Dürre

Januar - RoseJanuar - es blühtWir haben hier ein neues Unwort, und wer’s öffentlich ausspricht, wird sofort sofort in die Schublade “one of ’em bleedin’ heart liberals”* gesteckt. Es hat weder mit Sex noch mit Politik oder anderen unaussprechlichen Themen zu tun, sondern mit Meteorologie. Also genau der Art Wetter, die ich ständig bejuble. Schöne konstante Tagestemperaturen von 25°C, immer sonnig und das im Januar. Oder an Weihnachten. Das, so die Unwortaussprecher ist gar nicht gut. Das bedeutet “drought” (Dürre). Ich bin vollkommen ihrer Meinung. Wir haben mitten im Januar höchste Waldbrandstufe, die Wiese in meinem Garten ist von zentimeterbreiten Rissen durchzogen und wenn ich von einem Rosenstrauch eine Hagebutte abzupfe, stehe ich in einer Staubwolke.

Trotzdem. Mir reichen drei Jahreszeiten unter Auslassung des Winters.

PS: Die Bilder sind von heute Nachmittag aus meinem Garten. Leider sind die Blüten rechts wegen eines Windhauchs ein wenig verwackelt.

* Als Liberaler gilt man in Amerika, wenn man ein ganz kleines bißchen links von den Demokraten steht und an Dinge wie Erderwärmung oder Ozonloch glaubt. Damit ist man in der hiesigen Weltsicht eigentlich schon Kommunist.

Neu im Fernsehen: Sherlock

Letzten Sonntag ist hier die letzte Folge der dritten Staffel der BBC-Serie mit Benedikt Cumberbatch und Martin Freeman gelaufen.

Hmmm. I am not amused. Dieses Mal haben sie sich beim Schreiben keine große Mühe gegeben. Das wäre mir vielleicht nicht so aufgefallen, wenn ich nicht zur Vorbereitung die ersten beiden Staffeln in den Weihnachtsferien nochmal mit großem Genuß angeguckt hätte. Ich kann mich nach wie vor an Cumberbatch nicht satt sehen, aber dann doch lieber in einer anderen Rolle. Und einer anderen Produktion.

Schade.

 

Aus dem Vokabelheft

Jennifer Lawrence hat gestern den Golden Globe für die beste Nebendarstellerin in “American Hustle” (s. http://bit.ly/JWUXwz) bekommen.

Und die englische Sprache ein neues Wort: ein Kommentator kreierte für ihren “Ichdankemeinerfamilieunddemteamunddemregisseurundderjuryundüberhauptderganzenwelt” -Auftritt den Begriff “adorkable” – quasi liebenswert vertrottelt.

Heile heile Gänschen

Medicine BottleWenn der amerikanische Arzt einen Patienten für hinreichend malad befindet, verschreibt er Medizin. Dieses Rezept trägt der Kranke zum nächsten Drugstore oder Supermarkt seines Vertrauens, wo sich – immer in der am weitesten vom Eingang entfernten Ecke des Ladens – die Pharmacy befindet. Die Weißkittel hinter dem Tresen füllen irgendwo im Hintergrund Pillen in orangfarbene Kunststoffbehälter mit weißem Schraubverschluß um und schreiben vom Rezept mehr oder minder sorgfältig den Namen des Patienten, den Turnus der Einnahme sowie die Anzahl der “Refills”* ab. Dann entrichtet man seine Rezeptgebühr und gut is.

Ich habe eine Monatsration Ibuprophen verschrieben bekommen, 90 Stück à 800 mg, 3 x täglich einzunehmen, 1 Refill. Rezept einlösen, zahlen und gehen. Von wegen. Das habe ich mir so gedacht. Das Umfüllen in die Plastikflaschen** werde ca. eine Stunde dauern, befindet die Apothekerin. Ich könne mir doch die Wartezeit mit Einkaufen vertreiben und sie werde mir eine SMS schicken, wenn sie soweit sei. Gute Frau, mir gehts nicht gut. Ich will nicht einkaufen! Schon gar keine Stunde lang. Ich will meine Pillen haben. Jetzt! Ich will heim, schlucken, schlafen.

Unter eine Stunde ginge es leider nicht, meint sie bedauernd. Ich frage mich, was die in der Zeit treibt? 90 Tabletten aus Blisterpackungen in Flaschen drücken? Denn Blisterpackungen gibt es hierzulande aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen nicht. Ich kann mir das nur so erklären, daß der letzte Paragraph des Hippokratischen Eid in Amerika folgendermaßen überarbeitet wurde: “Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht breche, so möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg beschieden sein, dazu Ruhm unter allen Menschen für alle Zeit; wenn ich je eine Blisterpackung verschreiben werde, dessen Gegenteil.” Nun aber genug der Abschweifungen, Hirn. Ernsthaft jetzt, wie lösen wir das? Ganz einfach: ich lasse mir von der Dame noch einmal bestätigen, daß es sich bei dem Medikament um ein Generikum von Ibuprophen handelt. Letzteres ist im ganzen Laden OTC zu haben. OTC bedeutet “over the counter”, also freiverkäuflich. Dabei ist die Dosierung je Tablette meist niedriger, also nicht 800mg, sondern 200. Ich zerre sie zum Regal und halte ihr eine Großpackung unter die Nase: “Wenn ich davon 3 x täglich je 4 nehme, dann sollte das doch den gleichen Effekt haben. Ja oder ja?” Ja. Da hätte ich recht. Und sie mutiert auf einmal zur Drogerieangestellten mit Verkaufsprovision: das seien die Gel-Kapseln, die schrieben die Ärzte nie auf, obwohl sie viel magenfreundlicher seien und außerdem gibts die gerade BOGO (“buy one get one free”, also zwei zum Preis von einem) und sie könne mich auch gleich an der Schlange vorbei abkassieren. Ist mir sehr recht. Machen wir. Eine Viertelstunde später habe ich vier statt einer genommen und mein Schwabenhirn rechnet beim Einschlafen aus, daß ich dabei billiger weggekommen bin, als mit der Rezeptgebühr, die beim “Refill” natürlich wieder anfallen würde.

Brave New Obamacare-World.

 

* Eine neues Rezept mit wieder einem Refill gibt es nur, wenn man den Doktor wieder konsultiert. Und so haben chronische Kranke alle zwei Monate sicher einen Arzttermin. Und der Mediziner Planungssicherheit.

** Eine Packung Pillen wird hier nach guter alter Quacksalbertradition tatsächlich in sogenannte “Medicine Bottles” abgefüllt.

Gelesen: “Raising Steam” von Terry Pratchett

Daß Sir Terry überhaupt je noch einmal ein Buch veröffentlichen würde, schien vor fünf Jahen, als er mit einer seltenen Form von Alzheimer diagnostiziert wurde, unmöglich. Zu seinem und seiner Leser Glück ist die Krankheit nicht so weit fortgeschritten, wie zu befürchten war (“I have to tell you that I thought I’d be a lot worse than this by now, and so did my specialist.”) und er kann, unterstützt von einem Sekretär bzw. Spracherkennungssoftware, weiter fabulieren.

Was habe ich mich gefreut, als ich gelesen habe, daß wieder ein Scheibenweltroman, sein vierzigster, erscheinen soll und habe ihn vorfreudig sofort in England vorbestellt (und nicht in Amerika, wo ich noch bis März hätte warten müssen). Einen ganzen sonnigen Sonntag habe ich mit der Geschichte von der Eisenbahn verbracht und sie klang nach Pratchett und war lustig und anrührend und bildend.

Schon der letzte Scheibenroman “Snuff” war eine Art Vermächtnis, die flammende Streitschrift eines Humanisten und lustig und anrührend und bildend. Und jetzt noch einmal ein gleichermaßen gelungenes Werk. Danke!

Und falls es wer noch nicht gemerkt haben sollte – das ist eine Lizenz zum Lesen!

Neu im Kino: Saving Mr. Banks

Da sitzt man an einem sehr sonnigen Sonntagnachmittag mit dem neuen Pratchett im Garten und erforscht die eigene Entscheidungsfreude: will ich den Film eigentlich sehen? Also jetzt so wirklich? Und dann bekriegen sich die beiden Seelen in meiner Brust.

Seele 1: “Natürlich wollen wir den Film sehen! Da spielt doch Emma Thompson, die ich sehr schätze, P. L. Travers, die Autorin von Mary Poppins, meinem Allzeitschlechtenachttrostbuch.”

Seele 2: “Natürlich wollen wir den Film nicht sehen! Schließlich spielt Tom Hanks mit, den mag ich nicht. Außerdem spielt er ausgerechnet Walt Disney, den mag ich auch nicht und der hat auch noch die Zuckerbonbonversion von Mary Poppins mit Julie Andrews und diesem Dick, also Dick Van Dyke verbrochen.”

Dann erkläre ich meinen Seelen, daß man sich den Horizont nicht mit seinen eigenen Vorurteilen verbauen soll und wir gehen ins Kino. Nein, ich höre keine Stimmen in meinem Kopf. Wieso?

Der Film läuft in der dritten Woche, im Zuschauersaal sind wir zu dritt; interessanterweise alle drei Frauen in den Fünfzigern. Er basiert auf der wahren Entstehungsgeschichte der Mary-Poppins-Verfilmung und ist so vorhersehbar wie ein 50 Meilen langer schnurgerader Highway. Clash of Cultures, eine steife Britin (mit schlechter Kindheit) trifft in der Traumfabrik im La-La-Land auf einen Family-Value-Film-Mogul (mit schlechter Kindheit und Schnauzbart). Am Ende kriegen sie sich, alles wird gut und super-karthatisch, dazwischen liegen ein paar wirklich gelungene Szenen.

Ich weiß immer noch nicht, ob mir der Film gefallen hat. Aber Tom Hanks war klasse. Mindestens einen Punkt also für Horizonterweiterung.

Aus dem Vokabelheft

“Kerfuffle”,

was soviel bedeutet wie viel Lärm um nichts oder aus einer Mücke einen Elefanten zu machen; das ganze Rambazamba.

Und nun zum Wetter

Es ist kühl geworden. Was man halt hier so kühl nennt: bewölkte 14°C.

Der “drizzle” aus den tiefhängenden Wolken dreht glatte Haare zu Afro-Löckchen, die Pool-Mütter tragen Uggs in allen Variationen und Farben (alle gleichermaßen häßlich) und sitzen den Unterricht ihrer Kinder stoisch im Nieselregen aus und selbst Elvis stimmt die Drei Dicken nicht gnädig – Wassergymnastik ohne Sonne ist nicht Kür, sondern Pflicht.

fog-freeDer Flughafen SFO meldet Verspätungen wegen Nebels, was sich die Marketing-Abteilung des Airports in San Jose sofort zu Nutze macht, um den Highway mit Billboards über ihren Schönwetterflughafen zu pflastern.

Brrrhhh! Schlotter!

Wir nordkalifornischen Weicheier glauben ja, daß wir noch viel schlimmer dran sind, als zum Beispiel die Chicagoans, die ihrer Stadt letzte Woche den Spitznamen #chiberia gegeben haben. Übrigens zu recht, am 6. Januar wars am Lake Michigan kälter als am gleichen Tag in Novosibirsk. Trotzdem! Bei uns ist es noch viel fürchterbarer. Weil, nämlich, es tröpfelt! Und wir haben seit gestern nicht einen Sonnenstrahl gesehen.

Wie gesagt: Weicheier. Und Heißduscher.

Kryptoanalyse, leicht gemacht

“OMG! O.M.G.!! These three, they’re like BFFs for 30 years now! After every Thu-class they slip in their PJs and head to an SP at Sue-Ellen’s. (Doch. Ehrlich. Sue-Ellen.) They’re having BLTs and Clubs and Po’boys and for dessert hot Cocoa (sprich “Koko”) with Baby-Marshmallows and get themselves to sleep with a coupla JDCs. Awesome! Isn’t it?”

Wenn ich hier nicht schon eine Weile leben würde, dann verstünde ich wohl allenfalls Bahnhof, aber inzwischen kann ich Deshas Lobeserguß auf die drei Dauerquasselstrippen beim Abendyoga spielend entschlüsseln: “Mein lieber Herr Gesangsverein! Die drei da sind seit 30 Jahren beste Freundinnen (für immer und immer und immer). Nach dem Donnerstagsunterricht schlüpfen sie immer gleich in ihre Schlafanzüge (“pajamas”) und gehen zum Übernachten zu Susi-Leni. Dort gibt es belegte Brote (BLT = Bacon, Lettuce, and Tomato Sandwich, Club = das gleiche noch mal: zwei Weißbrotscheiben, Mayo, Tomaten, Gürkchen, Speck, ein Salatblatt + Federtierstücke, Po’boy = die Grundbestandteile sind identisch, Speck und Federvieh werden durch Austern ersetzt, letztere gerne frittiert) und zum Nachtisch Heiße Schokolade mit kleinen Sumpf-Malven. Als Betthupferl reicht sie ein paar Jack Daniels mit Cola. Großartig, gell?”

Ich wollte doch bloß ein Held sein und an einem kalten windigen Abend meine Knochen im warmen Wasser aufwärmen und die Muskeln weichdehnen. Dann geh ich jetzt mal heim. Heiße Suppe essen und Neid vortäuschen üben.

Gelesen: “NOS4A2” von Joe Hill (unvollendet)

Ich fange gleich mal mit einem Spoiler an: “NOS4A2″ist das Nummernschild an einem alten Rolls Royce und spricht sich “Nosferatu”. Damit tue ich nichts, was der Autor nicht auch tut – alles ein bißchen übererklären und den Leser bloß nicht mit Selbstdenken überfordern.

Joe Hill hat einen Gruselthriller in bester Stephen-King-Tradition geschrieben und das ist nicht weiter verwunderlich, denn er ist dessen Sohn. Alles da, was man vom Papa kennt: ein Untoter (genau: Nosferatu), heranwachsende Kinder mit übersinnlichen Fähigkeiten, Entführungen, ein Gas, das nach Lebkuchen riecht und vom Erfüllungsgehilfen des Monsters wie Rohypnol als “rape drug” genutzt wird, grausige Morde, statisches Radioknistern

Christmasland