
Eigenlob und Ansporn


…lockt mit gleich zwei Ausrufezeichen der amerikanische ZeitungshĂ€ndler, der es immer wieder bei mir probiert. Ich ĂŒberlegs mir.

Die gröĂte Gefahr, das Corona-Virus ĂŒbertragen zu bekommen, gehe derzeit von der möglicherweise entweichenden Luft in Luftpolsterverpackungsfolien aus. Wofern die solchermaĂen sorgsam umhĂŒllte Ware in PĂ€ckchen aus China komme. Oder Indien. Oder Italien.
Doch, das ist bestimmt wahr, das hat mir heute ein Mitarbeiter der Vermieterfirma erzÀhlt.
Wennst mi frogst: Ich glaube vielmehr, er ist von dem infiziert, was eine unbekannte Dame am Freitag auf dem Mannheimer Bahnhofsvorplatz “MĂ€nner-Corona” nannte.
Als ich heute frĂŒh vom Wecker in den Tag gebimmelt werde, habe ich den letzten Satz aus meinem Traum noch deutlich im Ohr: “Alternativen zu Bestand 3.”
Das hÀtte ich jetzt bitte gerne erklÀrt.
Forian Illies, Autor von “Generation Golf” und den Feuilletons der FAZ und der ZEIT, kurzer Stint als verlegerischer GeschĂ€ftsfĂŒhrer bei Rowohlt, ist nicht nur eine schillernde Figur der deutschen Kultur- und Literaturszene, sondern auch Buchautor, KunsthĂ€ndler sowie -historiker und Zeitungsherausgeber. Seinen “bislang gröĂten Bestseller” â1913: Der Sommer des Jahrhundertsâ aus dem Jahre 2012, habe ich jĂŒngst in einer Remittendenkiste gefunden und auf meinen lĂ€ngergestreckten Bahnreisen weggelesen.
Tja. Ja. Hmmmm. Also, schlecht ist das Buch nicht. Oder vielmehr… Hmmmm. Ja. Vielleicht sollte ich erst mal erzĂ€hlen, was es ist. Eine Anekdotensammlung ist es. Eine Art “Panorama-Seiten” wie in der Zeitung, aber ĂŒber mehrere hundert Buchseiten weg. Kleine Geschichten von Promis. Aus Kunst, Kultur, Literatur, Theater, Film, Wissenschaft. In SeebĂ€dern, Ateliers, Salons, daheim und auf Reisen. Dreiecksgeschichten, RivalitĂ€ten, saure Tage, frohe Feste. Erfolge, Niederlagen, Einzigartigkeiten und BanalitĂ€ten. Aus dem Jahr 1913, dem Jahr vor dem ersten GroĂen Krieg.
GroĂe Literatur ist das Werk nicht. Aber es muĂ eine ungeheure FleiĂarbeit gewesen sein, alle diese Geschichterln zusammenzutragen und sie so nett zu erzĂ€hlen. Dass ich das Buch trotzdem mehr gemocht als nicht gemocht habe, mag daran liegen, dass ich (fast) alle Protagonisten kenne. Sie sind alle Teil des Kanon an Kunst und Literatur, der meine Jugend geprĂ€gt hat. Und es hat irgendwie einen gewissen Charme, Klatsch ĂŒber die BrĂŒder Mann, den jungen Brecht, den zerissenen Trakl, den schimpfenden Tucholsky usw. usf. zugetragen zu bekommen.
Es gibt einen 2. Band “1913 â Was ich unbedingt noch erzĂ€hlen wollte: Die Fortsetzung des Bestsellers 1913”. Ich werds lesen wollen und hoffe auf die nĂ€chste Remittendenkiste – hab ja noch einige Bahnfahrten vor mir.
Im Innenhof der Anstalt scheint ein Ă€uĂerst paarungswilliger Amselherr zugezogen zu sein. In den höchsten Tönen trillernd singt er abends das Licht aus und schon frĂŒh, sehr sehr frĂŒh am Morgen den Tag herbei.
Die Abendlieder kann ich ja noch verstehen. Es wird dunkel, dann gut munkel und so weiter, doch, das entbietet nicht einer gewisse Logik. Aber in aller HerrgottsfrĂŒh? Wenn noch nicht einmal ein winziger Lichtstreifen am Horizont sichtbar ist? Das muĂ doch nicht sein, Herr Amsel. Damit wecken Sie nicht nur Vogeldamen, sondern auch Menschen. Unter anderem mich. Und mein Wochenendausschlaf ist mir heilig. So sehr ich Ihnen eine FamiliengrĂŒndung gönne, um die Zeit geht meine Ruhe vor, Sie Vogel.
Probieren Sie’s doch mal mit Tinder. Das ist leiser.
Absage einer Veranstaltung wg. Corona, “als reine VorsichtsmaĂnahme”. Und nun schau ich mir statt des Nachthimmels im Planetarium die lachende Sonne am schĂ€fchenwolkigen MĂ€rzenhimmel in Echtzeit an.
Bin gespannt, wie oft das noch vorkommen wird, bis die Seuche vorbei ist.
Warum kennt man (also mindestens meine Generation) die Mitglieder der Roten Armee Fraktion mit Vor- und Zunamen, TĂ€ter vom rechten Rand aber allenfalls mit Vornamen und der Initiale des Nachnamens?
Hat sich die Gesetzeslage zum Schutz der Persönlichkeit geĂ€ndert? Will man dem Vorbild der neuseelĂ€ndischen Premierministerin folgen, die sagte: “Er wollte durch seinen Terroranschlag viele Ziele erreichen, aber eines war Bekanntheit, darum werden Sie nicht hören, wie ich seinen Namen erwĂ€hne. Er ist ein Terrorist. Er ist ein Verbrecher. Er ist ein Extremist. Aber er wird, wenn ich spreche, namenlos sein.”
Ich frage, weil ich das wirklich nicht weiĂ und gerne verstehen wĂŒrde.
“Riiiiitaaaa, was kostet das Sagrotan?”

“Is egal. Is eh alle.”
Die Ansage nehmen wir doch gleich mal fĂŒr den 3. November auf Wiedervorlage.
