Heitere Berufsberatung oder “Folge deinem Gefühl. Bewirb dich jetzt!”

Dramatis Personae: Berufsberater Mayer (hinfort “BB”, sprich “Bibi”) sowie Hänschenklein (hinfort “Hä”, sprich “Häh?”)

BB: “So langsam weiß ich wirklich nicht mehr, wo ich Sie noch vorschlagen soll, junger Mann… Wie man mir sagt, haben Sie in zwei Wochen Praktikum als Verkaufsheld für Theken- und Telefonverkauf nicht eine Theke an den festen jungen Kundenstamm losgeschlagen und als Vollblutverkäufer für Treppenlifte im Außendienst haben Sie sich dem Vernehmen nach schon am ersten Tag durch Höhenangst disqualifiziert. Mei, mei, mei. Aber, wie ich immer sag, nicht verzagen, sondern Ärmel hoch krempeln mit dem Spirit auf „Go“, gell? Dann schauen wir einfach mal, was noch gesucht wird. Sie bringen wir schon noch an den Mann! [Schaut mit zusammengekniffenen Augen in seinen Monitor und scrollt das Mausradl heiß.]

Hä: [Schaut zu.]

BB: Wie steht’s denn um Ihr Multi-Tasking? Können’S das? Da hätt’ ich zum Beispiel eine Stelle als Mehrfachagent? Oder, wenn Ihnen sowas mehr liegt, gäbe es hier auch Mehrkörpersimulation? Da bräuchten’S halt eine intelligente und plakative Kommunikationsfähigkeit.

Hä: [Schaut.]

BB: [Schaut zurück.] A-ha. Also eher nicht. Vielleicht dann was, wo Sie sich auf nur ein Thema konzentrieren? Zum Beispiel Spartenverantwortlicher Wasser?

Hä: [Schaut und murmelt.]

BB: Wie? Nichtschwimmer? Und beim Seepferdchen beinah ersoffen? Dann ist das vielleicht doch noch nicht das Richtige. Dann lassen wir das mit dem Data-Steward am besten auch gleich bleiben, nicht, daß der Arbeitsplatz am Ende noch ein Kreuzfahrtschiff ist, haha.

Hä: [Schaut.]

BB: [Bedauert, daß sein Witzle nicht ankam, läßt sich aber nichts anmerken und scrollt weiter. Hält an, liest, schüttelt den Kopf, liest nochmal, grinst.] Jetzt, glaub ich, habe ich den idealen Job für Sie. Demütigung der Sekretärin*. Na?

Hä: [Schaut nicht einmal mehr.]

BB: Ja. Nein. [Kopfschüttelnd und beiseit:] Da muß ich doch a mal ein ernstes Wort mit der IT-Abteilung reden… [Wieder an Hä gewandt.] Aber wo wir gerade quasi eh im Bett sind, haha, hier könnten Sie’s zum Manager Bedding & Pillow bringen, gesetzt den Fall, Sie schreiben modern und fehlerfrei und außerdem, seh ich noch, Telefonbeherrschung ist Bedingung. Na?

Hä: [Schaut und murmelt.]

BB: Wie bitte?

Hä: [Murmelt.]

BB: Ah so, Sie wollen unter sich keine Sklaven sehen und über sich keinen Herrn? Also, leicht machen Sie’s mir mit so einer Haltung auch nicht gerade.
[Greift sich an den Kopf, tut sich ein bißchen leid, verharrt, nickt einmal, nickt noch einmal und wendet sich mit breitem Strahlen an Hä.] Haben Sie ein Glück! Gerade ist ihre Traumstelle hereingekommen, da können Sie heute noch anfangen. Wir suchen zur Verstärkung unserer Abteilung Inbetriebnahme einen Inbetriebnehmer.
Auf geht’s! Dawai, Pronto, Move it, Jalla!

Wie üblich ist alles, was kursiv hervorgehoben ist, wörtlich einem Online-Stellenangebot entnommen.

 

* Da hat’s mich auch gerissen, da ist der Süddeutschen das “Erotik Highlight der Woche” irgendwie in die Stellenangebote gerutscht. Hat der Redakteur vielleicht ein bißchen zu viel “Secretary” geguckt… (s. http://imdb.to/1GelF02).

Neu im Kabarett – Lach und Schießgesellschaft “Wer sind wieder wir”

Das neue Ensemble, bestehend aus Caroline Ebner, Sebastian Rüger, Frank Smilgies und Norbert Bürger hat heute eine Voraufführung gegeben und wenn die paar winzigen Texthänger, kleinen Längen und Baby-Holperer weg sind, dann wird das am 27. Oktober eine sehr schöne Premiere und jede/r sollte hingehen und auch Spaß haben und mir hinterher bestätigen, daß Caroline Ebner eine ganz besondere Multibegabung ist und lässig ihre drei Männer an die Wand spielt.

Im Theater: “The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets”

The Black Rider ist Musik mit Schauspiel (direkt Musiktheater möchte ichs nicht nennen) von Robert Wilson, Tom Waits und William S. Burroughs, ganz frei nach dem Freischütz. Ich war diese Woche zur Wiederaufnahme ins Metropol-Theater in Freimann geladen*, zur Inszenierung des Metropol-Hausherrn Jochen Schölch mit einer sehr starken Besetzung. Pars pro toto seien genannt Christian Baumann, den ich, auch wenn der Rollenname “Oheim” lautet, hinfort “Mephisjokeles” zu nennen beliebe, Viola von der Burg, die klingt wie ein Waits-Imitator, der morgens mit drei, vier Fäßchen Single Malt gurgelt, um anschließend zum Frühstück eine leckere Cohiba auf Lunge zu rauchen und den Rest des Tages in ihrem Blues zu schwelgen und Andreas Thiele, der einfach alles kann und das besonders gut.

Diese Inszenierung war mein erster Schwarzer Reiter. Ich kann nicht beurteilen, was andere besser oder schlechter oder simpel anders machen, aber das, was ich da im Metropol gesehen habe, hat mich schwer beeindruckt und mir ganz ganz gut gefallen. Ich tät auch gerne sagen: gehet hin und schauet, allein, es scheint, als wären alle Vorstellungen für diese Saison bereits ausverkauft.

Was bin ich doch für ein Glückskind!

* Das sind die Momente, wo ich mich immer freue, daß ich schon ein halbes Jahrhundert alt bin. Die Karten waren nämlich ein nachträgliches Rundgeburtstagsgeschenk und Matthias hätte kein besseres finden können. Auf manche Dinge lohnt es sich einfach zu warten. Dankerscheen!

Same old, same old*

Im Gegensatz zu Kalifornien, wo der Gesamtmensch im One-Stop-Für-Alles-Beauty-Salon aufgehübscht wird, herrscht in München strengste Gewaltenteilung. Für Haareschön sind die Nachfahren der Osmanen zuständig, für Finger- und Zehennägel sowie Teint Tipis Girls (s. https://flockblog.de/?p=27547). Ich fühle mich wie an der US-Westküste: ein winziger kleiner fensterloser Laden (sowas nennt man dort “Hole-in-the-Wall-Place”) im Stachus-Untergeschoß, dekoriert mit Vasen voller künstlicher Orchideen, Winkekatze, einem kleinem Altar mit Opfer-Äpfeln und Räucherstäbchen, vielen kleinen Fläschchen mit bunten Lacken, Tuben, Spraydosen, Schälchen, Bäusche, Zeugs sowie feingliedrigen Dämchen, die malerisch auf Sitzgelegenheiten herumlümmeln und miteinander schnattern.

Zu so früher Stunde ist die Kundschaft noch rar gesät. Außer mir. Prompt hat Sechsminutenzufrühkommerin Linh die Machderfraudiefüße-Karte gezogen und schnibbelt, schrubbt und werkelt an meinen Zehen herum, während Trinh, Thom und Truc (neiiin, nicht “Tick, Trick und Track” denken. Nein!) dekorativ wie kleine Kätzchen gähnen, sich strecken und durcheinander maunzen. Linh beendet ihren Service nach knapp einer Viertelstunde (sehr gut!) mit ein paar kräftigen Schlägen gegen die Fußsohlen und drängt darauf, daß ich zügig zahle und den Laden verlasse.

Als ich mich beim Rausgehen umdrehe, lümmelt sie schon mit. Sehr kalifornisch.

* In Amerika sagt man, “Same old, same old” sei die für einen Asiaten typische Antwort auf die Frage “How are you? / How have you been?”. Die Metabotschaft ist, daß nix los war, es nix neues gibt und daß das gut ist.

Wunderkisten

Am Freitag war der Bremerhavener Zoll wohl doch meines Containers überdrüssig geworden und hatte ihn mit ungebrochenem Siegel zur Verladung auf den Zug und Fahrt nach München freigegeben. Und so traf es sich, daß ich meine Kartons, Kisten, Möbel gestern kurz traf, bevor sie in ihr Lager in Forstenried einzogen. 3. Stock, mit Lift und Aussicht aufs Industriegebiet – für meine Sachen ist mir nichts zu schade. Ich hatte mir ausbedungen, vor dem Verräumen noch in die Kleiderkartons zu schauen, um meine Hier-ist-es-aber-kalt-brrrhhh-Garderobe mit warmen Jacken, Schuhen, Pullovern zu ergänzen. Das wäre sicherlich auch eine leichte Übung geworden, hätten nicht die amerikanischen Einpacker jeden Karton, der auch nur entfernt Tuche, Stoffe, Textilien enthielt, mit “Linnen” (Bettwäsche) beschriftet. Wäre ich jemand, der gerne bei schneidendem Ostwind in einer zugigen nicht überdachten Einfahrt dick verpackte “Linnen”-Kisten, Kasten, Körbe aufritzte, um herauszufinden, was wirklich in ihnen verborgen ist, hätte ich bestimmt einen Heidenspaß gehabt. Mit zunehmend steiferen Fingern und großem Frust angesichts des Anblicks luftiger Kleider, T-Shirts, leichter Jäckchen und doch, ja, dem einen oder anderen Laken hielt er sich jedoch in Grenzen. Glücklicherweise bin ich zwischendrin doch noch fündig geworden und habe einen molligen Anorak mit Fleecefutter (das Modell “Fisherman’s Wharf” für den wagemutig leichtbekleideten San Francisco-Touristen), ein paar langärmelige Pullis und alle meine Rage-against-the-Klimaanlage-Strickjacken eingesackt. Im wahrsten Sinne des Wortes übrigens, denn ich war mit dem besten Transportmittel der Neuzeit, nämlich stabilen Gartenabraummülltüten angereist. Wo allerdings meine Schuhe und Stiefel abgeblieben sind, wissen die Götter bzw. ihr Bodenpersonal, die San Franziskaner Packer.

Die Münchener Umzugshelfer und ich haben gestern herausgefunden, daß ich laut Packliste außer einer Unzahl an Bettlaken- und bezügen offensichtlich ebenfalls über mehrere halbmannshohe und sauschwere Kisten voller Weingläser (ich kann mich bestenfalls an eine Gesamtzahl von 15 Gläsern (nicht Kartons!) erinnern) sowie angeblich wenigstens sieben Großkartons “pots and pans” (Töpfe und Pfannen) verfüge. Das Auspacken wird wie Weihnachten werden. Höchstwahrscheinlich wie Wichtelweihnachten mit Geschenken von zwangsverpflichteten Weihnachtshassern.

Es kann natürlich auch sein, daß mein nächster Karriereschritt die Eröffnung einer Frühstückspension ist.

Lesung: Jonathan Franzen

Die “Herkulessaalweihen” habe er mit seiner nunmehr dritten Lesung in München erhalten, lächelt Franzen die ca. knapp 1,300 Besucher seiner Lesung aus “Purity”/”Unschuld” an. Und unterhält sein Publikum mit ein paar Schnurren aus dem Leben eines Schriftstellers und Vogelbeobachters, ein paar liebevollen Kabbeleien mit der Frau Literaturprofessor aus Tübingen, die mit leicht schwäbelndem Zungenschlag den Abend moderiert sowie mit Vorlesen. Auszüge aus den beiden ersten Kapiteln auf Deutsch, wobei der sehr hübsche Versprecher von der “Alpentraum-Mutter” fällt, den sehr stimmigen Dialog zu Beginn des dritten Kapitels auf Englisch, in verteilten Rollen und breitem Texan Accent.

Jürgen und ich waren uns einig, daß Franzen zu seiner öffentlichen persona gefunden hat: leicht nerdig, a bissele schüchtern aber dabei liebenswert und unarrogant gescheit. So einem hört man gerne zu. Und so einer tut einem recht von Herzen leid, wenn man sieht, daß sich mindestens ein Drittel der Anwesenden zur “Signiere-mir-mein-Buch”-Schlange formt.

Da waren wir aber schon wieder auf dem Weg zum Odeonsplatz, vorbei an einem großen Polizeiaufgebot und den in den Hofgarten zurückdrängenden Pegidavögeln.

Bravo, Kalifornien

Neulich hat der kalifornische Gouverneur Jerry Brown Gesetz 1448 unterzeichnet, eingebracht von Assemblymember Patty Lopez zum Thema “Personal energy conservation: real property restrictions”. Was das heißt? Das bedeutet, daß jetzt jeder, selbst, wenn er in einem Appartmentblock, einer “Gated Community” oder dergleichen wohnt, seine Wäsche draußen, zum Beispiel auf dem Balkon, zum Trocknen aufhängen darf. Das war nämlich bisher vorboten, wg. nicht schön, unästhetisch und generell bäh und bot Vermietern einen legitimen Anlaß zur Aufkündigung eines Mietverhältnisses. Nun nicht mehr.

Manchmal, will es scheinen, beflügelt so eine lange Dürreperiode doch den gesunden Menschenverstand.

Sigmund F., übernehmen Sie

Man möcht eigentlich gar nicht ganz genau wissen, was in einem Unterbewußtsein vorgeht, das einen des Morgens mit der Ansage “Nächster Halt: Garnelenkäse” auf den Lippen erwachen läßt.