Geistesblitz

Unsere Wasserspratzelstunden, betont Instruktorin Desha, seien ja nicht nur gut für Körper und Seele, sondern auch fürs Gehirn und sollten von Rechts wegen NeurObics heißen. Wahrscheinlich fange deswegen immer schon ca. eine halbe Meile vor der wunderbar altmodischen Motelaufsteckbuchstabenanzeigetafel eines auf dem Heimweg liegenden “billigen Motels in Flughafennähe” an, zu raten, was denn wohl heute gefeiert wird. Meist quartieren sich Gesellschaften für Familienfeste ein, zum Beispiel Geburtstag (ganz frisch “WELCOME TO THIS WORLD ROGER”, etwas ausgewachsener “HAPPY LEGAL DRINKING AGE STACEY” und superzäh “HAPPY 90TH BIRTHDAY LAUREN – YOU MADE IT!”), Erstkommunion und Bar/Bat Mitzvah (unabhängig von der Religion wünscht die Tafel immer Gottes Segen auf die Beteiligten herab “GOD BLESS YOU!”), Hochzeit (von aktuell “SHARON AND TYLER TIED THE KNOT” bis lang durchgehalten “HAPPY 50TH WEDDING ANNIVERSARY MOM AND POP”), Kriegsende (“WELCOME HOME SGT. JERRY WALKER”), Muttertag (“HAPPY MOTHER’S DAY LINDA – 8 KIDS AND 35 GRANDKIDS”), Schulabschluß (“CONGRATS TO GRADUATION MIKE”) und so weiter.

Als der Tafelautor letztes Jahr den leidigen Weihnachtsgruß schlicht in “PEACE ON EARTH FOR ONE AND ALL!” übersetzte, habe ich angefangen, ihn in mein Herz zu schließen und daß er gelegentlich Tolkien (“NOT ALL WHO WANDER ARE LOST”) und Shakespeare (“A HORSE A HORSE”) zitiert, macht ihn mir noch einmal extra sympathisch. Darum habe ich meinem neuen Schriftstellerfreund letzte Woche angesichts von “A MAN GOT TO DO WHAT A MAN GOT TO DO!” ganz fest die Daumen gedrückt. Ich war aber heute nicht ganz sicher, ob’s geholfen hat: “GO HARD OR GO HOME!!”

Meine frisch trainierten Neuronen sind schließlich draufgekommen, daß ich die Angelegenheit bisher wohl aus einem falschen Blickwinkel betrachtet habe und der Autor eine Autorin sein muß. Makes sense, oder?

Für die Katz oder Der Anwenderfehler

Neulich hatte ich mich noch gefragt, warum das Einreibemittel gegen Verspannungen so unglaublich stinkt. Dabei hat der Übelruch einen guten Grund, man muß nur den Beipackzettel ignorieren und das Anwendungsspektrum weit weg von der menschlichen Haut verlagern, denn nach einem tiefen Atemzug Kampferkacke geht nämlich selbst die schlimmste Scheißmiez fortan woanders aufs Klo.

Die bisher einzige bekannte Nebenwirkung sind sorgenfreiere Vogeleltern in meinem Garten.

Erst eins, dann zwei, dann…

In den letzten beiden Wochen ist es so richtig Frühling geworden. Was man halt in der Bay Area so unter Frühling versteht: blauer Himmel, Sonnenschein und eiskalte Windböen. So wie jedes Jahr um diese Zeit ist draußen von drinnen viel schöner als draußen draußen. Drinnen läßt das bekennende Weichei (ich) des kalten Abends die Heizung warme Luft blasen. Und siehe da: Die Kundschafter Ihrer Majestät wuseln schon wieder.

Alle Mann an die Geltuben!

Grundkurs in Linguistik

Im Büro wird Computerlinguistik diskutiert und die unterschiedlichen Anforderungen bei der Behandlung von logographische Sprachen (wie zum Beispiel Chinesisch) im Gegensatz zu Alphabet- oder Lautschriften. Neugierig geworden erkundigt sich ein noch sehr junger Kollege bei unserer chinesischen Entwicklerin nach ihrer Muttersprache: “Are there verbs and stuff?” Und was antwortet sie?

“It’s a language.” Mit einer ganz kleinen Pause danach, sehr geschickt gesetzt und gerade lang genug, daß einmal “stupid” reingepaßt hätte. Hat mir sehr gefallen.

Drei Tage war der Vater krank…

Und wenn Papa Pech hatte, bedeutete Krankheit bisher auch Verdienstausfall, weil, wer nicht zur Arbeit erscheint, dafür ganz gewiß kein Geld verdient. Nun gilt einigen Konservativen Kalifornien ohnehin schon als sozialistisch unterwandertes Gebiet und mit der neulich beschlossenen Erweiterung seiner Arbeitnehmerrechte (“Healthy Workplaces, Healthy Families Act of 2014”) hat der Bundesstaat im Westen wieder ordentlich Wasser auf ihre Mühlen gegossen. Was genau haben sie in Sacramento jetzt wieder angestellt?

Das: Ab 1. Juli 2015 muß jeder Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer für jede 30 Stunden geleistete Arbeit eine Stunde “Sick Time” in sein “Vielleicht-werde-ich-mal-krank”-Konto eintragen, das ergibt, eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vorausgesetzt, ganze vier (4) Stunden im Monat. Wer nun glaubt, daß ein Arbeitnehmer damit auf bis zu sechs bezahlte Krankheitstage im Jahr kommt, der kann zwar rechnen, hat sich aber trotzdem getäuscht. Bei 24 Stunden, also drei Tagen, ist Schluß. Mehr krank geht nicht. Nicht gegen Geld.

Es will scheinen, daß der Staat seine Pappenheimer kennt, das Gesetz erklärt nämlich sehr detailliert, daß der Anspruch auf die bis dahin angesammelte Zeit bereits nach den drei ersten Monaten besteht, daß der Arbeitgeber nicht verlangen darf, daß der Mitarbeiter eine/n Ersatzmann/frau stellt (“Okay Dolores, wenn du Schnupfen hast und nicht wischen kannst, dann schickst du eben deine Schwester”) und daß auch die bezahlte Abwesenheit wegen der Begleitung kranker Familienmitglieder unter diese neue Regel fällt. Damit das nicht versehentlich vergessen wird, sind verpflichtend Informationen über das Gesetz in Englisch, Spanisch und Vietnamesisch auszuhängen und zum Zeitpunkt der Einstellung auszuhändigen (Mustertexte können auf der Website der Behörde heruntergeladen werden).

Allein an der Auswahl der Sprachen läßt sich ablesen, auf welche schlecht bezahlten Branchen dieses Gesetz abzielt. Für den Fall, daß der Arbeitgeber meines lieben Nachbarn diesbezüglich an Kommunikationsschwäche leiden sollte, habe ich für Sam schon mal den spanischen Text ausgedruckt.

¡SOCIALISMO O MUERTE!

Aus dem Vokabelheft

Ein Würschtel in der Semmel heißt hierzulande “Hot Dog”, wobei die Semmel ein salzfreies elastisches Wahrscheinlichbackprodukt ist und das Würschtel traditionell aus “lips and assholes” hergestellt wird.  Im Volksmund heißen die Dinger auch “Tube Steak”*, weil sich das so hübsch auf “Cube Steak” reimt. Letzteres ist ein fast zu Hackfleich weichgeklopftes (“tenderized”) eher zäheres Stück vom Rind und sieht aus wie eine verunglückte Frikadelle.

Und warum erzähle ich das alles? Genau, weil heute Karfreitag ist. Der im übrigen hier kein Feiertag ist, aber trotzdem als guter Tag gilt und darum “Good Friday” heißt.

* Sehr frei übersetzt: Steak aus der Tube.

Nachtrag: meine Lust auf Wienerle ist in den letzten Wochen ins Unermeßliche gestiegen und darum habe ich mir als abtrünnige Ex-Katholikin passend zu Karfreitag eine Packung geleistet. Warum in einem Land, wo sonst das Dutzend Berechnungsgrundlage ist, nur fünf “German Brand Franks” eingeschweißt wurden? Geschenkt. Viel wichtiger ist, daß sie beim Abbeißen tatsächlich knacken und fast so gut schmecken wie die ganz billigen daheim. Hier sind für fünf Würstchen “Made from Pork & Beef – Made in U.S.A.” 7 Dollar und 49 Cents fällig. Plus tax.

Und Michi tanzt

Die Frau Obama ist eine ganz Sportliche und hätte am liebsten, daß die ganze Nation es ihr nachtut und turnt darum ständig irgendwo öffentlich vor. Wie zum Beispiel neulich in der Talk-Show von Jimmy Fallon, mit Jimmy Fallon, dem Rotschopf im Video links: http://bit.ly/1IaCrw5. Das Gehüppe mal hintangestellt – ich würde viel lieber wissen wollen, wieviel Stil-, Image-, Polit- und sonstiges Beratergschwerl bei der Auswahl von Michelles Turnhemdchen involviert waren und nach welchen Kriterien ausgesucht wurde (nicht zu sexy, aber sportlich, bloß nicht provozieren, aber um Himmels Willen nicht langweilig, frisch, aber nicht trashig etc. pp.) und freue mich ganz besonders, das sehr amerikanische und von mir schon so häufig beschriebene “Is-it-just-me-or-is-it-hot-in-here?”-Vormdekolleteewedeln nun endlich im Bild zeigen zu können (ab 1:22).

Ich frage mich, wie man diese Aktion am besten ins Deutsche übersetzt? Schwingt daheim Herr Professor Dr. Sauer bei einem öffentlich-rechtlichen Sender an der Seite von Maybrit Illner oder Barbara Schöneberger Reagenzgläschen, damit zukünftig mehr Jugend forscht?

Brown auf Braun

Kalifornien Gouverneur Jerry Brown klingt in jeder Rede wie jemand, dem der Glaube an das Gute im Menschen schon lange abhanden gekommen ist. Da ist es schon eine beachtliche Leistung, daß er gestern seine Stimme noch einmal mit einer Extraportion Enttäuschung anreichern konnte. In sein Volk nämlich, das trotz Dürre mit den knappen Wasservorräten haust, als gäbe es kein Morgen.

Da stand er nun, der kleine Mann, einsam und allein auf einem schmutzigbraunen Fleck Boden in der Sierra Nevada, nur umringt von einem riesigen Presseaufgebot, und deutete anklagend auf die Erde. Die hätte um diese Jahreszeit 150 cm tief unter einem “snow pack” liegen sollen, aber nix is. Graubraun ist die Sierra und das Schmelzwasser, das in seinem Staat für 30% der Wasserversorgung verantwortlich (und geplant) ist, wird es nicht geben, weil der Winter der wärmste der bisherigen Wettermessung war, so daß das bißchen Feuchtigkeit in den Bergen als Regen fiel und umgehend versickerte. Und was tun die Kalifornier, obwohl man ihnen nun schon seit drei Jahren das Wassersparen predigt? Sie wässern Vorgärten, Stadtparks, staubige Gehwege, Straßenmittelstreifen, Universitätscampus, Golfplätze und Friedhöfe und erquicken die Augen am satten Grün.

Nun ist Schluß, sagt der Gouverneur, die Welt habe sich geändert. Und weil Appelle an die Vernunft erfolglos waren, verhängt er zum ersten Mal in der Geschichte Kaliforniens eine gesamtbundesstaatliche Executive Order. Alle Städte müssen 25% Wasser sparen und zwar im Vergleich zum Jahr 2013. Das belohnt die, die schon Wassersparprogramme umgesetzt haben und nimmt die anderen endlich in die Pflicht. Verstöße gegen Detailvorschriften, wie zum Beispiel Straßenmittelstreifen wässern, werden mit Geldstrafen bis zu 10,000 Dollar pro Tag geahndet. Außerdem tragen Kommunen die Kommunen von nun an die Verantwortung für die Umsetzung der Förderprogramme zur Umgestaltung von Rasenflächen in wüstenklimataugliche Steingärten und dergleichen. Insgesamt ist eine Fläche von 50 Million Quadratfüßen zur Umwandlung vorgesehen – was man hier zum besseren Verständnis grundsätzlich in Football Felder umrechnet (1,150).

Stimmt also doch: Brown is the new Green. Recht so, Herr Gouverneur! Jetzt müssen bloß alle lokalen “Water Districts” noch irgendwie zum Mitmachen gezwungen werden, vorzugsweise ohne den Einsatz von Schußwaffen.

Nachbemerkung: in den Nachrichten war immer die Rede davon, daß das “snow pack” 94% kleiner sei als sonst; das scheint für amerikanische Ohren besser zu klingen, als daß es gerade mal nur 6% sind.

Ostern naht

Ja, ja, ich habe im flockblog immer behauptet, daß die Amerikaner mit Ostern nichts am Hut haben, aber was geht mich mein saudummes Geschwätz von gestern an? Denn, es stimmt ja gar nicht. Selbstverständlich feiern sie Ostern. Und zwar nehmen sie die Auferstehung des HErrn zum Anlaß, aus schlechten Zutaten viel Essen zuzubereiten.

Dress up your hamDas weiß ich, weil die Supermarktkette Target gerade ganz selbstlos Rezepte verteilt, bis hinein in meinen Briefkasten. Motto: “Dress up your ham.”* Wie’s der Zufall will, haben sie gerade alle dazu nötigen Zutaten im Angebot: einen eingeschweißten aufgeschnitten Schinken, schon fertig in der Alubackform. Und den soll der geneigte Kunde nach dem Erwärmen lustig garnieren, wenn er daran gedacht hat, die Plastikfolie vorher zu entfernen: mit Dosenananas, Dosenmandarinorangen (erinnert sich noch wer an die?), Maraschinokirschen und Lorbeerblättern aus dem Gläschen. Dabei gäbe es – wenn man denn schon Schinken aufhübschen muß – die Peripheriezutaten bei jedem “ethnischen” Supermarkt frisch. Beim Inder, beim Mexikaner, beim Araber, beim 99-Ranch Markt, der Gesamtrestasien abdeckt. Jeder kann frisch. Außer Target. Target bietet alles nur eingeweckt, -gedost und -geschweißt an, aber dafür viel für billig und Hauptsache bequem (“convenient”).

Die jüdische Kollegin übrigens hadert seit letzter Woche wieder besonders mit ihrem Gott. Von wegen “auserwähltes Volk” und so. Der alte Mann müsse doch ein ausgewachsener Sadist sein, wie sonst könne man seine Leute dazu zwingen, eine Woche lang ungesäuertes Brot zu essen? Ihr kämen diese Drecks-Mazzes nicht ins Haus, sie sei auch zu Pass-Over ein “bad Jew”. Bei ihr gibts zum Frühstück Eier mit Speck und zum Pessach-Mahl Schinken ohne hübsch.

Ich muß gerade sehr an mich halten, wenn mir wieder jemand von der anderen Seite des Atlantik ein schönes langes Wochenende wünscht und bin jetzt einfach mal nur neidisch. In In-God-We-Trust-Land kommen nämlich weder Karfreitag noch Ostermontag im Feiertagskalender vor. Hallo-ho?

Wenns dem Beivollerbezahlungnichtarbeitenmüssen dient, bin ich überzeugte Polytheistin.

* “Dress up your ham”, frei übersetzt “Schinken aufhübschen”. Oder wie man hier sagt, wenn jemand gerade versetzt wurde: “All dressed up and nowhere to go.”