Sleepless in Daglfing

Ich habe doch alles richtig gemacht: in der Nacht vor dem Abflug von SFO ordentlich getrunken und wenig geschlafen, den ganzen Tag auf Achse (sowie saumüde und verkatert) gewesen, mich nicht lange nach dem Abendessen im Flieger zur Ruhe gebettet, knapp drei Stunden vor der Landung dieses angenehm ereignislosen Flugs wieder augewacht und dem schon nicht mehr ganz jungen Tag wacker ins Auge geblickt. Flott in Deutschland eingereist (ist ja nicht, als wären wir in Amerika und stünden erst mal ein paar Stunden an der Immigration an), mein Koffer war unter den ersten drei am Gepäckband, die S-Bahn ist abgefahren, sobald ich meinen Fahrschein gelöst und einen Sitzplatz (!) eingenommen hatte und Christoph lief auf dem Daglfinger Bahnsteig schon auf mich zu und verlud Frau und Gepäck – bilderbuchmäßiger kann man gar nicht ankommen! Dann Tee trinken, frisch machen, beim Griechen viel Fleisch essen, anschließend noch ein gepflegtes Glaserl grauen Burgunders, tapfer bis Mitternacht dazu der Konversation gepflegt und ab ins Bett mit leicht einschlafen und wirres Zeug träumen.

Es gibt, o du mein hochgeschätzter Biorhythmus, also ü-ber-haupt keinen nachvollziehbaren Grund, warum ich frühmorgens um 2:00 Uhr wach bin wie ein Glöckerl. Selbst in Kalifornien hätte ich jetzt Feierabend und wäre müde, zefix!

Hiermit allen kundgetan: The Eagle has landed und The Eagle gedenkt, in dieser Nacht noch ein paar Stunden mehr zu schlafen, Biorhythmus hin oder her! Hah!

Aus dem Vokabelheft

Todmüde und schon wieder vor dem laufenden Fernseher eingeschlafen? Oder, wie man hier sagt: “The TV was watching me all night.”

Dreisatz

Wenn’s nach schlecht noch schlimmer wird, dann sagt man hierzulande, jemand gerate von “the frying pan into the fire”. Das kennen wir im Deutschen als “vom Regen in die Traufe kommen”. Oder, wie ich es völkerverbindend jüngst neu gedichtet habe: “From the rain in the drain.”

Meins reimt sich, das setzt sich bestimmt bald durch.

Gerade im Beauty-Salon

Die Dame im Pedikürensesselmonster neben mir berichtet, sie habe eben zwei Wochen Ferien hinter sich. “Nur essen und schlafen. Um Himmels Willen bloß nicht wegfahren, das macht doch bloß nur wieder müde.” Daß wir beide aber auch gar nix gemein haben, war mir schon bei der Ansage klar, da hätte ich ihren Wunschnagellack (Pink mit Silberflitter) gar nicht mehr sehen müssen.

Vorne bei den Friseursesseln bestellt ein echt cooler Vater (die Sonnenbrille bleibt auch in geschlossenen Räumen auf) für seine beiden Buben je einen “Fallout-Haircut”. Weil ich eh nix besseres zu tun habe, richte ich meinen Blick auf die erwartete Verstümmelung der Kinderköpfe mit der Null-Millimeter-Klinge. Kommt aber nicht. Und weil ich immer noch nichts besseres zu tun habe, weil die Pedikeuse an meinen Zehen immer noch herumdoktort, denke ich ein bißchen nach und komme zu dem Schluß, daß da eben kein Hiroshima-Haarschnitt geordert wurde, sondern ein falscher Irokese.

Es hilft, wenn man Vorkenntnisse hat und weiß, daß die Frisur, die wir im Deutschen “Iro” nennen, hier “Mohawk” heißt, und das, was den Knaben gerade geschnitten wird (Seiten kurz, aber oben noch was zum nach oben kämmen dran lassen), deswegen “Fauxhawk” heißt.

Kaum daheim angekommen, gibt mir Wikipedia recht.

Aus dem Vokabelheft

Er habe, erzählt ein Geschäftspartner heute am Telefon, ein rechtes “Hannidu”-Wochenende vor sich. Ich kenne den Begriff nicht und frage zurück, ob das irgendwas mit “Mountain Dew” (klebrige Limonade) zu tun hat. Nicht doch, sagt er. Seine Frau wecke ihn an solchen Wochenenden schon am Samstagmorgen immer extra früh auf, mit Anweisungen wie “Honey, do this”, “Honey, do that”.

Die beste Entsprechung im Deutschen ist das unverneinbare “Schahatz, magst du mal…?”

Straßenstandsmeldung

Sondermeldung! Alle mal herhören! Die Bay Area hat einen PCI* von gerade mal 66%!

PCI heißt ausgeschrieben Pavement Condition Index und bedeutet in Verständlich übertragen, daß über ein Drittel der Straßen und Gehwege hier in der Gegend aus Schlaglöchern bestehen. Auf die eigentlich naheliegende Idee, statt der Indizierer mobile Bauarbeiter mit offenen Augen und vielen Kübeln Asphalt einzusetzen, ist scheint’s noch noch keiner gekommen.

Ich wüßte da ein Schlagloch auf meiner Autobahnausfahrt, das für eine derartige Zuwendung wirklich empfänglich wäre. Und die Stoßdämpfer (umgangssprachlich: “shocks”) des Passat erst!

Aus dem Vokabelheft

Wenn man’s nicht so genau weiß und nur ungefähr beschreiben kann, dann kommt man im Deutschen ohne “irgendwie” nicht aus. Die Amerikaner haben das für sich einfacher gelöst und fügen einfach die Nachsilbe “-ish” an. Man trifft sich so ummara zwölfe, also “twelve-ish”, der unbestimmte Blauton ist “blue-ish” und es kommt vor, daß ein großgewachsener Mann mit dem Begriff “large-ish” beschrieben wird (selbst gehört).

Lückentext

Google Maps hält heute gar nichts vom 101 und malt ihn durchgehend schwarz-rot mit lauter kleinen Warndreiecken. Das heißt, daß genug Autos ineinandergekracht sind, um aus der Autobahn einen langen vielspurigen Parkplatz zu machen. Aber ich verzage nicht, sondern weiche einfach auf den 280 aus, der liegt landschaftlich eh viel schöner.

Auf dem Weg komme ich an “The Church of J” vorbei; alles, was dem “J” möglicherweise folgt, ist unter einem dicken Palmwedel verborgen. Doch die netten Kirchenmenschen geben Hilfestellung: “Sunday 11am Service Join”.

Ich möchte lösen: Das ist doch bestimmt “The Curch of Jedi” und auf der Kanzel am Sonntag Yoda selbst er steht.

Neighborhood Watch*

Unter meiner Fußmatte lugt ein Umschlag hervor. Uiii, denke ich, ein Brief? Ein heimlicher Verehrer gar? Oder hatte Greisin Lyn von nebenan einen ihrer Um-Himmels-Willen-wo-war-denn-gleich-Sabines-Briefkasten-Senior-Moments? Ist der Aushilfsbriefträger mangelhaft geschult? Nein. Absender ist die Abteilung “Background Investigations” des San Francisco Police Department.

Gulp. Als, wenn auch “Legal” Alien weiß man ja nie, ob die Staatsgewalt es gut mit einem meint. Aber ignorieren hilft auch nicht, also mutig das Kuvert geöffnet und gelesen, daß es gar nicht um mich geht, sondern um einen jungen Mann namens Mariano Flores. Der wohnt in meiner Straße, ein paar Häuser weiter, die genaue Anschrift ist angegeben. Außerdem möchte er Polizist werden und die Polizei will nun von mir wissen, ob ich was weiß. Zum Beispiel, ob ich den Mann kenne und mit ihm und/oder seiner Familie regelmäßig verkehre. Wenn ich ihn kennen sollte, erwarten sie eine Persönlichkeitsbeschreibung sowie Charakteranalyse und außerdem alle Angaben zu seiner Person, die ich sonst noch für wichtig halte (“other characteristics that you think appropriate to mention”). Im nächsten Absatz gehts um sein Verhältnis zur Nachbarschaft und ob es schon mal Beschwerden von mir oder anderen gab, über das Haus, in dem er wohnt (“applicant’s residence”), zum Beispiel wegen Parties, lautem Lärm oder sonstigen Störungen der öffentlichen Ordnung. Nächste Frage: Habe ich schon mal gesehen oder gehört, daß es in dem Haus einen Polizeieinsatz gab? (Jetzt mal ernsthaft: sollten die das nicht in ihren Unterlagen haben? Statt nachbarschaftliches Hörensagen nachzufragen?) Bonusfrage, für den Spitzel in uns allen: Habe ich das Gefühl, daß es andere Leute gibt, die mehr über den wissen? (“Are there any other persons whom you feel may have additional information concerning the applicant?”)

Bitte flott ausfüllen, eine Nichtteilnahme verstößt gegen das öffentliche Interesse. (“This process serves the best interest of the public, the Police Department and the applicant involved and must not be ignored.”) Fehlt gerade noch, daß der Satz mit “or else” (“sonst kannst du was erleben”) endet.

Selbst wenn ich den Mann kennen täte: No soy Blockwart!

* Tips und Tricks zur Gründung eines Nachbarschaftsüberwachungsvereins, selbstverständlich bewaffnet, findet man hier: http://bit.ly/1iGB895