Genug ist auch mal genug

Esse gerade ein Eis mit “Peanut-Crunch-Bites”. Bin nicht ganz sicher, ob ich den Leuten, die verantwortlich sind, dafür danken soll, dass insgesamt drei Mal auf dem Becher die Warnung “kann Spuren von Erdnüssen enthalten” aufgedruckt ist.

Ich für meinen Teil habe das so gewollt und wäre andernfalls bitter enttäuscht.

Gestern Abend in der Unterfahrt: “Jakob Maes Jazzorchester”

Holla die Waldfee! Siebzehn Musiker auf der Bühne der Unterfahrt, davon vier an anderen als Blasinstrumenten sowie der Bandleader und Dirigent davor. Und wir in der ersten Reihe. Ich muss mir wirklich mal angewöhnen, meine “volume-adjusting”-Ohrschützer mit mir zu führen.

Der Dirigent ist ebenfalls für die Conference zuständig und das macht er eher unbeholfen, man denke: Teilnehmer an einer Jugendgemeindereise zum Kirchentag, vom Typus eher zurückhaltend, der spontan wegen eines Notfalls einspringen und zum ersten Mal im Leben öffentlich auftreten muss. Er macht das wirklich nicht gut.

Das Konzert hingegen ist ein schönes, die Soli begeistern, dennoch war ich mit der Zugabe dann auch sattgehört und konnte ohne Bedauern die Heimreise antreten.

Gestern Vormittag im Kunstfoyer der Versicherungskammer: “Bruce Gilden. A Closer Look.”

Das Kunstfoyer, eine sehr löbliche Einrichtung, eröffnet seine neuen Räume am Thierschplatz 6 (einfach nur einmal direkt aus der U-Bahnhaltestelle Lehel umfallen, schon ist man da) mit einer Ausstellung von Fotografien von Bruce Gilden, seines Zeichens “Street Photographer”. Und Mitglied bei Magnum. Und vielfach preisgekrönt und ausgezeichnet. Und ein Meister seines Fachs. Und, mit Verlaub, ein Arschloch.

Seine Fotos sind meisterhaft. Beeindruckend. Gerade die schwarz-weißen Straßenszenen der frühen Jahre in New York, Tokio, Miami – da ist er nah an den Menschen. Ein Zeitzeuge. Wenn er aber im Interview über seinen Fotografiestil salbadert, kommt er unendlich arrogant und heuchlerisch daher. Gilden ist ein typischer Fall für die Trennung von Künstler und Werk. Hätten wir nämlich, wie eigentlich geplant, das Interview zur Einführung in ganzer Länge zu Ende gehört, hätten wir die Bilder, egal wie gut oder schlecht, nicht mehr sehen mögen.

So aber kann ich berichten, dass die Fotos großartig sind und die riesenformatig aufgezogenen Portäts in der unteren Etage noch einmal eine ganz besondere Klasse für sich.

Als Empfehlung: Gildens Bilder sagen mehr als seine tausend Worte…

Bis 7. September. Täglich geöffnet, von 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

Noch zum Strömen: “Fleabag”

Das kommt davon. Da will ich mir eine Naturdoku anschauen und den Ermahnungen, die Schlafhygiene einzuhalten folgend, früh ins Bett und dann habe ich Phoebe Waller-Bridge im Ohr und das dringende Bedürfnis, sofort und umgehend noch einmal in “Fleabags” Universum einzutauchen. Schlafhygiene mache ich dann morgen. Ich habe ja Zeit.

Fleabag ist den 10 Jahren seit der Erstausstrahlung 2016 kein Stück gealtert und immer noch frisch und aktuell und so phänomenal wie beim ersten Mal. Wer die tragikkomische Geschichte einer jungen Londonerin noch nicht kennt, dem sei sie dringend ans Herz gelegt, wer sie kennt, sollte sich fragen, ob es nicht an der Zeit wäre? Nochmal? Hmmm?

Phoebe Waller-Bridge ist für alles verantwortlich: Idee, Buch, Inszenierung und Hauptrolle und allein dafür möchte man beide Knie beugen. Dass sie dann aber auch noch einen ebenbürtigen Cast um sich hat, eine und ein jeder in der ganz hohen Hach!-Kategorie macht die zwei Staffeln über fünf Stunden zur ganz hellen Freude. Multiple Hach!

Anschauen! Anschauen! Anschauen!

Neu zum Strömen (Amazon Prime): “Octopus!”

Man sollte meinen, dass sich nach dem oscarprämierten “My Octopus Teacher” aus dem Jahr 2020 jede weitere Acht-Tentakel-Neun-Gehirne-Wundertier-Dokumentation erübrigt hätte. Man würde sich täuschen.

Diese neue Doku mit Ausrufezeichen geht das Thema etwas verspielter und weiträumiger an, es wird neben geforscht und philosophiert auch genäht und gekocht und eine allerliebste KI-animierte Oktopussin (?) namens Doris führt durch ihren Lebenszyklus. Allein für diese an Stop-Motion mit Filzfigürchen erinnernde Animation könnte man die Macher knuddeln, aber noch viel mehr für ihre Entscheidung, die großartige Phoebe Waller-Bridge als Erzählerin zu engagieren. Wenn Fleabag mit dem dauerironischen Lächeln in der Stimme über Oktopoden spricht, dann ist das einfach zum Hinschmelzen. Außerdem tolle Unterwasser- und Landschaftsaufnahmen und interessante Menschen, die kluge Dinge zu sagen haben.

Perfekt. Zwei Folgen, mal schnell mit Freude weggeguckt.

Anschauen! Anschauen! Anschauen!

Ganz neu auf Netflix: “Love, Death & Robots”, 4. Staffel

Ganz viele IMDB*-Foristen motzen, weil, früher sei LDR (die coolen Leute verwenden Insider-Abkürzungen) so viel besser gewesen. Soooo viel besser, ey.

Find ich ja nicht. LDR ist wie immer. Ein großer Kessel Buntes, aus dem sich jeder seine Favoriten aussuchen kann. Von Marionettentheater (Red Hot Chili Peppers-Konzert in Slane Castle) über Zeichentrick, Animationen bis hin zu Dramoletten mit echten Schauspielern. Die beiden Scalzi-Beiträge erkennt man schon an der Inhaltsangabe, die Mini-Version einer Invasion von Aliens (“Close Encounters of the Mini Kind”) (letztes Mal war’s eine ebenso herzige Zombie-Apokalypse) ist drollig und schnuckelig und strotzt vor Zitaten, ganz reizend. Ich mochte auch die Zeichentrick-WW2-Flieger-Nazi-Gruselgeschichte (“How Zeke Got Religion”), weil ich dergleichen halt eh mag, dafür konnte ich mit den Dinosaurier-Gladioteren (“The Screaming of the Tyrannosaur”) nichts anfangen, wie das so ist mit den gemischten Tüten.

Nicht wichtig, aber gut genug für einen unterhaltsamen Abend.

* imdb.com, die Internet Movie Data Base darf als bekannt vorausgesetzt werden, ja?

Frühjahrsputz

Man möchte nicht glauben, wie lange man an so einen Balkon hinputzen kann, meine Herren! Und Damen! Sowie Kinderschar!

Sobald ich die Weltherrschaft angetreten haben werde, sind Silvesterfeuerwerk mit Schießpulverresten (immer noch!) sowie gelber klebriger Sahara-Sand umgehend verboten und Blüten sind künftig geheißen, in einem Radius herumzustauben, der meine Außenanlagen außen vor läßt.

Zum Glück hatte ich keine Lust, auch noch Fenster zu putzen. Was würde ich mich sonst über diesen Regenguß ärgern.

Schon länger nimmer neu im Fernsehen: “The Bridge (US)”

Jetzt ist schon wieder was passiert. Wieder liegt eine Leiche auf einer Staatsgrenze und fällt damit in die Zuständigkeit zweier Jurisdiktionen. Dieses Mal ist es kein Pass und kein Tunnel, sondern wieder einmal eine Brücke, wie im ursprünglichen dänisch-schwedischen Original. Die Brücke “of the Americas” verbindet (oder trennt, das liegt im Auge des Betrachters) El Paso in Texas, USA und Juárez, Mexiko.

Auf der amerikanischen Seite ermittelt Diane Kruger, die ich nicht für eine gute Schauspielerin halte (man denke nur an ihren schrecklichen Auftritt in “Inglorious Bastards”), die hier aber ideal besetzt ist, weil sie eine Autistin spielt, die zu keiner Gemütsregung und sozialer Interaktion fähig ist. Ihren Odd-Couple-Gegenpart gibt Demián Bichir, ein guter Schauspieler. Das langt für beide.

Neben den allgemeinen Themen wie Korruption, politischer und sonstiger Verkommenheit, Rassismus en gros et en détail werden in dieser Verfilmung das Geschäft mit der Migration, Bandenkriminalität und vor allem Femizide verhandelt. Wenn eine junge, vorzugsweise blonde Amerikanerin verschwindet? Großfahndung. Eine Mexikanerin? Schulterzucken. Die nächste, bitte.

Der Sender hat die Serie nach der zweiten Staffel gecancelt. Ich mach’s nach der ersten.

Gelesen: Richard Osman – “We solve Murders”

Da werden sich die Herrschaften, die an der Verfilmung beteiligt sein werden – und die wird kommen, darauf wette ich – aber sehr freuen. Statt beschränkt auf eine kleine Gemeinde in Englands grünen Hügeln wie in den bisher vier Bänden des “Thursday Murder Club” (s. https://flockblog.de/?p=50225; der 5. ist schon angekündigt), jagt das neue Entwicklerteam die Bösen in fotogenen Regionen wie der Karibik, der herrlichen Küste vor North Carolina, dem Goldglitzerluxus Dubais, und dem Weinland Irland – man möchte Location Scout sein.

Wie? Neues Entwicklerteam? Ja. Ein verwitweter pensionierter englischer Polizeibeamter, der seine Ruhestandsroutine ein bißchen belebt, indem er verschwundene Haustiere oder Ladendiebe findet und nein, nicht Tochter, nicht Sohn, Neffe oder Nichte, nein, seine Partnerin ist seine Schwiegertochter, die mit der unsäglich (meine ich wörtlich, wird immer nur angedeutet, dass es ganz gräßlich gewesen sein muss) schweren Kindheit und heute als erfolgreiche Personenschützerin tätig, mit allen Martial Arts Tricks und Waffen vertraut.

Osman erfindet herrlich skurrile Geschöpfe wie die überaus erfolgreiche erfolgreiche schwerreiche in ihrer Altersangaben sehr fluide Bestseller-Autorin und Lebefrau Rosie D’Antonio mit der Privatinsel und dem Privatjet und es geht auch schwer rund mit Morden und Komplotten und ChatGPT und wer-jetzt-gerade-wen-austrickst, ahaber… Ahaber ich habe schon im ersten Drittel erkannt, wer das böse-Drahtzieher-Mastermind ist und werde den Verdacht nicht los, dass es dieses Mal beim Schreiben schon arg um die Filmrechte ging, siehe oben. Anyway, er hat immer noch ein liebendes Auge für alle seine Figuren und Spaß an ihnen und ihren kleinen und großen Macken, Schwächen und Stärken, sie sind zwar Typen, aber keine Karikaturen. Dennoch. So ganz liebenswert wie die “Thursday Murder Club”-Serie ist “We solve Murders” nicht. Aber immer noch besser als vieles.

Man kann’s gut lesen.