Neu auf Netflix – Enola Holmes

Mit einem Wort: Lovely.

Mit ein paar mehr Worten: Alle Versatzstücke enthalten, über die sich mein müdes Hirn nach einem anstrengenden Arbeitstag freuen wollte. Historienkostümstück, nette Geschichte und trotzdem nicht doof, good old Baker Street and the Holmes Boys, schöne Landschaften in schönem Licht, ein bißchen Steampunktechnologie, eine richtig böse alte Lady (Frances de la Tour), ein Touch Loriot (“The Viscount Tewkesbury, Marquess of Basilwether”), die großartig exzentrische Helena Bonham Carter, ein dickensianisches London, Suffragetten, ein fieser schurkischer Schurke mit Melone(Burn Gorman), eine Dampfeisenbahn, ein Landgut in der Größe einer Kleinstadt, hübsche Jungs (Henry Cavill, Burn Gorman, Adeel Akhtar), ein herrliches Kampfweib in Personalunion außerdem Teestubenbesitzerin (Susan Wokoma) und in der Titelrolle die ganz wunderbare Millie Bobby Brown, ein absolutes Ausnahmetalent und, ganz recht, man kennt sie das seltsame Experimentierkind aus Stranger Things. Mich erinnert sie an die ganz junge Jennifer Lawrence in Winter’s Bone. Dasselbe ausdrucksstarke Minenspiel.

Der Film schafft es, verspielt daherzukommen, eine ausgesprochen kluge Coming-of-Age- und Girl-Empowerment-Geschichte unterzubringen, gleichermaßen mühelos Geschlechterrollen zu sabotieren, sich kein Stück um das historische Setting zu scheren, sondern einen bunten und diversen Jux zu machen. Ein großer Spaß!

Zwei Stunden gut unterhalten. Sollte man anschauen.

Aus dem Vokabelheft

Dass Trump trumpt ist angesichts der Neigung der Angelsachsen zur Verbalisierung von Substantiven nicht überraschend. Dass Söder södert, habe ich neulich zum ersten Mal im Spiegel gelesen. Passt aber, und darum lasse ich es gelten.

Nur noch heute

… und dann ist es vorbei, das NOktoberfest.

Danke der Nachfrage. Für die paar Mal, die ich mich in den letzten beiden Wochen in München unter Menschen aufgehalten habe, kann ich mit Freude berichten: kaum Tracht und es hat mir nicht einmal einer auf die Schuhe gekotzt.

Ihr vielleicht. Ich nicht.

Winter is coming

Schlecht für die Baubranche (“Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr”), schlecht fürs Sozialleben (“Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben”), schlecht für den Schlaf (“Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben”), ganz übel für die, die sich auf der richtigen Seite von Mr. Martins Mauer wähnen – kurz: „nun naht der Winter unsers Mißvergnügens“*.

Ich habe vorhin viel zu viel meiner knappen Freizeit darauf verwandt, die dicke Daunendecke aus ihrer Sommerfrische zu holen und in behagliche Biberbettwäsche zu hüllen (flauschiges Flanell stand nicht zur Verfügung, wäre aber mindestens ebenso hübsch alliterativ gewesen) und die warmen Jacken mit den Pelzpuschelkapuzen auf den Balkon zu hängen, damit der Mottenschutzmief vom Wind verweht wird. Ehrlich, Kalifornien mit nur einem Satz Klamotten fürs ganze Jahr plus ein, zwei, drei Hoodies für wenns mal kühler wird war in der Hinsicht schon sehr viel mehr meine Gegend.

Zum Mitschreiben, in Großbuchstaben: ICH BRAUCHE KEINE JAHRESZEITEN! Schon gar keine mit einstelligen Temperaturen. Dauersommer am oberen Ende der 20°C-Skala reicht mir völlig. Erderwärmung, anyone?

* Im Original: “Now is the Winter of our Discontent”, Richard III, Shakespeare.

C-Schnipsel – Die “It is what it is”-Edition

# Herpes, Speisereste zwischen den Zähnen, Botox-Bluterguss? Kein Thema mehr. Liegt jetzt alles blickdicht hinter (oder besser unter?) der Maske.

# Die bestverkaufte Maske im Museumsshop ist das Motiv “Der Schrei” von Edvard Munch. Passt.

#
Wahrscheinlich, weil das Virus das Ziel auch nur noch verschwommen erkennt.

# 2020: Das Jahr, in dem der Begriff “Nahweh” geprägt wurde.

# Gibt es eigentlich eine Theorie, wonach es der Virenabwehr dient, wenn die Maske innen mit einer Fettschicht imprägniert ist? Ich hätte die junge Damen neulich fragen sollen, die ihren Mundschutz nach außen gewendet am Handgelenk trug, so dass die mindestens fünf verschiedenen Lippenstiftfarben der letzten Tage gut sichtbar waren.

# Wo sonst? Portland, Oregon; Palo Alto, California; London und Tokio – Der neueste heiße Scheiß sind Maskenverkaufsautomaten. Quasi Spätis für Vergessliche.

# Schlechte Zeiten für Fluggesellschaften, im 2020-Sprech Schrumpfhansa.

# Schlechte Zeiten für Filmpreisverleihungen, im 2020-Sprech Pandemmys.

# Schlechte Zeiten für Fußgängerzonen, im 2020-Sprech “SBZ”, Schnauzen-Bedeckungs-Zonen.

# Es muss wahr sein. Es stand in der Zeitung:

# Helene Fischers Weihnachtsshow ist abgesagt. Zum ersten Mal seit 2011. Was tut die Nation nun am ersten Weihnachtsfeiertag? Ich für meinen Teil binge-watche in den stillen Tagen recht gerne dystopische Fernsehserien und kann das nur empfehlen.

# Bei den vielen Wortschöpfungen in der letzten Zeit geht halt auch mal eine daneben:

# Noch mehr Arbeitslose in den USA: Mall Santas (Männer, die sich dafür verdingen, dass sie im Weihnachtsmannkostüm im Einkaufszentrum für Fotos mit klebrigen Quengelkindern posieren), fürchten wohl nicht zu Unrecht, dass ihre “Gigs” dieses Jahr ausfallen.

# Für die Kreativen unter uns haben die Götter waschfeste Textilmaltstifte erschaffen. Was man nicht alles auf Masken malen kann, wenn einem die Zeit lang wird. Online machen lassen geht auch.

# Covidioten gibts ja schon, seit es Covid gibt. Jetzt fordert ein Autor eigenverantwortliches Denken und Handeln im Namen der Covintelligenz ein. Könnte sein, dass er damit ein bisschen zu spät dran ist.

# Kunst im Zeitalter von Corona

Im Auge der Betrachterin

Möglicherweise liegt es am blauen Traktorreifensockel, dass mir bei dieser Skulptur vor dem Emmelshausener Gemeindezentrum immer ein Sexshop für alle Varianten des erotischen Spektrums in den Sinn kommt? Wahlweise Virus-Allegorie.