”. Den Puberino möcht ich sehen, dem sein Zustand Anlaß für eine lustige und lebhafte Gruppendiskussion ist. Könnte es sein, daß amerikanische Jugendliche vielleicht anders drauf sind? Sind sie nicht. Mein dazu befragtes 11 Jahre altes Referenzkid weigert sich, am zweiten Abend der Veranstaltung teilzunehmen, weil er nicht noch mal zwei Stunden lang mit fremden Männern, fremden Jungen und am allerschlimmsten dem eigenen Vater “body talk” machen will. Und wie das mit dem Kinder- und Nichtkinderkriegen geht, weiß er a) von der Mama und b) aus dem Internet. “You gotta wrap that puppy up.” (Welpe im Gummirock.)

Ich mag den Buben und seine Einstellung. Zur Belohnung habe ich ihm mein Lieblingslied zum Thema Aufklärung empfohlen: The Beautiful South, “Your father and I”: http://bit.ly/1wO5IIJ

Walden 3.0*

Erst erfinden sie in Kalifornien das Silicon Valley und eine Million Geräte, um die Menschen stets und immer und überall zu “connecten” und dann fällt ihnen auf, daß das dauernde Nachuntenstarren Nackenmuskeln verkrampfen und Menschen vereinsamen läßt. Quacksalber, die sie sind, erfinden sie nach der Krankheit auch deren Kur: “Digital Detox”. “Detox” bedeutet wörtlich eigentlich “Entgiftung” und steht im Amerikanischen für jede Art von Entzug, sei es Alkohol, sonstige Drogen, Milchprodukte, feste Nahrung, iPhone – Hauptsache, der Proband übt Enthaltung.

Seit in den Dreißigern in Ohio die Anonymen Alkoholiker gegründet wurden, glaubt man in diesem Land ganz fest an Gruppenzwang als Mittel zur Überwindung von Süchten und darum können sich Digitalabhängige zu einer Art Sommerzeltlager in den Wäldern um Mendocino** anmelden, für drei oder in besonders schweren Fällen für sieben Tage. Zum Einstieg konfiszieren die Veranstalter in gelben Seuchenschutzanzügen alle elektronischen Nabelschnüre und sperren sie in der “Decontamination-Area” weg. Nun sollen die Teilnehmer gemeinsam und miteinander in und von der Natur leben. Damit der Entzug nicht gar so schwer fällt, gibt es zur Ablenkung mehr als 50 Animationsprogramme, die sich lesen, wie aus dem Programm einer schwäbischen Volkshochschule in den Siebzigern: Gemüse einwecken, Yoga, Kochen nach Jahreszeiten, Malen (Wasserfarben, Ölfarben, auf Seide, auf Rinden), Trimmdichpfad. Einzig die Veranstaltungen Fähnchenstehlen und “Naked connectedness” (20 Mann nackt in einer Jurte und wem das noch nicht grausig genug ist, der spricht voll offen in der Gruppe über seine physischen Unzulänglichkeiten und wie unsicher ihn das macht) waren seinerzeit bei der VHS nicht vorgesehen.

So. Und die haben die Chuzpe, ihr “Camp Grounded” für neu und teuer zu verkaufen.  Dabei hätte ein Besuch in der Bibliothek (analog oder digital, ganz wurscht) genügt, um herauszufinden, daß Henry David Thoreau schon im Jahre 1854  in *”Walden; or, Life in the Woods” die Rückkehr zum einfachen Leben im Einklang mit der Natur und Abkehr von der hektischen Zivilisation preist.

** Das ist übrigens die Gegend, wo hier der meiste illegale Pot angebaut wird und so mancher unschuldige dumme Trespasser sein Leben läßt. Aber das ist bestimmt nur Zufall.

PS: Wer nicht im Wald ohne iPhone oder Android sein will, der kann auch aufs Wasser – es gibt inzwischen mehrere Veranstalter, die Digital Detox Kreuzfahrten anbieten.

Der 7. Sinn

Hayward 1Hayward 3

Die unter uns mit dem höheren Anteil an pigmentfreiem Haar erinnern sich bestimmt alle noch an den reißerischen Jingle der Verkehrserziehungs-Fernsehspots, wenn nicht, kann man sich steinalte Folgen auf youtube anschauen. Mit sowas kann man den Leuten heutzutage nicht mehr kommen, wer hat denn schon noch eine Aufmerksamkeitsspanne von über zweieinhalb Minuten?

Hayward 2.Und darum hat das benachbarte Städtchen Hayward sich neue Schilder einfallen lassen. In Deutschland würde man sie wohl “frech” nennen (wie ich das hasse!), hier sind den Zeitungsschreibern folgende Adjektive dazu eingefallen: snarky / quirky / unusual / sassy / unconventional / offbeat.

Wenn’s hülft.

Aus dem Vokabelheft

Wenn ich bloß hätte erwähnen wollen, daß “pesky” sowas wie lästig / ärgerlich / nervtötend etc. bedeutet, dann wäre ich jetzt schon fertig. Bin ich aber nicht, weil ich immer noch über diese im Leo-Forum angefragte Übersetzung grübele: “Die Mosquitos here sind sehr schnittig.”

Häh?