Was ein Abend! Die Unterfahrt so voll, dass selbst die Barhocker noch mit Reservierungsschildchen vorgebucht waren und das zu recht. Was diese vier jungen Menschen, Shuteen Erdenebaatar am Piano und verantwortlich für die meisten Kompostionen, Jakob Manz an Altsaxophon und Blockflöte (ja, der https://flockblog.de/?p=50752), Nils “Megabling” Kugelmann am Bass und – zum ersten Mal dabei – Amir Bresler am Schlagzeug da auf der Bühne vorzauberten war nicht von dieser Welt und sehr sehr wunderschön. Schwer-Hach!
Ich wünsche jedoch bei der Evolution neben den schon lange vorbestellten Ohrenklappen nunmehr auch Nasenklappen zu ordern: die neue Lüftung im Keller tat zwar ihr bestes, schaffte aber leider nicht mehr, als die Erinnerung an die vor dem Konzert an so gut wie jedem Tisch servierten Bärlauchspaghetti wachzuhalten. Der Vampör hatte es schwör.
Ach, und ans Quartett: mein Vorschlag für das noch namenlose Werk (2. Titel nach der Pause) wäre: “Re-Inventing Baroque”.
Sie müsse mir das jetzt mal sagen, sagt die alte Nachbarin, als wir uns im Gang treffen. Ich sei ja erst neu zugezogen – na ja, vor zehn Jahren, aber Zeit ist ja bekanntermaßen ein relativer Begriff – und könne gar nicht wissen, wie schön es hier früher einmal war. Nun sei alles verkommen, ihre Freundinnen würden sie schon damit aufziehen, dass sie ja jetzt im “Russenviertel” wohne. Ausgerechnet im “Russenviertel”, das müsse ich mir mal vorstellen, wo sie doch von Putin gar nichts halte. “Wer tut das schon?” versuche ich, zur Konversation beizutragen, ist aber erfolglos, denn sie redet sich ohne Punkt und Komma weiter in Rage. Das Reisebüro, sagt sie, habe “der Russe schon geschluckt”, so fange es immer an.
Zum Verständnis: besagter Schluckrusse ist ein Lebensmittelhändler mit Schwerpunkt auf Waren aus Osteuropa und hat, nachdem das Reisebüro nebenan das Rentenalter der Eigentümerin, die Zeiten im allgemeinen und die Covid-Pandemie im besonderen nicht überlebt hatte, dessen Flächen mitangemietet und seinen Laden um Frischetheken für Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Eingelegtes und allerlei Milchprodukte erweitert. Ich finde das nicht schlimm. Ich bin aber auch der Typ Mensch, der gerne über Märkte streunt und Spaß an “fremden” Lebensmitteln hat.
Ob mir das denn nicht aufgefallen sei: selbst bei Edeka an der Kasse sprächen sie nur noch Russisch… Ist es nicht und meine Bemerkung, dass ich leider zu wenig von osteuropäischen Sprachen verstehe, um Russisch und Ukrainisch unterscheiden zu können und dass ich ein Land, in dem Krieg herrscht, auch fliehen würde, geht unter, denn jetzt geht es um die Hauptsache: den Waschkeller. Diese Russenweiber würden ihre Wäsche ja tropfnass über die Leinen werfen, da habe man als korrekte Schleudererin gar keine Chance mehr auf Platz im Trockenraum. Nie mehr. Der Weltuntergang ist nahe.
Ich versuch a) zu fliehen und b) bis dahin irgendwie bedauernd zu gucken und sage ihr c) deswegen lieber nicht, dass ich beim Buchhändler in der Passage auf den Tischen draußen zwei (2) Bücher in kyrillischer Schrift liegen sehen habe. Dann wäre für sie wirklich alles zu spät.
Wir haben doch hier in der Ecke alle Sorten Menschen. Die paar mehr machen den Kohl auch nicht mehr fett. Mann, Frau Nachbarin.
* Für die Nachgeborenen: das ist eine Referenz. Darauf.
Nach dem Aufwachen angemessen gestreckt, gereckt und getrödelt. Zum Kaffee Nachrichten aus aller Welt und Telefonate mit Menschen, die vormittags auch nichts besseres zu tun haben. Anschließend mit einer Freundin zu Mittag die Restaurantterrasse beim Griechen eröffnet, lecker Fisch gegessen, feinen Mokka getrunken und zum krönenden Abschluss das erste Eis der Saison am ersten Eisverkaufstag der Eisdiele geschleckt. Danach gerade mal noch ein Stündchen Zeit, um das aktuelle Buch auszulesen und dann SEV zum Konzert in der Unterfahrt.
Man sage, was man will, aber ich finde, ich bin ein absolutes Naturtalent im Rentnern.