Give back

Im amerikanischen Wertekanon ist Zurückgeben grundsätzlich positiv besetzt und als Entgelten erhaltener Wohltaten zu verstehen (und nicht als Androhung eines Vergeltungsschlages wie beim bayerischen “des kriagst z’ruck”). Davon abgesehen, daß staatliche Zuschüsse in Zeiten knapper Kassen ohnehin rar gesät sind, steht man ihnen mißtrauisch gegenüber (“der hat sich nicht einzumischen, der Staat”) und setzt schon seit jeher stark auf Eigeninitiative.

“Give back” appellieren Hochschulen an ihre Alumni (allein Stanford hat eine 200 Mitarbeiter starke Abteilung, die nur mit der Beschaffung von “grants” (Fördergelder für Forschung) befaßt ist) oder Gemeinden an ihre Bürger, wenn sie zum Ramadama aufrufen (für Nicht-Münchner: Entrümpeln im Stadtpark). “Give back” krakeelt das Bettengeschäft “Sleep Train” alle 20 Minuten aus dem Autoradio, und sammelt warme Schlafwäsche (neu und originalverpackt) für Foster Children (Heim- und Pflegekinder). Allerorten, allerzielgruppen und allerzeiten (“Give back this Holiday Season”): gib was zurück!

Mußte man früher noch Bettelbriefe schreiben und in Kuverts stopfen und Briefmarken aufkleben und zur Post bringen, ist im digitalen Zeitalter das Spendensammeln vergleichsweise leicht geworden. Einfach sein Anliegen (Wiederaufbau des verbrannten Hauses von Töchterchens Lieblingslehrerin, Klassenfahrt zum Schulbau in Mexico, Krebsbehandlung für den geliebten Zwergpudel) bei https://www.wepay.com/donations eintragen und auf Zuwendungen warten. Wenn’s schnell gehen soll, schadet ein bißchen Reklame und Öffentlichkeitsarbeit nicht, aber wenn man Zeit hat, kann man auf Menschen wie mich warten, die die entlegendsten Suchbegriffe eingeben, nur um zu sehen, ob dafür auch wer Geld sammelt. (Treffer bei 8 von 10 Versuchen…)

Die Kehrseite dieses Systems liegt auf der Hand: in Amerika ist zwar das Recht auf Glück in der Verfassung verankert, nicht aber ein Anspruch auf Hilfe und Unterstützung durch die “Gesellschaft”. Man sagt zwar, es werde keinem vorgeworfen, daß er hinfällt, sondern nur, das er nicht wieder aufsteht, man hat sich aber dabei ganz elegant um die Variante gedrückt, daß mancher nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen kann. Weil er alt ist oder krank oder keine Arbeit mehr findet oder von Schulden erdrückt wird oder oder oder. Diese Menschen haben keinen Anspruch auf Hilfe, sondern bekommen mit Glück Almosen von Back-Givern.

Es ist gut und schön und großartig, daß viele Amerikaner die Verpflichtung fühlen, sich in “Charity” (Woltätigkeit) zu engagieren, das ist aber weder verläßlich, noch ersetzt es die Solidargemeinschaft eines Sozialstaats. Die Anzahl der Menschen, die einfach nicht mehr mitkönnen (und nicht mitgenommen werden) steigt stetig. Ein Beispiel: Von den 805,000 Einwohnern San Franziscos sind nach offiziellen Zählungen 4,000 “homeless minors” (minderjährige Obdachlose), die Dunkelziffer wird auf ca. drei Mal so viel geschätzt. Dem gegenüber stehen 19 Milliardäre im Stadtgebiet und 123621 Haushalte mit mehr als einer Million Jahreseinkommen in der Bay Area (bis 2013 wird mit einem Zuwachs von 20% gerechnet).

Lang kann es nicht mehr dauern, bis es Amerika wirklich zerreißt.

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