Sauviecher

Derzeit gibt es hier Stechviecher sonder Zahl und sie haben sich samt und sonders auf mich eingeschossen. Das ist neu und nicht schön. Aua.

Natürlich haben wir nicht daran gedacht, das schwedische Wunderantimückenmittel Mygga einzupacken (das wir in Schweden nie gebraucht haben, weil die vorhergesagte Mückenplage ausgeblieben war). Stattdessen hat mir Karin nun ein tahitianisches Blütenöl angetragen, das wirke bei den Pferden Wunder.

Schauen wir mal, heute Abend werde ich es auflegen und ausprobieren, ob den Viechern die Lust auf mein Blut vergeht, wenn ich nach tropischen Blüten dufte…

Another morning has broken

Morgens werden am Westhang von Karins Berg die Schafe von dezent bellenden Hütehunden (für eine klare Ansage “nicht vom Weg abweichen, du Dummschaf” langt denen ein halblautes “Wuff”) auf die Weide getrieben und läuten dazu mit ihren Glocken. Davon wachen die Hähne in der Nachbarschaft auf und krähen alle miteinander ganz laut und durcheinander, damit keiner merkt, dass sie schon wieder den Sonnenaufgang verschlafen haben.

Es kommt vor, dass sich darauhin ein Mensch im Haus bewegt und manchmal nimmt Chico, der hiesige Hund, der für Haus, Hof, Grundstück sowie darauf befindliche Lebewesen die Alleinverantwortung trägt (s.u.),

Chico, schwer an seiner Verantwortung tragend

das zum Anlaß, sich von seiner Schlafcouch wegzubewegen. Nicht immer, allerdings. Wer aber die leiseste Regung im Haus registriert sind die Pferde (El Pony und Bibi), denn das bedeutet Frühstück und wird, wenn nicht prompt serviert, mit lautem Wiehern eingefordert.

Das wärs soweit vom Lärm hier oben. Außer, wenn das kleine gelbe Flugzeug heranknattert. Das gehört zu Cooperativa und sprüht die Oliveras der Mitglieder mit Zeugs gegen die aktuell wütende böse Olivenpest. Man muß den Spraypiloten schon bewundern: er verteilt sein Giftzeug zielgenau nur auf die Felder seiner Vereinszugehörigen. Die Bio-Bauern rechts und links davon kriegen kein Tröpfchen ab, egal wie windig es ist.

Ja, in Spanien ist der Glaube noch stark. Warum?

Nichtstun macht hungrig

Kurz nach 8 abends. Da kommen Menschen. Die haben Hunger. Die wollen was zu Essen. Das geht doch nicht! Nicht in einem Restaurant am Stadtrand von Algodonales. Nein. Nein. Nein. Vielmehr: No. No. No. Das findet auch Betsy und zischt uns aus dem Garten, wo der Wirt uns eher nachlässig einen Tisch zuweist (da oder dort, igual), dann aber doch die Lichterkette zwischen den Bäumen und die Musik anmacht. Betsy zischt weiter und kommt mit bedrohlich geweitenen Flügeln auf uns zu gestürmt. Weg da, Eindringlinge! Ich denke mit meinen Julius Cäsar (Wachgänse auf dem Kapitol) und schaue zu, wie es zweier Menschen bedarf, Betsy Richtung Stallungen abzudrängen.

Erst mal ein Schüsselchen Tremoços, das sind in Salzlake eingelegte Lupinenkerne, saulecker und unwahrscheinlich gesund. Man knackt sie ähnlich wie Edamame aus ihren Schalen. Und jetzt dringend aussuchen: Die Speisen sind handschriftlich und recht übersichtlich auf eineinhalb Din-A-4-Seiten aufgelistet. Wir bestellen die gesamte vegetarische Auswahl, ja, auch die gefüllten Auberginen, denn die Füllung, sagt man uns, sei Fisch, und bekommen einen Festschmauß. Tapa über Tapa über Plata erreicht den Tisch, eines besser als das andere. Nur beim letzten kommen uns Zweifel.. Das da unter der Käseschicht ist doch Hackfleisch? Hatten wir das bestellt? Ah, ganz weit unten versteckt sich ein Kartöffelchen. Jetzt. Das sind wohl die patatas nach Miriams Hausrezept. Sehr fein. Postres? No. Dann vielleicht Kaffee? Nein, Kaffee gibt es keinen. Die Maschine ist längst aus, schließlich habe man seit 12:00 Uhr mittags geöffnet und irgendwann sei auch mal gut. Zum Trost bringt der Wirt ein Fläschchen zuckrigen Likörs, der schmeckt wie Karamellbonbons und ist ein adäquater Ersatz für beides.

Als wir zum Bezahlen nach drinnen gehen, fallen uns an der Wand ausgesprochen schöne farbenfrohe Porträts schwarzer Frauen auf. Ja, die male seine Frau, Miriam, die eben noch so wunderbar für uns gekocht hat. Ob wir mal was sehen wollten? Eine Ateliertour, mitten in der Nacht? Ui! Klaro, laufen wir ihm hinterher. Es ist dann doch bloß das Klo, auf dem ein wunderschöner Akt (auch von Miriam gemalt) sowie zwei sehr leere Nägel hängen. Geklaut hätten welche die schönen Bilder seiner Frau. Einfach robado. Die neuen hänge man jetzt nur noch zu Hause auf. Hah! Muchas gracias (oder, wie man auf Andalou sagt: mucha gracia), Señor. Y luego.

Halb gelesen: Virginie Despentes – “Das Leben des Vernon Subutex”

Ich habs wirklich versucht. Alle Welt erzählt einem, dass dieser Roman ein Sittengemälde der heutigen französischen Gesellschaft sei und vergleicht Madame Despentes mindestens mit Balzac. Mich hat die Geschichte vom unaufhaltsamen gesellschaftlichen Abstieg des bankrotten Schallplattenhändlers Subutex nur gelangweilt. Und allein mir vorzustellen, dass dieses fade Nicht-Schicksal auf eine Trilogie ausgewalzt worden ist…

Ich breche selten mal ein Buch ab, aber bei dem hätte mich jede weitere Seite nur gereut. Falls es jemandem aus meiner Leserschaft gefallen haben sollte, bitte ich dringend um Erklärung, warum.

En la escuela

Es soll Menschen geben, die machen Ferien, um so richtig von Herzen faul zu sein. Habe ich heute auch getan, so richtig wie die Hiesigen. Erst mal Erholen nach dem Einkauf von Lebensmitteln (compras de comestibles). Also Mittagschlaf machen (Siesta), dann im Pool rumpaddeln (nadar en la piscina) und ein neues Buch anfangen, weil das alte mir auf die Nerven ging (dazu im nächsten blogpost mehr).

Damit mir das Hirn aber nicht wegschmilzt, bin ich abends mit Karin in die Schule gegangen und habe an einer Stunde teilgenommen, die ca. 5 Niveaustufen über meinen Kenntnissen lag. Jetzt sehe ich meine Spanischkenntnisse wieder mit wesentlich mehr Demut (humilidad)…

Herbstanfang

Bei 30° und vielen Sonnenstunden fühlt sich das gar nicht so schlimm an. Auch wenn man abends schon mal ein dünnes Baumwolljäckchen braucht…

Eviva España

Morgens um kurz vor fünf in der U-Bahnstation. Alle tragen Tracht. Bis auf Sabine, die trägt Koffer und ist sich absolut sicher, die bessere Option gewählt zu haben.

Ankunft in Sevilla. Erste Nachdenkerei: Mal abgesehen von den Wartezeiten am Flughafen, dauert die Anreise zu Karins andalusischem Berg von mir zu Hause aus genauso lang wie die in den Hunsrück. Und es geht genauso früh los. Weitere Ähnlichkeiten sind nicht vorhanden. Weil wir lernfähig sind, müssen wir dieses Mal kein Geld in ein superteures Taxi investieren, das uns zu unserem superbilligen Mietwagenmann weitab vom Schuß bringt und haben einen Verleih mit Repräsentanz direkt im Flughafengebäude gewählt. Auch behalte ich mein Handy in der Handtasche und verliere es nicht auf irgendeinem Flughafenklo. Alles gut also.

Die Fahrt nach Algodonales führt uns an lauter Déjà vus vorbei. Die Landschaft ausgedörrt, die Felder müdgelb-strohig kahl, die Rindviecher behörnt, die Schafe auch, hie und da qualmende Feuer – bloß der Himmel über der Sierra ist nicht, wie sonst immer, strahlend blau, sondern mit schweren Wolken verhangen und macht auf Drama. Soll er doch. Bei über 25° ist uns das so recht vom Corazón her wurscht bzw. chorizo. (Jaha, ich übe das, was ich für Spanisch halte.)

Ein gutes Stündchen später wipfelt am Horizont schon der schiefgewachsene Landmarkeneukalyptusbaum vom Gipfel und gleich hier rechts geht es huu-uuups den Berg hoch. Rumpel-di-Pumpel. Rumpel-di-Pumpel. Schlagloch nach Schlagloch. Einmal noch aufs Gas und mutig Rumpel- um die ganz steile Kurve di-Pumpel und wir sind da. Chico zerspringt beinahe vor Glück und bellt sich heiser, Karin darf uns auch irgendwann begrüßen, ist aber abgelenkt, weil sie gerade die diesjährige Olivenernte einzeln mit dem Hammer zerdeppert (das ist der erste Schritt der heiligen Wissenschaft des Oliveneinlegens und will mit gebührender Gründlichkeit vollzogen werden). Und weil wir ja schon mal hier waren und uns auskennen, macht dann jeder erst mal so seins. Der eine (Christoph) sagt “Hallo” zum Pool und läßt sich mutig zu Wasser (soviel Mut, wie man halt für 23° warmes Wasser braucht), die andere schlägt Oliven platt und ich bespiele den Hund. Jede nach ihren Fähigkeiten.

Dann essen wir unten im Ort dem “el canijo” die Speisekarte leer und ich freu mich wie eine reina de la nieve, dass mein Spanisch reicht, um zwei von drei Zuckerpackerlsprüchen zu übersetzen und den dritten immerhin mit Karins Unterstützung. Bedaure dabei allerdings zutiefst, dass die gute Mutter Theresa nur salbungsvolle Worte über die Bedeutung eines jeden einzelnen Tropfen Wassers im großen großen Meer absonderte. (“A veces sentimos que lo que hacemos es tan solo una gota en el mar, pero el mar sería menos si le faltara una gota”. ) Mir gefällt meine Übersetzung “Falte eine Ziege” für “faltara una gota” trotzdem besser. Werde das mal bei der hiesigen Sprachakademie als Verbesserungsvorschlag einreichen.

Zurück daheim auf dem Berg ist dann ist alles so, wie es Cindy und Bert, die großen Philosophen meiner wilden Jugendjahre, schon zu Zeiten besungen haben:

Das ist die spanische Nacht mit ihrem spanischen Duft
und so ein spanischer Klang liegt in der spanischen Luft
das ist der spanische Wein in einem spanischen Glas
den zapft der spanische Wirt aus einen spanischen Fass
Es muß Nacht sein, es muß Nacht sein und da muß viel Musik sein, Senor.
Es muß Nacht sein, es muß Nacht sein, dann kommt Spanien so spanisch dir vor.

(Wie gesagt, die Älteren werden sich mit Grauen erinnern, die Jüngeren mögen es googeln (Cindy und Bert: Malaga) und sich dann grausen.)

Buenas noches a todos und möget ihr auch einen Chico haben, der so gut auf euch aufpasst.

Oktoberfest?

Oder Andalusien?

So langsam wird mir die Fragerei zu blöde… Morgen um kurz nach 09:00 Uhr geht der Flieger. Und wie weiland Stephen summe ich seit gestern vor mich hin: Leavin’ on a Jet Plane…