Sommerzeit

Bei uns ist ja schon ein Weilchen FrĂŒhling, wahrscheinlich haben wir im Gegensatz zu Europa deswegen am Wochenende bereits auf Sommerzeit (US-Amerikanisch “Daylight Saving Time)” umgestellt. Gestern habe ich das BĂŒro zum ersten Mal seit – gefĂŒhlt – Jahren schon  in der DĂ€mmerung verlassen (und nicht bei Stockdunkelheit). Ein gutes GefĂŒhl.

Damit die Menschen die Uhrzeiger in die richtige Richtung drehen, lehrt man hier schon in der Schule den Merksatz: “Spring ahead – Fall back”. Der Herr im Radio war da wohl zum Kreide holen geschickt worden, er hat sich gestern frĂŒh stĂ€ndig bei der Zeitansage vertan.

Zahn um Zahn

Bei mir ums Eck wurde eine neue Zahnarztpraxis eröffnet, ach bewahre, keine simple Praxis, nein, vielmehr ein “Dental Care Center”. Was Frau Dr. Diaz (glaubt man dem  Photo sieht sie aus wie knappe 20, referenziert aber auch auf 20 Jahre Berufserfahrung), “Caring for San Bruno with Trusted Dental Excellence” nicht alles anbietet… Da wĂ€re zum Beispiel das “Welcome Dental Exam” – neben der Vorsorgeuntersuchung im Eröffnungsangebot fĂŒr nur $49 (“Regular Value of $182”) gibts noch ein “complimentary home care kit with instructions”. Oder ZĂ€hne bleichen, fĂŒr “a more cheerful and confident you”. Sie wartet darĂŒber hinaus auf mit “TV and Headsets, Intraoral Camera – See your Dentistry on TV” – wenn schon sonst nix, wird wenigstens der Zahn zum Star.

Der SchnÀppsche-Doktor mit Mundkamera. Daran werde ich mich wohl noch lange nicht gewöhnen.

S.A.D.

SAD = (Englisch – seasonal affective disorder) Winterdepression … das passt aber mal gut.

(CA hilft im ĂŒbrigen ausgezeichnet dagegen.)

SciFi

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Filme gesehen wie hier und in der letzten Zeit waren es gehĂ€uft Science Fiction Parodien. Zu den Perlen zĂ€hlen: “Dr. Who” (ab 2005), “Starhyke” und “Hyperdrive”, alle drei BBC Fernsehserien und jede auf ihre Art urkomisch.

Ganz anders und besonders schrĂ€g ist “Trippin the Rift” (eine kanadisch-amerikanische Koproduktion) und Menschen mit schlechtem Geschmack anempfohlen, die – zum Beispiel – “Drawn Together” schĂ€tzen.

Ich meine ja nur, fĂŒr den Fall, dass ihr noch lĂ€nger lange WinternĂ€chte haben solltet… (Sind im ĂŒbrigen alle bei amazon.co.uk erstaunlich gĂŒnstig erwerbbar.)

Zensus

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Obama ausging, dass alle Welt (aka United States of America) geschĂ€tzt wĂŒrde. Und diese SchĂ€tzung war die allererste (seit 10 Jahren) und geschah zur Zeit, da Schwarzenegger Statthalter in Sacramento war. Und jedermann ging, dass er sich schĂ€tzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

NNNjjeiiinn. Es ist vielmehr so, dass ein jeder Haushalt in den letzten beiden Wochen erst einen Brief und dann eine Postkarte bekommen hat, jeweils mit der Botschaft, dass demnĂ€chst aber ernsthaft der VolkszĂ€hungsfragebogen ankommen wĂŒrde. DarĂŒber hinaus hĂ€ngen an jeder beklebbaren Wand Plakate, es gibt Radio- (und bestimmt auch Fernseh-) Werbespots. Es geht immer nur um das eine: Jeder muss mitmachen, nur so könne die (Bundes-) Regierung jeder Gemeinde ihren “fair share” an “funds for highways, school, health facilities, and many other programs you and your neighbours need”  zuteilen. (Man beachte die PrioritĂ€ten – erst mal Autobahnen bauen…)

NichtausfĂŒllern wird mit sanftem Nachdruck geholfen: “If you don’t mail the form back, you may receive a visit from a census taker, who will ask you the questions from the form.” – Erinnert mich an den Titel eines alten Programms von Uli Keuler: “Zuwiderhandelnde werden von unseren Saalordnern geschunkelt.”

Ganz am Rande: ich habe in diesem Zusammenhang einem jungem Menschen vom großen VolkszĂ€hlungsboykott 1987 erzĂ€hlt und obwohl ich mittendrin dabei war und durchaus ein politisch bewußter Mensch konnte ich gar nicht mehr recht zusammenfassen, worum es uns eigentlich ging. Nur noch so ein schwammiges “kein glĂ€serner BĂŒrger sein und persönliche Daten von allgemein statistischen trennen und so…” Hier hingegen fragen sie ganz unverfroren ” What is your telephone number? We may call if we don’t understand an answer.”

Die Amerikaner haben ja immer große Angst, dass irgendwas zu lange dauert und sie dabei Zeit verlieren (also bloß nicht selber Kartoffeln schĂ€len, kochen, stampfen, sondern Betty Crocker’s Fertigpampf kaufen, der fast besser schmecke als home made…). Die VolkszĂ€hler kennen ihr Volk und seine Ängste und deswegen gibt es auf ihrer website ein lustiges ZeitaufwandschĂ€tzquiz: http://2010.census.gov/2010census/how/about-the-form.php

FrĂŒhling lĂ€ĂŸt sein blaues Band…

Hach, wie ist das gerade herrlich hier – alles grĂŒnt und blĂŒht, man möchte meinen, irgendwer vom Tourismusförderverband kĂ€me nĂ€chste Woche zur Benotung verbei.

Ollie und ich haben einen wundervollen Ausflug gemacht, ĂŒber den Highway Number One in den SĂŒden nach Santa Cruz, mit ganz vielen Zwischenstops am Pazifik und in den Bergen. Schaut’s euch an: http://picasaweb.google.de/mucbiene/SpringtimeInCA?feat=directlink

Ohren auf!

Dass ich mir meinen Commute, also die Fahrten zum und vom BĂŒro mit HörbĂŒchern aufwerte, habe ich ja schon erzĂ€hlt. In der letzten Zeit habe ich mich durch den ganzen Görner gehört (Lutz Görner, Rezitator und einem jeden von Herzen empfohlen). Den MĂ€rz habe ich mit T.C. Boyles Wassermusik eingelĂ€utet, ganz arg schön. Gerade hat Mungo Park aus London die Einladung bekommen, eine 2. Expedition zum Niger zu unternehmen. Und jetzt? Aus unerfindlichen GrĂŒnden habe ich nur 3 von x CDs und nun werde ich

– wenn nicht ein Wunder geschieht –

wohl ich nie erfahren, wie Ned Rise und Mungo Park in Afrika aufeinandertreffen…

Andererseits: Wunder gibt es immer wieder. Gell, Rainer?

“Alice in Wonderland”

in Imax 3D (das wĂ€re nicht nötig gewesen) – ich bin sehr begeistert. Tim Burton hat eine wunderbare Entwicklungsgeschichte daraus gemacht, die Besetzung ist – wie gehabt – geglĂŒckt (Mia Wasikowska eine ideale Alice, Johnny Depp und Helena Bonham Carter gehören ohnehin zur Crew, Stephen Fry spricht die Cheshire Cat), Danny Elfman hat wieder komponiert; mir hat das Alice-Lied im Abspann, gesungen von Avril Lavigne ausgesprochen gut gefallen.

Jabberwocky habe ich mir genauso vorgestellt -hier die Übersetzung von Lewis Carrolls Gedicht ins Deutsche:

Der Zipferlak

Lewis Carroll, aus “Alice hinter den Spiegeln”, Übersetzung: Christian Enzensberger

Verdaustig war’s, und glaße Wieben
rotterten gorkicht im Gemank.
Gar elump war der Pluckerwank,
und die gabben Schweisel frieben.

“Hab acht vorm Zipferlak, mein Kind!
Sein Maul ist beiß, sein Griff ist bohr.
Vorm Fliegelflagel sieh dich vor,
dem mampfen Schnatterrind.”

Er zĂŒckt’ sein scharfgebifftes Schwert,
den Feind zu futzen ohne Saum,
und lehnt’ sich an den Dudelbaum
und stand da lang in sich gekehrt.

In sich gekeimt, so stand er hier,
da kam verschnoff der Zipferlak
mit Flammenlefze angewackt
und gurgt’ in seiner Gier.

Mit Eins! und Zwei! und bis auf’s Bein!
Die biffe Klinge ritscheropf!
Trennt’ er vom Hals den toten Kopf,
und wichernd sprengt’ er heim.

“Vom Zipferlak hast uns befreit?
Komm an mein Herz, aromer Sohn!
Oh, blumer Tag! Oh, schlusse Fron!”
So kröpfte er vor Freud’.

Verdaustig war’s, und glaße Wieben
rotterten gorkicht im Gemank.
Gar elump war der Pluckerwank,
und die gabben Schweisel frieben.

Full House

Am Wochenende waren Wiltrud, Ingmar und Ruth auf dem RĂŒckweg vom Lake Tahoe nach Michigan in San Bruno zu Besuch.

Mit vier Menschen sind Haus und Garten auf einmal sehr belebt und ich habe mit Freude festgestellt, dass im GĂ€stezimmer immer lĂ€ssig noch einer mehr Platz hat…

Die Wettergötter waren gnÀdig mit uns, obwohl Regen vorhergesagt war, haben wir trocken und mild besonnt San Bruno entdeckt, in Pacifica beim Hochstand der Flut (das sind dann schon sehr ordentliche Wellen, kein Wunder, dass die Ecke als Surfer-Paradies gilt)  Strand und Pier ergangen, und nebenher unser bestes gegeben, die VorrÀte aufzuessen.

Am Samstag sind wir ĂŒber die Golden Gate Bridge (“Die ist gar nicht gold, und ein Gate ist das auch nicht. Das ist nĂ€mlich eine BrĂŒcke.” – Du hast ja so recht, Kind. Inzwischen habe ich eine Antwort fĂŒr dich: “Benannt wurde die BrĂŒcke nach der natĂŒrlichen Einfahrt zur Bucht von San Francisco. Diese Einfahrt (the Golden Gate, das Goldene Tor) ist 1,6 Kilometer breit. Die Buchteinfahrt erhielt um 1846 wĂ€hrend des Goldrausches in Kalifornien ihren Namen Golden Gate oder Chrysopylae von Captain John C. Fremont, den die Meeresstraße an das Goldene Horn (griech. Chrysoceras) in Konstantinopel/Istanbul erinnerte.”)

…also ĂŒber die Golden Gate Bridge mit einem schnellen Blick auf Sausalito (“Siehst du die vielen Hausboote?”) und einem Abstecher in San Quentin, ja, genau, dem Knast. Jetzt muss ich doch  ausholen. Die Auffahrt zum GefĂ€ngnis ist gesĂ€umt von wunderhĂŒbschen am Hang gelegenen HĂ€uschen, mit blĂŒhenden BĂ€umen und Spielzeug in den GĂ€rten, wie in einem Kitschfilm ĂŒber Smallville, USA. Das Ende dieses BilderbuchstrĂ€ĂŸchens bilden die GefĂ€ngnistore, WachtĂŒrme und schwerbewaffnete Guards. Im öffentlich zugĂ€nglichen Bereich liegt – na was wohl, wir sind schließlich in Amerika – richtig: “The San Quentin Gift Shop” (samstags aber leider geschlossen).

Keine Knastsouvenirs (“Warum kriegen die bösen Leute so ein großes Haus”), aber dafĂŒr Hunger, leider war Downtown San Quentin nicht auffindbar. (Gibts entweder nicht, oder sie hattens mal wieder verlegt.) DafĂŒr fand sich in San Rafael ein Saloon mit entzĂŒckender angeschlossener Terasse auf der Pier und gereicht wurden fangfrische große Krabben (wahlweise ein Berg Chocolate Chip Pancakes…).

Ein kurzer Abstecher im China Camp State Park

und dann wollten wir weiter nach Berkeley. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, da finde ich doch immer die Innenstadt mit den netten Hippie-StĂ€nden nicht. So auch dieses Mal. Aber Wiltruds Freund Garrett, der Antiquar, kauft dort regelmĂ€ĂŸig ein, war per Handy erreichbar und wußte genau, wohin. (Wiederholen und merken: Telegraph Street, Telegraph Street, Telegraph Street!) Da habe ich Downtown Berkeley auch mal wieder gesehen und Ruth besitzt seitdem ein zum Rock ihrer Puppe passendes Batikkleid mit einem dicken Smiley auf dem Bauch.

Über die Bay Bridge sind wir an der hell erleuchteten Skyline vorbei nach Hause gefahren, schnell noch fertig gepackt und dann war der Besuch auch schon wieder vorbei. Viel zu kurz!

Sonntags hat der San Bruno Wind die WĂ€sche ganz schnell trocken geblasen – Ollie kann am Freitag kommen.