… ist Ruh’

Vor Ostern fing es im Luftschacht meiner Küche an, solchermaßen laut zu rauschen, dass ich mich des Eindrucks nicht mehr erwehren konnte, jemand habe seinen Dunstabzug auf volle Kraft gedreht. Allein, ich wars nicht und der Krach unerträglich.

WofĂĽr, habe ich mich gefragt, werfe ich dieser Immobiliengesellschaft monatlich einen hohen Mietzins in den Rachen, wenn ich dieses Problem nicht zu deren Problem mache? Also kam heute frĂĽh um sieben der Hausmeister vorbei, um sich das “mal anzusehen”. Nein, erklärbar fand er das Phänomen auch nicht, wuĂźte aber, wie man den Schacht verschlieĂźt. Ruhe. Sehr pragmatisch gelöst, sehr schön.

Ich sei das doch auch, die im Gang die Zettel wegen des Piepens (s. https://flockblog.de/?p=44413) ausgehängt habe, oder? Er glaube ja, dass da jemand einen defekten Rauchmelder auf dem Balkon entsorgt habe. Also standen wir im Schneetreiben auf meinem Balkon, lauschten Vögeln und warteten auf das Nervgebiepe des Renegade-Brandmelder, das mich seit nunmehr Wochen zuverlässig alle Nase lang belästigt.

Heute frĂĽh um 11:00 Uhr meldete er Vollzug. Der Renoviertrupp, der hier gerade durchs Haus zieht, habe die wohl in einer leeren Wohnung zum Streichen abgeschraubt und dann auf dem Balkon liegen lassen, wo er sie nun entfernt habe.

Ruhe. Nur noch Vögel, die zwitschern, keine andere Bieper mehr. Ein echter Meister seines Fachs, der Herr Hausmeister! Vielen Dank!

Gelesen: Matt Haig – “Die Mitternachtsbibliothek”

Ein Roman wie ein Selbsthilferatgeber.

Wer’s noch nicht gewuĂźt haben sollte, erfährt, ebenso wie die nach vielen Schicksalsschlägen endlich suizidale Heldin (die im Limbo zwischenlandet, einer Bibliothek mit unendlich vielen grĂĽn gebundenen Bänden, die ihre möglichen Leben enthalten): das Wichtigste im Leben ist nicht Erfolg, Geld und Gut, noch nicht einmal Familie (immerhin schon sehr nah dran) oder Sinn (auch), sondern Potential. Hah! Dann ist die Welt deine Auster. Oder so.

Ein solcher gequirlter Banalitäten- und Binsenweisheitenmist ist mir noch nicht oft untergekommen. Vollkommen vorbei war’s fĂĽr mich, als Haig sich an Robert Frosts zu viel zitiertem Gedicht “The Road not Taken” vergreift.

Nicht lesen! BloĂź nicht!

Hier ein Pröbsche zur Abschreckung: Es gab doch sicher andere Leben, in denen sie jetzt neben einem Swimmingpool in der Sonne saĂź. (Wieso neben? Wieso ChlorbrĂĽhenbecken und nicht Meer?) Andere Leben, in denen sie Musik machte, sich in einem warmen Lavendelbad entspannte, nach dem dritten Date tollen Sex hatte (Wieso nicht gleich? Wieso wie ein braves amerikanisches Mädchen auf das dritte Date und damit hinreichend hohes Investment von der männlichen Seite warten, damit die Tugend nicht zu “billig” verkauft wird?), lesend an einem Strand in Mexiko lag, in einem Sternerestaurant zu Mittag aĂź (Zu knickerig fĂĽr das abendliche Dinner, selbst im Tagtraum?), durch die StraĂźen von Paris schlenderte, sich in Rom verirrte (Da ist man, wenn der Angelsachse von Old Europe schwärmt.), friedlich einen Tempel in der Nähe von Kyoto besichtigte (Wie denn sonst? Laut randalierend?) oder die wahre Geborgenheit einer glĂĽcklichen Beziehung erfahren durfte.

Heda, Wetter!

Wenn was gar nicht zusammenpaĂźt, dann ist das ein Kirschenbaum in voller BlĂĽte und Schneesturm. LaĂź das!

Psssst!

Ich habe ein neues Headset für Telefonkonferenzen, das ich manuell auf stumm schalten kann und tue das gern. Nie mehr, wenn angesprochen, hektisch auf dem Monitor herumklicken, weil sich das verdammte Mikrofonsymbol wieder irgendwo versteckt, sondern einfach ganz entspannt das Knöppsche am Kopfhörer lösen. Nun ist Teams verwirrt, würde aber die Schuld nie bei sich selbst suchen.

Gelesen: Jeff Lemire / Gabriel Walta – “Sentient”

Wow!

Wieder eine fantastische Geschichte aus dem fantastischen Hirn Jeff Lemires, das helle Vergnügen. An Waltas Zeichenstil mußte ich mich erst gewöhnen, der ist für meinen Geschmack etwas zu naturalistisch, paßt aber dann doch ganz gut.

Wir finden uns auf der USS Montgomery, einem der letzten Raumschiffe, das die sterbende Erde Richtung Raumkolonie verläßt. Ein Anschlag von Separatisten tötet alle Erwachsenen an Bord und die Kinder finden sich nun verwaist unter der Aufsicht der Künstlichen Intelligenz Valarie auf ihrer Reise in eine bessere Zukunft. Was dann geschieht? Selber lesen!

So packend! Lesen! Lesen! Lesen!

Drah di ned um

Bei mir soll es heute Abend Mangoldkuchen geben. Wie offensichtlich bei sehr vielen anderen Leuten auch. Aber ich habe GlĂĽck und fische den letzten aus der SchĂĽtte. So, nun noch dies und das und Käse und… immer weiter den Wagen befĂĽllt.

Haltamal! Irgendwas ist anders. Hmmm? Hmmm. Und da sehe ich es. Mitten in den Waren im Einkaufswagen ist ein ungefähr mangoldgroßes Loch. Hmmm! Sowas. Der Mangoldklau hat sich an meinem Grüngemüse vergriffen. Im Gegensatz zu diesem Schurken zahle dann wohl heute ich die Apothekenpreise beim Viktualientürken nebenan. Ab sofort erwarte ich im Supermarkt Durchsagen, dass man seinen Einkaufswagen zu keiner Zeit unbeaufsichtigt lassen sollte.

Dem Dieb soll sein Mangoldgericht heute grandios mißlingen. Außerdem möge er ein juckendes Ekzem an einer schlecht erreichbaren Körperstelle entwickeln. Abrakadabra, drei Mal schwarzer Kater.

Wiedergelesen: Jason Aaron / R. M. Guéra – “Scalped”

Nach dem Reinfall mit meinem vorigen Buch (s. den vorhergehenden blogpost) brauchte ich dringend wirklich Gutes und Bewährtes und habe auf “Scalped” zurĂĽckgegriffen. Eine 10-bändige Graphic Novel Serie, so noir, dass dunkelschwarz noch untertrieben ist.

Die Serie spielt im fiktiven Prairie Rose Indianer Reservat im South Dakota unserer Zeit. Und Brecht hat wie immer recht: Das Recht des Menschen ist’s auf dieser Erden,/da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein,/teilhaftig aller Lust der Welt zu werden,/zum Essen Brot zu kriegen und nicht einen Stein./Das ist des Menschen nacktes Recht auf Erden,/doch leider hat man bisher nie vernommen,/dass etwas recht war und dann war’s auch so!/Wer hätte nicht gern einmal Recht bekommen?/Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so./Ein guter Mensch sein! Ja, wer wär’s nicht gern?/Sein Gut den Armen geben? Warum nicht?/Wenn alle gut sind, ist Sein Reich nicht fern./Wer säße nicht sehr gern in Seinem Licht?/Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär’s nicht gern?/Doch leider sind auf diesem Sterne eben die Mittel kärglich und die Menschen roh./Wer möchte nicht in Fried’n und Eintracht leben?/Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!

Genau.

Die Serie nimmt die amerikanische Geschichte und ihre Ungerechtigkeiten der Jetztzeit aufs Korn, zeigt den Kampf vieler Jedermänner und -frauen ums nackte Ăśberlegen in einer Gegend mit elendskalten Wintern, Unterversorgung mit allem, von gesunder Nahrung bis Medizin und Bildung, mangelhafter Infrastruktur, korrupten Politikern, Polizisten, Stammesoberen, FBI-Agenten, Mobstern – und jeder nimmt, was er kriegen kann. Immer auf Kosten derer, die tiefer in der Nahrungskette stehen. Aber irgendwann ist halt ganz unten und es geht nie nie nie nach oben.

Klug und brutal, mit Bildern, die lange haften bleiben.

Lesen! Lesen! Lesen!