Ist das schon wieder ein Jahr her?

Man werde nun im Gedenken an seinen ersten Todestag den berühmtesten Titel Leonard Cohens spielen, leitet die Sprecherin heute früh auf Bayern 2 von den Paradise Papers zur Musik über. Ich richte mich innerlich auf das “Hallelujah” ein und bin baß erstaunt, als die ersten Töne von “Lover Lover Lover” erklingen. Wie ich eben recherchiert habe, basiert die Wahl des Titels auf der Statistik. Cohen sei in den deutschen Single-Charts nur ein Top-Ten-Hit “gelungen” (Quelle: Wikipedia), eben “Lover Lover Lover” im Jahre 1974.

Jedem seins, ich glaube, ich hätte auf die Zahlen gepfiffen und heute Morgen ein ganz anderes Lied aus den nächsten über 40 Jahren seines Schaffens gewählt. Und abends wieder ein anderes. So, wie wahrscheinlich jede/r für seine / ihre jeweilige Gemütsverfassung seinen / ihren ganz persönlichen Cohen-Favoriten hat.

Guter Grund

Er bedaure, beantwortet ein Geschäftskontakt meine e-mail, dass er mein Ansinnen abschlägig bescheiden müsse. Er sei leider nur normal ausgestattet und keine eierlegende Wolfsmilchsau.

Ja dann.

Hab mich nicht getraut ihm zurückzuschreiben, dass er bei den Tiererfindern für mich oberste Liga ist.

Bäääähhhh!

Feierabend. Pechdunkelrabenschwarze Nacht, dicker Regen und die Aussicht auf Bodenfröste in den tieferen Lagen. Ich weiß, ich weiß, alles ganz normal Anfang November in Regionen mit Jahreszeiten und seit Kindertagen bekannt – aber mögen muß ichs ja nun deswegen trotzdem nicht. Menno! Mein Bedarf an Winter wäre hiermit bereits gedeckt.

Und dann haunted mich seit Halloween auch noch diese hantige Erkältung (übrigens zu meiner Überraschung nicht vom selben Wortstamm); kein Wunder, dass ich gerade am Horizont keinen Silberstreifen, sondern eher mehr nur schneeschwangere Wolken sehen kann…

Neu am Kiosk

Klar. Man könnte das Titelbild der neuen Ausgabe von “Gun Digest” ausführlich analysieren. Dass die Herausgeber Kopf und Hirn offensichtlich zugunsten anderer Körperteile und soooo einem Schießprügel weggelassen haben. Man kanns auch lassen…

Gun Digest

Nimmer ganz neu im Kino: Kingsman – The Golden Circle

Die Kingsmen sind die Most British Agents seit Roger Moores James Bond, Anzüge und Schuhe in der Savile Row maßgeschneidert, gouvernantengedrillt in Manieren und Tischsitten, die Codenamen (Galahed, Lancelot etc.) von den Rittern der Arthur’schen Tafelrunde entlehnt, mit Waffen sowie anderen Gadgets vom schottischen Gottvater aller Qs (Codename: Merlin) ausgestattet und mit dem schwarzem Humor vieler Jahre sehr splendid isolation.

Achtung: Spoiler!

Nach Samuel L. Jackson im ersten Teil ist der Gegenspieler der arg reduzierten Kingsmen-Mannschaft dieses Mal Julianne Moore, der Welt führende Drogenproduzentin, die sich in ihrem geheimen Hauptquartier im Dschungel einen 50er-Jahre Vergnügungspark namens Poppy-Land eingerichet hat (Gratulation an die Ausstatter des Films) und mit einem ganz bösen Schurkenplan (“Legalisiert alle Drogen. Sonst sterben alle Menschen, die aktuell welche genommen haben, einen furchtbaren Tod.”) endlich ihre rechtmäßige Führungsrolle unter den Industriemagnaten der Welt einnehmen will. Poppy hat die Rechnung aber ohne die Zusammenarbeit der Kingsmen mit den “Statesmen” (sic!) gemacht, der kolonialen Schwesterorganisation in Kentucky, USA, deren Mitglieder so klangvolle Namen tragen wie “Champ” (steht – natürlich – für “Champagne” und wird gewohnt dudig gegeben von Jeff Bridges), Tequila (der schöne Channing Tatum), Jack Daniels, Codename: na? Na was wohl? Genau. Codename: “Whiskey” (Pedro Pascal) sowie deren einzige Kollegin “Ginger Ale” (Halle Berry, aber mit Brille und Laborkittel, damit keiner merkt, dass sie eigentlich eine gutaussehende Frau ist). In der traditionellen Deep-South-Distillery-Agentenwelt taugen (noch dazu schwarze) Frauen, auch wenn sie mehr technische Begabung und Ausbildung haben als alle männlichen Kollegen zuammen, halt mal nur zum alkoholfreien Whiskeyverdünner. Sorry, Honey.

Und so schlagen sich Amerikaner und Briten in einem lustigen Feuerwerk von Klischees* gemeinsam durch Gladstonbury (Festival, junge Menschen, Drogen), schneebedeckte italienische Gebirge (Gipfelfestung, Gondeln, G’führiger Schnee, juhee!) und schließlich zum Show-Down im erstaunlich Lara-Croft-freien kambodschanischen Tempeldschungel. In der Nebenhandlung entpuppt sich der amerikanische Präsident als ganz grausam bigotter engstirniger Hinterwäldler, der nur zum Schein mit Poppy verhandelt, weil die Menschen, die gerade weltweit an Poppys Drogen verrecken, selbst schuld sind. Sie hätten ja auch, Grüße an dieser Stelle von Nancy Reagan, einfach “No” sagen können. (Die Internierungslager in den großen Sportarenen Amerikas sind dem Ausstattungsteam übrigens sehr bedrückend gelungen. Kompliment!) Dann darf die Pyrotechnik ran und um sowas von kurz vor Zwölf gewinnen die Guten. Anschließend Hochzeit mit der Prinzessin.

Jau. Alles. Kitsch. Klischee. Keine Figur entwickelt sich (braucht sie auch nicht, gibt ja nur gut oder böse), überraschende Wendungen sind von gaaaanz langer Hand vorbereitet und tun keinem mehr weh, wenn sie denn kommen. Kingsmen ist einfaches simples Popcornkino und will nur unterhalten. Und das tut es. Genau wie Bond. Kinogehen muß nicht sein. Das ist so ein richtig guter Film für Schlechtwetter und Chips aufm Sofa.

 

* Die Klischees zähle ich jetzt nicht einzeln auf, das würde zu weit führen. Nur mal so als Beispiel: Ami = Peitsche, Kautabak, Oberlippenbart. Reicht, oder? Den Rest bitte selbst erspielen.

Herbstreise 2017 – Heimreise

Die Geburtstage sind im Kreise der Familie gefeiert (vier Generationen sind das inzwischen, alle Wetter!), wir haben einander auf den neuesten Stand der jeweiligen Leben und den elterlichen Haushalt hinreichend durcheinander gebracht, es wird Zeit für die Heimfahrt.

Ein Wahnsinnsnachmittag!

Strahlender Sonnenschein (Einmal. Ein einziges Mal habe ich meine Sonnenbrille nicht dabei. Ty-pisch!), unsere Steuereuros sowas von an der Arbeit (will heißen, die A6 besteht aus einigen wenigen Verbindungsstrecken zwischen langen, langen, sehr langen Baustellenabschnitten) und trotzdem ist alles gut. Denn über allem liegt ein Licht, ein unglaubliches wunderschönes Licht, das im Laufe der Fahrt die Welt vergoldet und als das Gold nach und nach zu dunklem Honigbernstein wird, übt sich der gerade aufgehende Demnächstvollmond im Grauschleiertanz mit ein paar Wölkchen und auf Bayern 2 läuft das Feiertags-Feuilleton mit dem Thema “Ewiges Licht” und der Verkehr ist gerade noch undicht genug, als dass ich diese Lichtinstallation bis zum Zwielicht und der danach hereinbrechenden Dunkelheit voll auskosten kann.

Trotzdem wärs mir wie immer lieber, Allersberg sei schon Allerhausen und ich eine Stunde eher daheim.

Mehr Mitbringsel

Paul hat mich mit dem “Satanischen Tempel” (Not to be confused with Church of Satan!) bekannt gemacht, einer Organisation, der es gelungen ist, als religiöse Organisation anerkannt zu werden und die sich, gemäß der englischen Wikipedia-Seite, als American political activist versteht und für die Rechte von Kindern, LGBT, Frauen, Schwarzen und anderen Minderheiten engagiert (http://bit.ly/1pDrxbj)*. Und was genau tun die da?

Neulich in Texas zum Beispiel, einem Bundesstaat, in dem es in Schulen immer noch erlaubt ist, Kinder körperlich zu “züchtigen”, ließ der Satanische Tempel diese Billboards aufstellen.

ChildrenSatanBillboardRivers

Es reicht, sich auf der Website des Tempels zu registrieren (eine Mitgliedschaft ist ausdrücklich nicht Bedingung), um dessen Rechtsbeistand zu bekommen, sollte man nun als Kind oder Jugendlicher gegen dieses Vorgehen in seiner Schule gerichtlich vorgehen wollen.

Na dann: Hail Satan!

 

* In der deutschen Übersetzung wird daraus wundersamerweise eine satanistische Organisation (http://bit.ly/2hzY94J), wobei im Anschluß die humanistische Zielsetzung doch wieder detailliert erläutert wird.

Herbstreise 2017

Am letzten Tag im Oktober wars,
die Tage wurden trüber,
da reist’ ich, wie jedes Jahr um die Zeit,
mal wieder nach Schwaben hinüber.

Und schon sind die an Heine angelehnten schönen Jamben perdu und bevor das noch peinlicher wird, dichte ich fortan lieber in Prosa weite.

Gestern morgen waren der Corolla und ich schon um 08:00 Uhr früh frisch betankt bzw. koffeiniert auf der Autobahn, unterwegs um die elterlichen Geburtstage zu begehen und die Fahrt schickte sich an, eine wundervolle Herbstreise zu werden, mit einer Sonne, die sich im Rahmen ihrer endoktoberlichen Fähigkeiten sehr bemühte, die morgendlichen Nebelschwaden von den Feldern im allgemeinen und den Reif von der Alb im besonderen zu brennen, letzten Blättern, die sich in allen Gelbtönen noch an Äste und Zweige klammerten und Lustigesimwindrauschen vorgaben, einem Sonnenblumenfeld am Wegesrand, in dem sich die happy few in egal welche Richtung streckten (von irgendwo kommt irgendwann ein Lichtlein her) – also alles in allem eine Art fröhlicher Endzeit, grade so recht passend zum 500-Jahre-Thesennageln-Sonderfeiertag.

Es ging flott und im wesentlichen anderautofrei dahin, bis ein Schild darauf hinwies, dass ich nicht an der übernächsten Ausfahrt abfahren solle, wie sonst immer, sondern wegen einer Straßensperrung und nachfolgender Umleitung, schon jetzt hier an der nächsten. “Kein Problem”, dachte ich mir noch, “mach ich glatt, die sind alle von hier, die wissen schon, was sie tun”, also den Schildern gefolgt und mich auf allerlei Irrwegen zu einem sehr surrealen Ausflug durch die Ostalb umleiten lassen. Durch Dörfle und Weilerle, durch Wädle und Feldle, über Stöckle und Steinle, auf Wegele und Pfädle, durch Schlatthölzle, Dollishäusle, Eichhorn, Kuderberg, Roßsumpf, Metzelgehren, Blümle, Reißenhöfle, Dauerwang, Schlangeleshalden, Lauchkling, Oberkolbenhof, Hugenbeckenreute, Käshöfle, Dinglesmad, Lix, Hasenhöfle, Saurenhof… und wenn sie nicht gestorben sind, dann verstecken sie heute noch die Umleitungsschilder und treiben Touristennavis in den Wahnsinn. (“Drehen Sie, wenn möglich, um. Nein, doch nicht. Ich glaube, da vorne ist eine Bundesstraße. Stürzen Sie sich mit Ihrem Fahrzeug in den Bach und überqueren anschließend die Stierwiese. Nein. Fahren Sie zuerst die Gänseherde um.” Usw, usf…) Und die ganze Zeit habe ich dabei zugesehen, wie mein bequemer Vorsprung, pünktlich zum Mittagessen um halb zwölf anzukommen, bitterlich schrumpft und dabei kontempliert, dass hier überall Menschen leben, die Gardinen häkeln und fette Frösche für den Vorgarten töpfern und ihren Hamster zur Haustierschau im Zuchthaus begleiten und ihren Kleister beim Klebtomanen mit den irren Sonderangeboten kaufen und ich hier wahrscheinlich nie mehr wegkomme und eines Tages aus purer Notwehr oder im Hungerwahn auch anfange, aus Pappmaché Nager zu basteln und da: ein Schild nach Rosenberg.

Rosenberg kenne ich. Das kommt nach Ellwangen. Und die Straße, an der Rosenberg liegt, führt in die richtige Richtung und ist fertig gebaut und nicht mehr gesperrt (da waren die Umleitungsschildfopper im Sommer zu Gange). Dem Navi den Strom genommen, alle anderen Schilder ignoriert und kaum ein Viertelstündchen später passiere ich das Schild, das mir ein “Wiedersehen im staatlich anerkannten Luftkurort Rosenheim” verheißt. Nix da. Von wegen! Rückzus nehme ich die A6.

Mehr Besuch

Man wünscht sich ja immer, dass ein Gast sich fern der Heimat wohlfühlt, die Gesellschaft, die Gespräche, die eigens zubereiteten lokalen Speisen und Getränke (zugegebenermaßen nicht selbst gebraut) genießt und vielleicht auch noch was nach Hause mitnimmt, das nicht nur Hairibou, Tschocklett, Merssipain und Whitewörst in Dosen ist.

Bei Pauls letztem Besuch, an einem schönen Frühsommerwochenende, wars einfach: öfter mal in den Biergarten, eine große walking tour in downtown Munich sowie eine geruhsame Fahrt über die “scenic route” zum Starnberger See, dann durch Buchheims Museum der Phantasie schlendern und sich immer wieder auf einer der vielen Terassen auf Liegestühlen lümmeln mit Blick auf den blauen See im Sonnenschein sowie Bergpanorama. Einfach schön, a bisserl Kultur und a bisserl verrückt und Neuschwanstein und das Drängeln durch die dortigen Touristenmassen hatte ich mir in einem Aufwasch auch erspart.

Dieses Mal sind wir am Freitagabend ausgegangen und haben am Samstag gute Lebensmittel gekauft und nach einem langen Frühstück angefangen, Vorbereitungen fürs Abendessen zu treffen. Schwammerl wollten geputzt und geschnitten sein, ein paar Stangen sehr reifen Lauchs und ein Handvoll Schalotten unter Tränen gehackt werden und dann waren da noch die Laugenstangen aka FBK* in feinste Scheibchen zu zerlegen und – seit er beim Atzinger seine erste Dampfnudel gegessen hatte und der Mehlspeise verfallen war – ein Hefeteig (mit lebendiger Hefe, uiuiui) zu kneten, mit Vorteig und aufgehen lassen und wieder kneten und dazu die Eier für Pauls Spezialcustard zu trennen und zu schlagen und und und – also der Samstag war echt pickepackevoll, wir mußten all die guten Dinge irgendwann ja auch noch essen.

Was aber tun an naß-grauen Sehrnovembersonntag, an dem als Bonus nacheinander noch ein paar Stürme heulen und der Regen wie aus Kübeln fällt? Paul ist ein an Literatur, Geschichte und Politik interessierter Mensch, so einem hat München viel zu bieten, allein… Ich hatte mir schon Wochen vorher Gedanken gemacht, ob es opportun ist, einen Besuch in der KZ-Gedenkstätte in Dachau vorzuschlagen. Habe mich dann, wie gesagt, der Mann ist an Literatur, Geschichte und Politik interessiert, doch getraut und war nicht wenig erstaunt, dass ihn dieselben Überlegungen umgetrieben hatten, nämlich, ob es angemessen sei, dergleichen als Freizeitgestaltung als Gast in einem deutschen Haushalt vorzuschlagen.

Wir waren etliche Stunden auf dem Gelände und in den Ausstellungen unterwegs und haben, wie immer, lange nicht alles geschafft, aber irgendwann schließen die und wir mußten auch noch mal kurz nach Hause und in einen Satz trockene Kleidung wechseln, für die Jam Session in der Unterfahrt. Und Montagfrüh um 7:00 Uhr schon ging der Flieger zurück nach SFO.

Thanks for being here, Paul, even though we ran out of time again for all the things that haven’t been said and done this time. Looking forward to you coming back next summer. And yes, bring the family.

 

* FBK = Future Breznknödl