Es wechseln die Zeiten

Nebenan auf der Weide tragen die Pferde inzwischen doppellagige Decken, also habe ich heute auch meine Sommersachen aus meinem hiesigen Gästeschrank in einen Koffer verräumt und Platz für wärmere Bekleidung geschaffen, die ich in den vorbildlich beschrifteten Kartons aus meinem noch verspäteter als erwartet eintreffenden Container zu finden erwarte, dessen Inhalt demnächst in einer Self-Storage-Einrichtung in Forstenried ein vorläufiges Zuhause finden wird.

Wer glaubt, daß Einlagerplatzanmieten einfach ist, hat sowas noch nie gemacht. Ich mußte mich durch Pulks von Rentnerpaaren in Beige schlagen und zermartere mir bis heute den Kopf, was die wohl in diese Verschläge verräumen. Außerdem wird von Aspiranten verlangt, daß sie die Verbote des Einlagerns auswendig aufsagen können. Untersagt ist das Deponieren von:

  • Verderblichen Nahrungsmitteln oder sonstigen verderblichen Waren bzw. Lebewesen, egal welcher Art.
  • Leicht entflammbaren Materialien bzw. Stoffen, Waffen, Sprengstoffen oder anderen explosiven Stoffen, egal welcher Art.
  • Drogen, Suchtgiften, Chemikalien und radioaktiven Materialien, toxischen Abfallstoffen, Sondermüll, egal welcher Art.
  • Anderen gefährlichen Materialien, die durch Emissionen Dritte beeinträchtigen könnten.
  • Sie dürfen außerdem den Lagerraum nicht zu Wohn- oder Arbeitszwecken nutzen.

Wenn man diese Liste mindestens zwei Mal nacheinander fehlerfrei vorgetragen hat, wird man zum Lagerverwalter vorgelassen und füllt unter dessen Aufsicht mehrere Verträge und Fragebögen aus, überträgt die erst- und zweitgeborenen Kinder als Geiseln, erwirbt ein gruselfilmgroßes Schloß mit zwei Schlüsseln sowie der Ermahnung, daß bei Verlust derselben der allfällige Einsatz eines Bolzenschneiders gegen Gebühr nur von autorisiertem Personal durchgeführt werden darf (Bolzenschneid Yourself wird wahrscheinlich mit einer Prügelstrafe geahndet), bezahlt im Voraus für zwei Monate Mindestmietzeit (und zwar einen höheren Quadratmeterpreis als für ein Loft in Münchener Bestlage), schubst mindestens ein Rentnerehepaar aus dem Weg, um endlich aus der Lagerwelt wieder an die frische Luft zu kommen und schon hat man ein vorläufiges Heim für Kisten und Möbel angemietet.

Der Zoll in Bremerhaven beklagte “erhöhten Arbeitsaufwand” und hatte jetzt wirklich nicht die Kapazitäten, auch noch mein Zeugs wie vereinbart durchzuwinken und freizugeben. Wir hoffen nun auf Dienstag.

Totemtier

Die Frage “Bist du jetzt eher ein Wolf oder doch mehr ein Stern?” stellt man heutzutage nicht mehr so sehr in Esoterikerkreisen, sondern im Stellenmarkt der Süddeutschen Zeitung, wo diese beiden Anzeigen direkt nebeneinander auf Seite 70 der aktuellen Wochenendausgabe zu finden sind.

Ganz früher, als ich noch bei einem Alternativstadtteilblättchen geschrieben habe, hätte gewiß “Der Säzzer” dazu irgendeinen Kommentar an den Rand gepfriemelt, in der Jetztzeit blogge ich halt selbst drüber und halte es im übrigen mit einem früheren Kollegen und dessen Glaubenbekenntnis: “Nerds are my Spirit Animal.”

Wolf bei Wolf

stern bei arval

Mia san a bayrische Band

DIE bayrische Band, die Spider Murphy Gang, spuit auf. Am Freitagabend ummara achte, im Festzelt der Brauerei Aying. Kaum angekommen, ist mir danach, Photos vom Publikum zu machen und Biographien dazu zu erfinden. Von der Dame knapp über dem Pensionsalter, mit dem pechschwarzen himmelhochtoupierten Haarturm. Oder dem Otti-Fischer-Typ in der Krachledernen, durch dessen Hosenträger ein Bauch spitzt, der auf den ca. 26. Schwangerschaftsmonat schließen läßt, die blonde Vorstadtzugereistenfamilie im Originalbayernoutfit, bezopften Töchtern und norddeutschem Akzent und die Dorftrachtenjugend mit Piercings und Tattoos.

Ich lass’ es dann aber doch bleiben und habe einfach wie alle anderen viel Spaß am Umeinanderhupfen und mit dem Günther Sigl  und seinen Mannen “Schick-schick, Schick-schick, Schickeria” und der Rosi ihre fünfstellige Telefonnummer (so lang is des scho her) und “Schkandaaal – Mooraaal” mitzugrölen. Kurz wirds rührend, als alle inklusive der Band bei “‘s is wieder Sommer, Sommer in der Stadt” diesen nach innen gekehrten “So jung war i a amoi”-Blick kriegen, aber dann fällt uns wieder ein, daß sich Neglischee auch heute noch auf Kanapee reimt* so wie Herzklopfen auf Herztropfen und ois is wieda easy.

Schub-schub-schub-schub-schubidua.

* Die überwiegende Mehrheit war takt- und textsicher. Auch bei 2. und 3. Strophen; vereinfacht durch die patentierte Spider-Murphy-Methode – “Die dritte is wia die erschte”.

Going postal

Da schreib ich ständig über die Unterschiede zwischen Alter und Neuer Welt. Was hier anders ist und was da, was hüben so wahnsinnig viel besser ist als drüben und erst recht, was dort über die Maßen schlechter ist als dorten und darüber hätte ich schier beinahe aus den Augen verloren, was beiden Welten gemein ist und was die Men in Black immer schon gewußt haben:

Die Post nämlich wird dies- und jenseits des Atlantiks von Aliens betrieben.

Aus dem Vokabelheft

Der Preis für die schönste Wortschöpfung seit längerem geht heute an die Auto-Correcteuse in meinem Telefon, die hat nämlich heute früh das hübsche Wort “Wechselgeldpuschel” erfunden.

Wo sie’s nur herhaben mag?

Münchener Herbst

Jetzt ist sie da, die Zeit von Bodenfrost und Frühnebel. Morgens trägt die Dame an der S-Bahnhaltestelle zu kondensierten Atemwölkchen gerne einen dicken warmen Wollmantel – wie gut, daß sie vorausschauend ein Vielevorjahresmodell im Keller der Gastfamilie gebunkert hatte. In der Stadt haben die Trachtenvögel ihre nackten Beine und Schlüsselbeine wieder unter dicklagigen Plusterdaunen versteckt. Keiner hat mehr lustige Hüte auf, stattdessen tragen fast alle dicke Halswickel und tröten aus roten Schniefrotznasen. Gegen Mittag dann haßt die Dame ihren dicken warmen Wollmantel; alles nur Ballast unter der vom weißblauen Himmel strahlenden Goldsonne. In der Luft liegen Röstaromen, die ersten Streberblätter leuchten in Rotbuntflammentönen und bei der MVV-App dreht sich keine Wartebrezel mehr. Irgendwo blühen bestimmt schon Herbstzeitlosen.

Ich bin dann mal weg. Richtung Allee.

Verdrängung, die

“Und wer weiß die Antwort auf diese Frage: Was kommt zwei Tage, bleibt zwei Tage, geht zwei Tage? Ja, die Dame im Dirndl in der ersten Reihe? Recht haben Sie, ganz genau: der Münchner Föhn.”

Außerdem, wie die Blogautorin hinzufügen möchte: das Vorföhner-, Föhn- und Nachföhnerschädelweh. Das hatte ich vergessen. Bin ich froh, daß dieser dreckswarme Fallwind heute in dem Regen vollends z’sambricht.

Kommt ‘ne Frau zum Arzt

Mein Doc überweist mich zur Anfertigung von Knochenphotos an einen Kollegen und statt zuerst nach der Kreditkarte zu fragen und dann nach meinen Beschwerden, will man von mir lediglich wissen, wer und warum ich da bin. Dann fülle ich Bogen um Bogen aus und mir fällt auf, wie leicht und logisch mir das Geburtsdatum im Format TT/MM/JJJJ von der Hand geht (in US-Format kommt der Monat zuerst und ich habe ihn zum besseren Verständnis immer ausgeschrieben; wie jeder Ausländer), bloß meine Einsen werde ich wohl nie wieder mit einem hübschen Aufstrich versehen, da hab ich den Simpelstrich verinnerlicht. Anschließend ziehe ich weisungsgemäß Schuhe und Hose aus und keiner, keiner, keiner rennt mir hektisch mit Untersuchungs-Shorts und -Hintenoffenhemdchen aus blauem Krischpelpapier hinterher, um meine Blößen zu bedecken. Hach.

Es ist offiziell: Sabine has left Mayflower-Country.

Eins noch

längst fälligVor Jahr und Tag ist bei Kunstmann “Längst fällig” erschienen, ein Buch, in dem 37 Dinge strengstens untersagt werden, von denen mir seltsamerweise nur noch der Chiemsee im Gedächtnis geblieben ist. Falls der Verlag je eine Neuauflage planen sollte, schlage ich vor, diese um ein weiteres Verbot zu ergänzen: Weg mit der Strickjacke!

Dann bleiben uns fürderhin hoffentlich stu-un-den-laa-aaanges Warten und die Alliteritis des BILD-Bildunterschriftenbeauftragten erspart.

Kurzschluss nach Kleidungswurf

Eigentlich

Ja, mach nur einen Plan… Wie zum Beispiel ein großer deutscher Automobilhersteller, der auf der Titelseite einer kostenfrei an alle Haushalte verteilten Sonderausgabe der lautesten deutschen Boulevardzeitung fett eine Eigenlob-mit-Glückwunsch-zur Wiedervereinigung-Anzeige schalten läßt und damit schön auf der schwarzrotgoldenen Nationalromantikwelle mitsurfen wollen gewollt hätte. Dumm nur, wenn das Einheitsjubiläum und somit der Veröffentlichungstermin des längst gedruckten Blattes in die Zeit des bis dato größten Abgaswertefälschskandals fällt. Dann Shitstorm. (Mehr hier: http://bit.ly/1iYEARw.)

Inzwischen hat das VW-Marketing auf Demut umgestellt.

VW - Eigentlich1

Ob das jetzt noch hilft, darf bezweifelt werden.