Reich gesegnet…

… sei ich, schreibt mir heute Herr

Er habe nämlich, schreibt der Mann mit dem schön ausgedachten Namen, in der Kirche, der er als Reverend vorstehe, also vielmehr in den Kirchenbüchern in denen er abends zur Erbauung blättere, einen Eintrag entdeckt, wonach ich Nachkommende (Nachkommin ?) und damit Erbin eines längst von uns gegangenen Gläubigen sei und der Reverend möchte nun, bevor ihn selbst der Tod ereilt und danach keiner mehr um dieses Vermögen weiß, unbedingt noch dafür sorgen, dass ich mein frommes Leben weiterhin mit viel Gebet aber ohne Geldsorgen fortsetzen kann.

Es folgt der übliche Spammer-Laber-Rhabarber, hier soll ich nur alle meine persönlichen Informationen eintragen und dort Bankverbindungen und Kreditkartennummern und viel Geld vorab überweisen, für die Umstände halt, und, ja, Wallet und Krypto gehen auch, weil, der Reverend geht ja mit der Zeit.

Ich hatte aber trotzdem Spaß an der e-mail, weil der Reverend mehrfach versichert hat, er wisse, dass mit solchen mails recht viel Mißbrauch getrieben werde, aber ihm könne man trauen, denn er sei ja “A Man of the Cloth”, was im Angelsächsichen für einen Geistlichen steht.

Es sei denn, man ist Google Translate und hat’s nicht so mit Fremdsprachen:

Gut erkannt: ich hab jetzt soviel Zeit, dass ich sie auch mal für so einen Schwachsinn vergeuden kann. Wenn Futter für den flockblog dabei rauskommt. Das ist schon Bedingung.

Aufgeschnappt

Also, vorhin im Bus:

  • Der wahrscheinlich durch ein traumatisches Erlebnis geprägte Dreikäsehoch, der bei jedem Stop des Busses, einschließlich verkehrsbedingter Bremsmanöver, roter Ampeln, Stop-and-go-Feierabendverkehr, gar nicht zu sprechen von Haltestellen, in ein urbi et orbi umfassendes Gebrüll “Benzin is alla alla” ausbricht. Jedes Mal zuckt die gesamte Passagierschaft, bis auf die wenigen jungen Menschen mit Noise-Cancelling-Ohrenklappen, kollektiv zusammen. Wir haben vielleicht Spaß, ey.
  • Die drei heftig an ihren Eisen schleckenden School’s-out-Buben, die sich gar nicht mehr einkriegen können über ihre Geschäftstüchtigkeit, weil sie nämlich statt jeder eine Waffel mit zwei Kugeln à je zwei Euro einen Dreierpack aus der Tiefkühltruhe beim Discounter für 1,99 gekauft haben. Sie sind emsig dabei zu berechnen, wieviel sie mit diesem Trick gespart haben. Bis ich aussteige, sind sie noch nicht draufgekommen, aber es sind ja noch zwei Stops bis zur Endstation…

Evolution? Hallo?

Alive and kicking

Ich hatte sie schon vermißt, die Mey&Edlichs und ihre unterhaltsame Werbung für Herrenoberbekleidung. Bin allerdings nicht sicher, ob einer wie Freddie Mecury dergleichen getragen hätte, noch nicht einmal unter Androhung von Zwangsmaßnahmen.

Auch und gerade nicht mit dieser Botschaft:

Meine Fresse. Es geht doch nur um Klamotten.

Gut gehalten

Neulich in einem roten Bücherschrank einen alten rororo-Edgar-Wallace gefunden und entdeckt, dass dieser ganze Longevity-Hype ein uralter Hut ist.

Aufgeschnappt

Weil es ja nicht hilft, sich über diesen immer noch über einen weiteren Monat andauernden Busschaukel-Schienenersatzverkehr zu echauffieren, gewinne ich ihm stattdessen halt eine flockblog-Kolumne ab. Ich kann in diesen Bussen einfach nicht lesen, also schau ich Landschaft und Leute, Leute und Landschaft. Und weil die Evolution sich hartnäckig meiner Bitte um Ohrenklappen verweigert, höre ich sie auch. Davon erzähle ich jetzt.

Also, neulich im Bus:

  • Der kleine Junge, der in diesem Kinderwiederholquengelsingsang seine Mutter unablässig löchert: “Mama, did you buy the coconut?” Es dauert nicht lang, und ich klopfe den Rhythmus mit und hätte gerne das Talent, dergleichen zu vertonen.
  • Die beiden “Allemal-zäher-als-Luis” älteren Herren, deren einer von seiner letzten Mount Everest-Besteigung erzählt: “Es reisen ja heutzutage so viele Leute nach Nepal, die sich kein Stück mit der Nepali-Kultur beschäftigen. Die kommen bloß noch zum Bergsteigen. Als wären es die Alpen.”
    Unverständliches Gebrummel vom Gegenüber. Darauf sehr unwirsch der erste:
    “Ach was, das ist nicht in Ordnung. Die sollten erst mal einen Test machen müssen.”
  • Der eine Goetheinstitut-Student zum Kommilitonen: “… und da habe ich so ein Denken in mir herumbewegt.”
  • Die Handvoll präpotenter Buben, jeder ein angetrunkenes Corona in der Hand und ein weiteres in der Hosen- oder Jackentasche, gerade mitten in der Medienkritik. Ihr gemeinsamer unangefochtener Held ist Stewie, das uraltkluge Baby aus “American Dad”, weil der es “nämlich allen zeigt”. Dann Themenwechsel, Southpark. Da kommt der Rechtsexperte der Truppe zu Wort: “Cartman (das sehr unangenehme dicke Kind) wäre nach deutschem Recht schon mindestens 25 Mal zu Tode verurteilt worden.” Dann rufen sie alle “They killed Kenny!”, kriegen sich vor Lachen nicht mehr ein und ich schließe bis zur Ankunft an meiner Behelfshaltestelle wenigstens die Augen…

Evolution? Hallo?

Gestern Abend in der Unterfahrt: “CHICUELO”

¡Hossa! ¡Caramba! ¡Olé! ¡Olé! ¡Olé!

In der Unterfahrt geht es zu wie auf einer spanischen Féria. Sehr viele Damen tragen feines Tuch mit Glitzer und schulterfrei, die Haare offen, die Unterhaltung laut, lebhaft und gestenreich. Außerdem Fächer. Natürlich Fächer.

Jetzt aber: Auftritt. Juan Gómez ‘Chicuelo’ (Gitarre), Manel Fortià (Bass), David Gómez (Schlagwerk) und Karen Lugo (Tanz) spielen ein Konzert so voller Lebenslust und Groove und Power, dass der Saal von der ersten Minute an tobt. Wobei es sehr faszinierend ist, dass Señora Lugos Flamenco-Tanzperformance das vierte Element auf der Bühne ist. Damit will ich sagen, dass die anderen dann nicht als Begleitband in den Hintergrund rücken, sondern alle gleichberechtigt ihren Teil beitragen. Sie trägt bei jedem ihrer vier Auftritte ein anderes aufwendiges Kostüm auf denen insgesamt die Jahrespailettenproduktion* eines mittleren Schwellenlandes appliziert gewesen sein dürfte. Wa-ahn-sinn! Ich habe einen Moment gebraucht, mich auf diese Riesengesten und das ganz große Flamenco-Amor-Dolor-Muerte-Drama einlassen zu können… mir blieb aber nach ein paar Minuten gar nichts anderes mehr übrig, weil es nämlich so schön war. Hah!

Ein sehr tolles Konzert und ein großes Kompliment an Señor Chicuelo, der großes Stehvermögen bewies und mit jedem Mitglied seiner Band einen Einzelauftritt zelebrierte. Dankeschön.

* Ich frage mich, ob der Fachbegriff wohl BJPP (Bruttojahrespailettenprodukt) lautet und wenn nicht, warum nicht?

Nachtrag 1: Mein Duolingo-Sprachkurs scheint Früchte getragen zu haben. Ich habe fast die ganze Moderation verstanden, auch wenn der Señor, wiewohl aus Barcelona stammend, die andalusische Eigenart, die S-Endlaute einfach wegzulassen, fließend beherrscht.

Nachtrag 2: Die Unterfahrt war übrigens schon wieder ausverkauft und wir fragen uns langsam, ob wir einen Massengeschmack haben oder ob einfach mehr und mehr Menschen Zugang zu guter Musik finden.

Gelesen: Robert Hültner – “Der Sommer der Gaukler”

Ähnlich wie sein Kollege Kehlmann nimmt sich auch Hültner gerne die künstlerische Freiheit, historische Ereignisse und Persönlichkeiten in ein Romangeschehen zu verweben. Und so kommt es in diesem Gauklersommer im Jahr 1780, in dem die Schikanederische Schau- und Operngesellschaft, eine Wandertheatertruppe, deren Prinzipal nicht nur selbst und viel schreibt, sondern darüber hinaus auch Werke Goethes, Lessings und Shakespeares zur Aufführung bringt, zu einem unfreiwilligen Aufenthalt in einem Bergdorf nicht weit von Salzburg gezwungen ist, zu allerlei Vorkommnissen.

Hültner taucht tief ein in die Lebenswirklichkeiten einer Ständegesellschaft, deren Ende sich schon abzeichnet (es wird nur noch ein paar wenige Jahre dauern, bis die Bastille gestürmt werden wird), läßt Schikaneder auf Mozart treffen (der Beginn einer wunderbaren Freundschaft), macht noch schnell einen Abstecher zu Illuminati und Freimaurern und ergeht sich in ausführlichen Naturbeschreibungen.

Vor allem aber ist das Buch eine Liebeserklärung an das Theater. An die Macht des gespielten Wortes, an das, was Schiller in seinem Aufsatz “Die Schaubühne als moralische Anstalt” postuliert: das Theater als Instrument, die Ideale der Aufklärung im wahrsten Sinne des Wortes unters Volk zu bringen.

Das Büchlein liest sich leicht und vergnüglich und hinterher ist man klüger als vorher.

Lesen!

Nachtrag: Für mich war die Lektüre ein Ausflug in die Vergangenheit. Vor vielen vielen Jahren habe ich als Studentin der Theaterwissenschaften eine – selbstverständlich bahnbrechende – Seminararbeit zum Thema der frühen Shakespeare-Rezeption in Deutschland verfasst. Damals, als “Hamlet” zu “Der bestrafte Brudermord” wurde und sich Wandertheatertruppen (auch die Schikaneders) schon mal die Freiheit nahmen, “Romeo und Julia” mit einem Happy End zu spielen. Ist ja auch netter.