Voll Zug

In unserem Businesspark haben sie letzten Herbst die Klimaanlage auf zentralgesteuert modernisiert und den Mietern damit jede Möglichkeit genommen, selbst am Thermostat zu drehen, um die ihnen angenehme Raumtemperatur herzustellen. Wir müssen jetzt erst online eine “Workorder” ausfüllen und warten, bis die so lange ignoriert wird, daß ich doch wieder in deren Büro eine mündliche Beschwerde vortrage.

Seit letzter Woche heizen sie unseren Großraum jede Nacht auf eine gemütliche Temperatur hoch und sobald gegen 09:00 Uhr alle Mitarbeiter anwesend sind, blasen sie uns mit sibirischen Eiswinden nieder. Ich habe den ganzen Winter über draußen nicht so warme Klamotten getragen wie jetzt im Frühling drinnen beim Arbeiten.

Natürlich habe ich Kältesensibelchen mir einen Zug geholt und seit Tagen ein steifes Genick. Das mag ich nicht und trage darum zur Linderung die bekannteste hiesige Heilsalbe* auf meinen armen bewegungslosen Nacken auf. Und jedes Mal, wenn ich schmiere, grüble ich aufs Neue: wie kriegen die deutschen Pillendreher es hin, daß ihre Einreibemittelchen fast geruchsfrei daherkommen und warum muß man in Amerika auf einen Kilometer, ach was sag’ ich, eine Meile gegen den Wind nach Kampfer stinken? (Und das wohlgemerkt aus der Tube mit dem Verschwindeduft (“Vanishing Scent”).

Ich kanns mir nur so erklären, daß hier die Antwort auf die Frage “How are you?” verpflichtend “Good / Awesome / Splendid / All peachy” und dergleichen ist, weil es einem aus Prinzip gar nicht schlecht gehen darf. Da hilft die allseits wohlbekannte Duftnote “Rückenleiden” doch sehr, um dem Gegenüber eine Mitleidsbezeugung zu entlocken.

* Bengay, ist die verhumbatzelte Version des Erfindernamen, Dr. Jules Bengué. Bis 1995 unter dem Namen Ben-Gay im Verkauf, aber jetzt nimmer.

Reklamation

Ich hatte doch neulich erst bestellt, daß der März und seine Hitzewallungen gerne noch eine ganze Weile bleiben dürfen und jetzt imitieren gefallene Blütenblätter überall Neuschnee, ein elendskalter Wind bläst und ich soll morgen schon den Kalender auf April weiterblättern? Da haben die Herrschaften in der Auftragsannahme aber bei den diversen Kundenwunscherfüllungsschulungen nicht ein einziges Mal aufgepaßt.

Das haben sie jetzt davon: Zur Strafe müssen sie nachsitzen. Noch einen März lang.

Aus dem Vokabelheft

“Gibst du mir bitte mal den…, die… na, das Dingsbums da drüben” oder wie man in Amerika sagen würde: the doo-hickey, dingus, doodad, thingamabob, thingamajig, whatchamacallit.

Im Namen des Volkes

In Kalifornien kann jeder Bürger eine Vorlage zur Volksabstimmung einreichen. Einfach aufschreiben, was einen umtreibt, einen $200-Scheck beilegen und vor dem 28. Februar an den “Secretary General” des Bundesstaates in Sacramento schicken. Der muß qua Gesetz der Eingabe dann eine Nummer (“title”) vergeben, den Inhalt zusammenfassen (“summary”), das Papier in Umlauf bringen (“circulation”) und wenn weitere 365.000* Bürger der Meinung sind, das Volk müsse darüber abstimmen, kommt die “ballot” im nächsten November auf den Wahlzettel.

So ist auch Matt McLaughlin, ein Anwalt aus Huntington Beach, vorgegangen, als er seinen “Sodomite Suppression Act” eingereicht hat. Ich fasse kurz zusammen: Herr McLaughlin will Homosexuelle abschaffen, weil ihr Sexualverhalten Gott nicht gefällt und die Guten nur dann vor der Rache des Allmächtigen verschont bleiben, wenn sie sie alle töten. Ja, richtig. Put to death by bullets to the head or by any other convenient method, und zwar jede/n, die/der gleichgeschlechtlich lebt und liebt. Der ganze Siebenpunkteplan zur Säuberung Kaliforniens steht unten.

Es kommen da ein ganzer Haufen Dinge zusammen. Ich habe keine Ahnung, warum Matt McLaughlin so ein Schwulenhasser ist, aber den Herrgott als Ausrede für seine persönlichen Befindlichkeiten zu nehmen, ist doch gar zu billig. Und saugefährlich, was hält denn andere Psychopathen davon ab, ihren Gott vorzuschieben, wenn sie morgen gegen Radfahrer und übermorgen gegen Übergewichtige sind? Alle totschießen, hah! Diese Vorlage ist ein Aufruf zur Gewalt, wie er lehrbuchmäßiger nicht geht. Darüber hinaus hat Kalifornien die Todesstrafe abgeschafft. Gut, das war erst am 16. Juli letzten Jahres und die Urteilsbegründung berief sich auf die Willkürlichkeit bei der Verhängung und diesen Elendsverspätungen beim Vollzug, aber abgeschafft ist abgeschafft. Die kalifornische Generalstaatsanwältin hat nun das Gericht angerufen, weil sie in ihren Amtseid geschworen hat, alle Bürger zu schützen und sie diesen Vorschlag deswegen nicht zulassen kann und will. Verfassungsrechtler schätzen die Gefolgsaussichten dieses Vorstoßes recht gering ein. Wäre das nicht ein angemessener Zeitpunkt, über eine Änderung der Vorschriften/Gesetze nachzudenken? Hmmm?

Die Bürgerrechtlerin Charlotte Laws (ein Name, den Thomas Raab sich nicht hätte schöner ausdenken können), setzt darauf, den Mann und seinen “Sodomite Suppression Act” der Lächerlichkeit preiszugeben und hat, ebenfalls fristgerecht und mit einem $200-Scheck bewehrt, den “Intolerant Jackass Act” eingereicht. Sie predigt darin die Liebe zu Freiheit und Toleranz und fordert, daß jeden Autor einer Vorlage, die zum Mord an Schwulen und Lesben aufruft, fürderhin nur noch als intolerantes Arschloch zu bezeichnen sei. Außerdem verpflichtend für den Zeitraum eines Jahres und mindestens drei Stunden pro Monat an einem “sensitivity training” teilzunehmen hat und $5,000 an eine schwule oder lesbische Organisation spenden muß.

Nettes Späßle g’macht, Frau Laws – aber ich fürchte, Herr McLaughlin wird sich nicht allzuschwer tun, 365.000 religiöse Fanatiker zu finden, von denen nicht einer die Bergpredigt gelesen hat. Man kann nur hoffen, daß die Wähler ihr Kreuzchen letztendlich mehrheitlich bei “NO” machen.

 

Sodomite Surpression Act

* 365.000 entspricht 5% der abgegebenen Stimmen bei der letzten Präsidentschaftswahl

Aus dem Vokabelheft

Unser Steve ein Egoist? Ach Quatsch! Er hat doch nur eine “You’re all my wingmen* persona”.

Der Begriff “Wingman” (Flügelmann) kommt ursprünglich aus der Fliegersprache und bezeichnet das Kampfflugzeug, das seitlich versetzt neben dem Anführer fliegt und diesen vor Angriffen aus dem toten Winkel schützen soll.

Im heutigen Amerika geht der Wingman mit einem paarungswilligen Single aus und hat die Aufgabe, die weniger attraktive Freundin des potentiellen “Dates” zu beschäftigen und abzulenken, bis das “Hotty” klargemacht ist. Wer mehr über das schwachsinnige Dating-Regularium des Amerianers lesen will, findet hier Details: http://bit.ly/1Dh4Ejq; es gibt sogar einen noch schwachsinnigern “Wingman Code of Honor”: http://bit.ly/1EROEiT.

Die weitaus häufigste Form der Vergewaltigung hierzulande ist übrigens der sogenannte “Date Rape”.

God bless America!

Zu dieser Anzeige im Time Magazine wollte ich eigentlich nur schreiben, daß der Mann im Boot ganz offensichtlich grottenschlecht in dieses groteske Bild hineinkopiert wurde. Fertig.

camping

Weil man sich als Chronistin aber der Recherche verpflichtet fühlt, sagt mir als bekennender keiner Fernseher besitzenden Kulturbanausin inzwischen der Name Nick Offerman auch etwas: Offerman ist Schreiner, Komiker und Schauspieler unter anderem bei “Parcs and Recreation”.

Und Protagonist in dieser wahnsinnig komischen Anzeige für NASCAR-Autorennen: https://www.youtube.com/watch?v=wi68a0LsLDA.

Das NASCAR-Publikum, muß man wissen, steht hierzulande in dem Ruf, weder über herausragende materielle noch geistige Mittel zu verfügen, dafür aber über eine ganz klare Meinung zu Andersfarbigen oder Andersdenkenden.

Dagegen.

Gelesen: Thomas Raab, die Metzger-Krimis

“Dieser Metzger ist Kult! Der Wiener Schriftsteller Thomas Raab gilt nach Wolf Haas als neuer Stern am Krimihimmel”. FREUNDIN

Dieses Zitat ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, daß die Fähigkeit zur Literaturkritik nicht jedem gegeben ist. Richtig ist, daß Thomas Raab unterhaltsame Mördergeschichten um den Wiener Restorautor Willibald Adrian Metzger schreibt und daß ihm manchmal beneidenswert originelle Formulierungen einfallen, wie zum Beispiel, daß jemand in einer Konversation ganz eindeutig eine “Vokabelschwäche in Körpersprache” aufweist. Verständlich ist, daß der Rezensentin einer Frauenzeitschrift das Herz aufgeht, wenn des Metzgers Frauenbild beschrieben wird. Um eine Haas’sche Formulierung zu bemühen, dafür ist “Vollweib Hilfsausdruck”. Leider hat sie dabei übersehen, daß Raab in Klischees reist. Ich habe mich in den letzten Wochen durch sein Metzger-Gesamtwerk, bis dato fünf Bände, gelesen und weil es nicht ganz einfach ist, in den USA an deutsches Schriftgut zu kommen, nicht in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Es mag sein, daß einem beim zeitnahen verkehrtherum lesen nicht nur Textbausteine deutlicher ins Gesicht springen, sondern auch billige Tricks, wie furchtbar gescheite sprechende Namen und selbstverliebtes Breittreten lustiger Wendungen und vermeintlich ausgefallener Ideen. Hätte ich mich auf einen Roman pro Jahr beschränkt, wäre mein Urteil wahrscheinlich, daß Raab eine “flotte Schreibe” hat, was beileibe nicht mit guter Schreibe zu verwechseln ist. Aber so…

Nochmal: Raab ist unterhaltsam. Auf Kreisliganiveau. Da, wo Haas spielt, kommt er nicht mal in seinen kühnsten Träumen hin.

Hic sunt dracones*

Samstag mittags um Dreivierteleins im Kinderbecken. In beinahe medidativem Einklang ertüchtigen drei Dicke Damen ihre Leiber, links eins-und-spratzel, zwei-und-spritzel, rechts eins-und-spratzel, zwei-und-spritzel. Nun auf einem Bein, eins-und-spratzel, zwei-und-platsch-und-kreisch, ja haben die denn hinter mir die 5B vom Beckenrand gelassen?

Nicht doch. Das rostrote Libellenpärchen, das sich bisher in der vorderen Hälfte des Pools tummelte und mir bei seinen Zwischenlandungen auf eine runden weißen Filterabdeckplatte Bilder von Donald Sutherlands schrägem Grinsen und diesen Ohrwurm http://bit.ly/1enrzbA ins Hirn drückte, hat dummerweise seinen Radius erweitert und die andere Poolseite angetanzt, worauf eine Mitschülerin ihrer Contenance verlustig gegangen ist. “Go away”, kreischt sie wiederholt hysterisch und schlägt wild wellenschlagend um sich. “They bite, they bite…”** Sie will sich nicht beruhigen lassen. Schon gar  nicht mit Sachargumenten, wie, daß Frühling ist und die beiden nichts von ihr wollen, sondern nur voneinander.

Die weisen Libellen tun das einzig richtige und verlagern ihre Partnerwerbung wieder in die vordere Beckenhälfte und bald finden die Dicken Damen zurück zum monotonen links eins-und-spratzel, zwei-und-spritzel, rechts eins-und-spratzel, zwei-und-spritzel, für den Rest der Stunde erweitert um “paß’ auf, sie sind jetzt an deinem Kopf”-Rufe von den billigen Plätzen hinten. Ich schau den Insekten bei ihrem Sonnentanz zu, denke mir, daß man deutlicher nicht sehen kann, wohin diese “Hab-Angst-Vor-Allem”-Kindererziehungsmethode führt und summe mir den M*A*S*H.

* Libelle heißt auf Englisch “dragonfly” = Drachenfliege.

** Tun sie nicht. Man lese: http://www.libelleninfo.de/12.html und wundere sich wieder einmal mit mir, wer alles das Internet vollschreibt.

Familienplanung

Eigentlich wollte ich mich nur schnell für einen weiteren Kurs in meinem Schwimmbad anmelden, und bin dabei auf dieses Angebot gestoßen: “Don’t see the person you want to add in this drop down?  Create a new Family Member.” (Sie haben den Menschen, den Sie hinzufügen wollen, nicht im Aufklappmenü gefunden? Machen Sie ein neues Familienmitglied.)

Hmmm. Ich wußte nicht, daß man einfach so mit zwei Mausklicks einen reichen Onkel aus Amerika basteln und endlich und für immer diese Drecksvisumsorgen lossein kann. Sounds good.

Aus dem Vokabelheft

Wie ich heute einem Artikel über “100 Jahre Mercedes in Sindelfingen” entnehme, gibt es in meiner Muttersprache so wunderschöne Wörter wie “Molchschiebezylinder­zielbahnhof”. Im Englischen können sie vielleicht jedes Substantiv zum Verb degradieren und beim Abkürzen sind sie Weltmeister, aber im Bereich Komposita bleiben wir ungeschlagen!

Darauf einen Molchschub!