Osterferien

Soho. Gänge gegangen, Einkäufe eingekauft, Besorgungen besorgt, Ärzte besucht, Erledigungen erledigt, Wäsche gewaschen, Backekuchen gebacken. Eigentlich könnte der Urlaub jetzt anfangen. Wenn da nicht noch solche Dinge wären wie Steuern erklären, Schränke und Keller auf Entrümpelgut prüfen, außerdem noch Dies und Das sowie Jenes und Selles.

Das mache ich aber erst, wenn das Ferienwetter schlecht wird. Also morgen. Oder übermorgen.

Auf Netflix: Pan-Am

Jetzt, wo ich mir ein paar Nächte damit um die Ohren geschlagen habe, in junge, frische, hoffnungsfrohe, Nichts-ist-unmöglich-wenn-du-es-nur-wirklich-willst-Gesichter (Super-Casting!*) zu schauen, kann ich mit Fug und Recht sagen, die Serie funktioniert nach 10 Jahren immer noch und hat ihre Preise verdient. Was sie nicht verdient hat, war die auf die Ankündigung, dass es keine 2. Staffel geben wird, sehr arg angeflanschte Wir-lösen-im Dreiminutentakt-alle-Irrungen-und-Wirrungen-auf-einen-Sitz-auf-14. Folge. Aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll.

Pan-Am ist gut gemachte Unterhaltung. Genau der richtige Mix zwischen individuellem Drama (kriegen sich Pilot/reicher Erste-Klasse-Passagier und Barbie-Stewardess?), Zeitgeschichte (JFK, MLK, Kalter/Warmer Krieg, Beatles-Mania und und und…), Spionage-Thriller (kein idealerer Kurier als die vielreisende hübsche Flugbegleiterin), Modenschau (was nicht alles in die kleinen Koffer passt, meine Fresse), Rassismus (der schwarze Marine okay genug als Kriegskamerad, aber nicht als Gast bei der Hochzeit im Country Club), Nicht-Hetero-sexueller Orientierung (lesbisch ist, wer andere Frauen auf den Mund küßt), Sexismus, Hüftgürtel und die Anfänge einer Frauenbewegung sowie allem, was einem zu den frühen Sechziger Jahren noch einfällt. Damals, als Amerika im kollektiven Narrativ noch eine große Nation war, jeder ein Haifischflossen-Cabrio fuhr und das letzte zu entdeckende Neuland auf dem Mond lag.

Kann man ansehen.

* Besonders hübsch: Margot Robbie in ihrer Vor-Harley-Quinn-Phase als (sehr) Naive Blonde.

Gelesen: Jeff Lemire – “Frogcatchers”

Und wieder geht es in einer Graphic Novel eines der begnadetsten Autoren dieses Genres unserer Zeit um Sterblichkeit und Sterben und wieder sollte auch dieses Werk ganz dringend gelesen werden.

In Kanada ist ein großer Teil von Lemires Schaffen längst Schullektüre, da sollte es doch möglich sein, dass der eine oder andere Band es hierzulande wenigstens auf einen Nachttisch schafft?

Gerade vorhin in der Unterfahrt: Nico-Theo Quintett

Danke dem Unterfahrt-Team, wie immer, für den Stream. Und der Band für dieses wunderschöne Konzert!

Aber ich hab diese Konservenmusik so langsam so derartig satt. Ich will wieder ausgehen. Mit einem Grund und einem Ziel!

Und wenn ich das Wort “Impfangebot” noch einmal höre, dann werde ich böse. Ich will kein Angebot. Ich will einen Termin und Impfstoff im Arm. Zefix!

Gelesen: Margaret Atwood – “Hag-Seed”

So ein schönes Buch! So ein großer Spaß! Selten so viel gelacht!

Aber von Anfang an: “Margaret Atwood?”, werden aufmerksame Leser*innen sagen, “Margaret Atwood, ist das nicht die, von deren Düster-Dystopien du immer sagst, dass wir sie lesen sollen…? Und die, sagst du, hätte jetzt mal schnell das Genre gewechselt und schreibt Unterhaltungsliteratur (was man sich immer wie von Reich-Ranicki ausgespuckt gesprochen vorstellen muß)? Ausgerechnet die?”

Yes, Mesdames et Messieurs, Ladies and Gentlemen, meine Damen und Herren. Si, si, si, oui oui oui, ja, ja, ja. Und wie!

Und auch hier von Anfang an: Im Jahr 2013 hatte Hogarth Press (Penguin Random House) das “Hogarth Shakespeare project” ausgerufen, einen Versuch, Shakespeare für das Publikum des 3. Millenniums “neu” zu erzählen und dafür bekannte Autor*innen unter Vertrag genommen. Deren Auftrag war, sich ein Stück aus dem weiten Schaffen des Barden zu wählen und zu produzieren, was Graham Wolfe “theatre-fiction” nennt. Inzwischen scheint das Projekt eingeschlafen zu sein, aber glücklicherweise nicht bevor Ms. Atwood die Welt mit ihrer neuen Lesart des Sturms (The Tempest) beglückt hat.

Ich kenne das Stück rückwärts, habe es schon oft gesehen und kann die wichtigsten Zitate halbwegs im Zusammenhang aufsagen, selbst, wenn man mich dafür morgens um drei wachrütteln würde. Aber ich habe noch nie zuvor eine so brillante Analyse gelesen und noch nie soviel Freude bei einer Lektüre über ein Theaterstück gehabt. Ms. Atwood kennt den Theaterbetrieb in- und auswendig, kennt alle Macken, die Schauspieler*innen und Regisseur*innen haben können und gerne ausleben, macht sich daraus einen Riesenjux und dass sie schreiben kann, ist nichts Neues. Wie und was sie nun aus dieser verschachtelten Story macht? Erzähle ich nicht. Empfehle aber aus vollem Herzen: Lesen! Lesen! Lesen! Lesen!

Her mit dem Nobelpreis, oh verschlafenes Kommittee in Stockholm!

An die Theaterschaffenden in meinem Freundeskreis: das Buch ließe sich sehr schön für die Bühne adaptieren. Ich hätte da schon ein paar Ideen.

PS: Jo Nesbø hat sich des Macbeth angenommen. Ist schon auf meiner Leseliste. Ich werde berichten.

Tokio Hotel, adieu!

…wie die Titanic in ihrer Märzausgabe in einem Brief an den Leser Bill Kaulitz schadenfreudig feststellt.

Denken Sie sich nix, Herr Kaulitz. Ich kenne da eine ganz reizende Frau Wirtin im Hunsrück. Da kommen Sie gut unter.

Gelesen: Akwaeke Emezi – “Pet”

Heldin Jam wächst in einem liebenden Künstlerhaushalt-Elternhaus auf. Sie ist intersexuell, hat eine Sprech-/Hörbehinderung und einen widerspenstigen Afro – diese Elemente braucht die Autorin, um zu demonstrieren, wie frei von Diskriminierung die Gesellschaft ist, in der sie lebt. Das war “früher”, noch vor etwas mehr als einer Generation, anders, aber dann kamen die “Engel” und vertrieben die “Monster” und jetzt sind Mißbrauch, Miß- und Ungleichbehandlung oder Benachteiligung wegen Hautfarbe, Abstammung, Geschlecht / Gender, Sprache, etc. pp. Geschichte.

Oder?

Natürlich nicht. Sonst hätte es keinen Grund gegeben, diese Parabel, denn nichts anderes ist diese Erbauungsgeschichte, zu schreiben. Emezi ist großartig, wenn es um die Beschreibung von Sinneserfahrungen geht. Dabei erfindet sie Bilder, die zum Beispiel das Hören ganz neu erfaßbar machen. Der Rest ist nicht so toll. Die Geschichte ist, wie leider häufig, wenn etwas extragut gemeint ist, nicht wirklich gut gemacht. So vorhersehbar, dass sie schnell langweilt. Da reißt dann auch die schöne neue Sprache nichts mehr heraus. Die Kritik hat sich vor Begeisterung schier überschlagen, ich kann diesen Jubel nicht nachempfinden und schon gar nicht teilen. Muß nicht gelesen werden.

(Wie Parabel gut geht, haben wir erst jüngst bei Octavia E. Butler gelernt. Deren Werk hingegen sollte jede/r lesen!)

Herzlichen Glüchwunsch!

Wie ich der Wochenendeausgabe der SZ entnehme, begehen wir heute den Ehrentag der Verachteten unter den Pflanzen.

Inzwischen ist schon so lange Pandemie, das mir selbst das einen blogpost wert ist.

Risiken und Nebenwirkungen, Nr. 4

Heute zum ersten Mal seit Wochen mit jemandem telefoniert, die auf meine Feststellung “In der Pandemie haben alle meine Socken* Löcher bekommen” nicht mit einem zustimmend-überraschten “Ja, meine auch” reagierte. Es scheint, dass die Pandemie in ihrem Landkreis nicht ganz so arg wütet.

* Wäre der Plural “Söcker” nicht viel schöner?
Und so passend: “Söckerlöcher”.