Zukunftsvision

Die Dame neben mir mimt so überzeugend Geld entgegennehmen, Wechselgeld herausgeben und Ware vom viel zu kurzen Auslaufbereichs ihres Bandes schubsen, daß alle in der Runde lösen wollen und begeistert durcheinanderrufen: “Die Lydia, die war Kassiererin bei Aldi”. Dann leitet die Altenbetreuerin mit erhobener Stimme, weil so alte Menschen ja nicht mehr so gut hören, geschickt zu mir über: “Jetzt bist du dran.” Hilfreich und freundlich, wie sie von Berufs wegen zu sein hat, hilft sie mir mit kleinen Tips auf die Sprünge, weil so alte Menschen ja nicht mehr so schnell denken. “Die Sabine, die hat ja mal in Amerika gelebt, gell. Und drum macht sie für uns jetzt eine typische Handbewegung aus Kalifornien.”

Und ich werde vorspielen, wie ich den Zeigefinger ausfahre, eine drückende Drehbewegung ausführe, abschließend Daumen und Zeigefinger gegeneinander reibe und schließlich schnipse. Und sie alle werden sich beim Raten die Zähne ausbeißen. Die dritten versteht sich, weil so alte Menschen… “Geld”, werden sie sagen, “sie meint Geld.” “Oder Gewürze mahlen”, wird ein anderer vorschlagen. “Oder Handcreme, vielleicht?” wird Lydia einwerfen. Und ich werde hochmütig lächelnd “Nein” sagen. Immer wieder “Nein, falsch.” Schließlich wird die Leiterin der Beschäftigungsgruppe “Hirngymnastik” ein wenig ungeduldig werden und mit einem leicht biestigen Unterton einfordern, ich möge doch die Gruppe nicht länger auf die Folter spannen (und mir gefälligst beim nächsten Mal was einfacheres ausdenken). Und wieder werde ich lächeln, als warte mindestens ein Schiff mit acht Segeln und fünfzig Kanonen auf mich und sagen “Nein”.

Sie können nicht wissen und werden nie erfahren, daß ich mir diese Szene jedes Mal ausmale, wenn ich wieder eine Ameise auf dem Spülstein erwische und sie in den Ameisenhimmel upgrade.

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