Man weiß es ja immer nie genau, woran es liegt, wenn Mensch und Buch nicht recht zusammenkommen. Ist nun das Buch blöd oder der Mensch oder passen Ort nicht oder Zeit? Oder sonst was?
Ich hatte mir für die toskanische Terasse mitgenommen: Arne Dahl, “Neid”, den dritten von vier Bänden über die pan-europäische Ermittlertruppe um Paul Hjelm und Kerstin Holm. Das Buch war mir zwei Tage vor der Abreise aus einer Ramschkiste in die Hand gesprungen und ich dachte mir, “ein Zeichen”, denn die anderen hatte ich alle schon gelesen, und ich habe ja immer so ein Bedürfnis nach Vollständigkeit. Um es schnell abzuhandeln: Dahl ist Dahl ist Dahl. Er kann schreiben wie der Teufel und hat wohl (soweit ich das beurteilen kann) immer recht gute Übersetzerinnen. Außerdem, wie immer, einen geradezu elendig arroganten Allwissenheitsanspruch. Darüber hinaus schreibt er sich inzwischen alle 20 Seiten eine Sex-Szene. Man verstehe mich nicht miß, ich bin nicht prüde; man schreibe bitte über alles, wenns denn der Handlung dient. In “Neid” sind diese Szenen nichts außer Alterserscheinungen eines männlichen Schriftstellers und das Buch wäre auch mit diesen 30 Seiten weniger ausgekommen. Egal, irgendwann war ich durch, der Fall geklärt und eine Lieblingsermittlerin grob dahingemeuchelt (das tun Autoren seit George R. R. Martin alle recht gern) – weiter zum nächsten Buch.
Walter Moers’ Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr. An Moers’ Phantasiewelt Zamonien habe ich immer Freude. Ich kann vergnügliche Stunden damit zubringen, die anagramatischen Dichternamen in Die Stadt der träumenden Bücher zu entschlüsseln (Beispiel für Anfänger: “Ohjann Golgo van Fontheweg”), bin schon im ganz frühen Werk Ensel und Krete gerne auf ihren Irrwegen gefolgt und ein großer Fan des Jungdichters Hildegunst von Mythenmetz.
Bei Prinzessin Insomnia geht mir das alles auf den Keks. Die Buntstiftzeichnungen der schlaflosen Illustratorin Lydia Rode*, das erste, zweite, siebzehnte Anagram. Die erste, zweite, siebzehnte Alliteration. Alles so selbstverliebt. Als ich Christoph gegenüber von “germanistischer Hirnwichserei” sprach, wußte ich, dass ich das Buch sofort weglegen muß, wenn ich vielleicht in einer anderen Umgebung und unter anderen Voraussetzungen doch noch einmal Spaß daran haben will.
Macht ja nix, für einen anderthalbwochen langen Urlaub habe ich sicherheitshalber noch ein Drittbuch (um genau zu sein: weitere drei) eingepackt: George P. Pelecanos’ Derek Strange Trilogy. Pelecanos habe ich neulich erst entdeckt und bin nur noch nicht dazu gekommen, eine Rezension über Hard Revolution zu schreiben. In Kürze: ein saugutes Buch, in einem sehr lakonischen Stil geschrieben und uneingeschränkt empfehlenswert, wenn man neben einem Krimi noch viel über Soziologie und Geschichte lernen möchte. In diesem ersten Werk war Derek Strange noch ein Cop, ein schwarzer Cop im extrem rassistischen Washington der Zeit, als Dr. Martin Luther King jr. ermordet wurde. Nun ist er Privatdetektiv, immer noch in seinem Turf, dem District of Columbia unterwegs. Pelecanos schreibt immer noch äußerst lakonisch (die Angelsachsen nennen sowas hard-boiled stories), ich bin allerdings noch nicht wirklich weit gekommen mit der ersten Geschichte, weil Amico Negro den dicken Sammelband als persönlichen Feind begreift. Kaum lege ich mich mit Pelecanos auf den Liegestuhl, ist der Kleine da, quetscht sich unter dem Buch durch und fläzt sich brettelbreit auf meine Brust, sein Haupt auf meiner Halsschlagader und mit dem Arsch das Buch wegdrängend. Wenn das nicht funktioniert, beißt er es. So ist das, beim Urlaub auf dem Katzenhof. Und ich kann die drei Geschichten ja auch wirklich zu Ende lesen, wenn ich nicht mehr vom Blick auf die friedvolle pastorale toskanische Landschaft und einem laut schnurrenden pechschwarzen Glückskater** abgelenkt werde.
Morgen Abend, zum Beispiel.
* Lydia Rode, hier: Prinzessin Dylia, leidet am Chronischen Erschöpfungssyndrom und vertreibt sich ihre schlaflosen Nächte unter anderem mit Zeichnen.
** In Italien bringen schwarze Katzen Glück (und wahrscheinlich wird man vom unter Leitern durchgehen reich).