Typisch amerikanisch

Wir haben Spaß an all den Bissen und Sößchen und Häppchen und Würfelchen und Dingerlen aus aller Herren und Damen Länder, und jede/r erzählt gestenreich vom Einlegen, Marinieren, Köcheln, Schnipseln, Wickeln und der Freude am Zubereiten einer guten Mahlzeit. Fast zwangsläufig kommt dabei das Gespräch auf die amerikanische Küche und Amerikaner und ihr Verhältnis zum Essen. Das freundlichste Verdikt ist: schlampig. Zu faul, um anständige Mahlzeiten zuzubereiten seien sie. Dem Irrglauben anhängend, daß ein Zweiminuten-Mikrowellengericht wirklich schmecken könne wie von Auntie Annie homemade. Zu doof, um sich selbst ein belegtes Brot zuzubereiten. Sie kommen wirklich nicht gut weg. Zu recht.

Die amerikanische Gastgeberin, selbst eine leidenschaftliche und gute Köchin dazu abschließend: “When I saw the first P&J-Sandwich in the Frozen Food Department with my own eyes I knew that this country was going South.” (Als ich das erste mal im Supermarkt ein tiefgefrorenes Erdnußbutter-und-Marmelade-Sandwich entdeckt habe, wußte ich, daß dieses Land dem Untergang geweiht ist.)

Danach haben wir uns wieder über gekaperte Wörter* und Bücher unterhalten. (Habe jetzt eine ordentliche Literaturliste wegzulesen.)

* Einige wenige deutsche Beispiele: gestalt, wanderlust, uber, verfremdungseffekt, doppelganger, kitsch, schadenfreude…

Typisch deutsch

Ich bin heute zum Potluck eingeladen, das heißt, jede/r bringt eine Kleinigkeit zu essen mit. Vorzugsweise heimische, also Herkunftsküche. Und weil alle “sick” von dem ganzen Weihnachtssüßkram sind, soll ich was Herzhaftes beisteuern. Gar nicht so leicht, denn alles was mir in den Sinn kommt, von Mozzarellaspießchen bis Pitatäschchen mit Schafskäse und Oliven ist sehr lecker und sehr herzhaft, aber leider gar nicht deutsch.

Habs aber dann doch ganz einfach gelöst, seit dem frühen Morgen backe ich meine berühmten Schinken-Schmand-Zwiebelröhrl-Hörnchen und weil Toni mir dankenswerterweise hausgemachten Quark dagelassen hat, gibts ein Blech voll Quarktaschen noch oben drauf. Unter einer Bedingung: nur wer’s aussprechen kann, bekommt eine.

Unzuverlässiges Pack!

An einem Tag wie heute, wo ich zwar statt Ferien zu machen doch noch mal ins Büro muß, um diesem Dienstleister ein Internet abzutrotzen, wo aber andererseits ein Kollege netterweise die Frühschicht im sechsstündigen Wartefenster dieser Heinis übernommen hat, an einem solchen Tag bietet es sich doch förmlich an, früh ein Stündchen Aqua-Yoga zu turnen und mich anschließend beflügelt von den Warrior-Positionen dem Kampf gegen alles Unbill dieser Welt zu stellen. Und so treffe ich frohgemut frisch fröhlich frei mit Badekleidung drunter um kurz vor 9:00 im Schwimmbad ein.

Dort sitzt vor dem Empfangstresen eine sichtlich niedergeschlagene Desha. “Wazzup?” Nichts. Das sei es ja eben. No-Show. Ja, wie – hier stehe ich doch vor ihr, in the flesh und voller Sportsgeist. Tjaha, ich schon. Aber kein Lifeguard. Und ich lerne zu meiner großen Verblüffung, daß immer, wenn wir im an der tiefsten Stelle dreieinhalbfüße* tiefen Babypool mit Wasser spratzeln, zwei Lifeguards “on duty” sein müssen. Liability** reasons, das sei halt so. Nichts zu machen, sie muß mich wegschicken.

Wenn ein Tag schon so anfängt… Bin ich halt doch früh im Büro, mache allen möglichen Menschen die Hölle heiß, daß sie ihre Techniker, die ein Kabel vom Verteilerkasten in unser Büro ziehen müssen, endlich vorbeischicken (das durften wir wg. Liability reasons nicht selbst machen). Und dann tauchen da zwei Hansel auf, deren Kompetenz ich im Nachhinein zurecht von Anfang an bezweifelt habe und deren mangelnder Enthusiasmus von der ersten Minute an unzweifelhaft war. Um 6:00 Uhr abends habe ich dann meine inzwischen schon übliche e-mail an alle geschrieben, nämlich, daß wir immer noch kein Internet haben und daß doch bitte alle von zu Hause arbeiten sollen (wo sie welches haben). Aaaaarrrgggghhh!

Daß dann vier Mitarbeiter im Supermarkt keine Ahnung haben, was Phyllodough (Blätterteig) ist und mich in alle Tiefkühlgänge schicken, bis ich das Zeugs schließlich selbst finde; geschenkt. Ich hätte denen mit Liability kommen sollen. Liablility für meine Gemütsverfassung…

* Das ist vohlgemerkt ein (1) lächerlicher Meter

** Liability ist Haftbarkeit. Hört bloß auf mit dem Dreck!

Liability

25. Dezember

Man muß ja nicht Weihnachten feiern, um Weihnachtsbräuche zu haben. Ich, zum Beispiel, fahre traditionell am ersten Weihnachtsfeiertag nach Pacifica, hole mir einen Kaffee, stehe auf dem Steg den Krabbenfischern im Weg und schaue Regenbögen beim Wellenreiten zu. Auf dem Weg zum Auto schaue ich, wie man das als Local halt so macht, schnell nach Westen und denke mir angesichts der Nebelwand über dem Hügel sehr spontan: “Nein, heute nicht.” Stattdessen wähle ich das Alternativprogramm zum am Meer in einer Waschküche rumschlottern, schlüpfe in was Leichtes (T-Shirt, kurze Hosen, Sonnenhut, nackte Füße), richte mir im Garten den Liegestuhl zur Sonne aus und verbringe die Zeit bis zum Sonnenuntergang mit John Scalzis “Redshirts: A Novel with Three Codas” (kann man lesen, muß man aber nicht).

Nebenher freue ich mich, daß es mir inzwischen wurscht ist, ob ich ein Buch auf Englisch oder Deutsch lese; 1 Taschenbuch = 1 Nachmittag.

Organics is coming to San Bruno

Wer mit deutscher Mülltrennung sozialisiert wurde, dem stößt das hiesige Zusammenschmeißen allen Abfalls doch immer wieder sauer auf. Wir haben zwar für Papier, Glas, Dosen etc. gemeinsam eine große blaue Recycle-Tonne und für Gartenabraum eine grüne, aber in der waren bisher zum Beispiel Fallobst oder anderer kompostierbarer Abfall verboten (und Lyn hat mir regelmäßig Ermahnzettel in den Briefkasten geworfen, wenn sie mich bei ihren Tonnenkontrollen wieder dabei erwischt hat, daß ich heimlich gegen diese unsinnige Regel verstoße).

Jetzt kann ich meine Unmengen von Orangenschalen beruhigt in der Bio-Tonne entsorgen, San Bruno hat den Kompost entdeckt und mir dafür sogar ein neues Eimerchen* geschenkt. Weil das Konzept vielen Menschen offensichtlich vollkommen unvertraut ist, wurde eine Broschüre mit Anleitungen verteilt. s. u.

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Ich bin noch nicht ganz drüber weg, daß halb aufgegessenes grundsätzlich weggeschmissen wird und etwas überrascht, daß die “Boxes” mit den Resten aus dem Restaurant und Kaffeebecher tatsächlich “organic” sind – aber gut. Die müssens ja wissen.

Falls mich wer sucht, ich kann grad nicht. Ich muß Müll einfrieren…

*Das ist wunderbar belüftet und viel zu schade für Abfall, das nehme ich zum Aufbewahren. Für Kartoffeln.

Neu im Fernsehen “Orphan Black”

Wie immer habe ich mir die ganze erste Staffel in einem Rutsch angesehen und kann sie sehr empfehlen. SciFi (Klone und alles, was an Ethik-Diskussion damit einhergeht), Cop-Drama und eine exorbitant gute Hauptdarstellerin, Tatiana Maslany. Sie spielt alle Klone und läuft zu Hochtouren auf, wenn sie innerhalb der Rolle eine andere ihrer Klon-“Schwestern” darstellt.

Die 2. Staffel ist schon in Arbeit.

Anschauen!

Geschenkideen (absurd)

In der Radiowerbung brüllt mich ein “stanford-trained” Doktor an, er habe da ein Angebot, das ich nicht ausschlagen könne: Two-for-one!! Zwei was, Herr Doktor? Zwei was gibt’s zum Preis von einem? Ach, du Dummerle: zwei Augen lasere ich dir oder einem lieben Angehörigen, aber nur, wenn wir noch dieses Jahr einen Termin vereinbaren und der volle Preis im Voraus gelöhnt wird.

Fühle ich mich nicht auch unsicher? Wenig geliebt? Von der Gesellschaft ausgestoßen? Zum Glück gibt es jetzt Selbstvertrauen aus der Tube, sogar im ansprechend verpackten Holiday Gift Set und zum halben Preis. Will ich mir nicht selbst das Geschenk unendlicher Beliebtheit machen? Es ist so simpel: Einfach “Ovation* Hair Therapy” in die Haare schmieren und schon mögen mich alle, weil ich aussehe wie Heather Locklear.

HäuschenKaum ist man mal für ein Stündchen zum Schwimmen weg, schon schlägt wieder eine der vielen Maklerinnen zu, die hier regelmäßig herumstreifen, und will wissen, ob ich nicht mein Haus verkaufen will. Wo es dafür doch keinen besseren Zeitpunkt gibt als die Weihnachtszeit (alle Vorteile s. links), denn schließlich kaufen manche Leute mal schnell so ein Haus als Geschenk.

Kenne solche Leute nicht und wohne hier zur Miete – geht’s noch?

“Do you see yourself in Carmen?” will David Gockley von der SF Opera wissen. Und ob ich nicht ein paar Schülerabos sponsorn möchte, wo gerade junge Menschen so sehr von klassischer Musik profitieren täten. Man sehe doch schon an den nachfolgenden Zitaten, wie sehr sie Bizet berühre:
– “It was nice to see a woman be so powerful. But it was hard to relate to her because I get so, like, gooey with love.”
– “The music was great!”
– “José didn’t have to kill Carmen. He could have made a different choice.”

Total berührt. Genau. Gooey, gemeinplätzig und politisch korrekt. So wollen wir die nachfolgende Generation. Aber nicht mit meiner Kohle.

Morgen isses ausgestanden.

* Ovation assoziiert bei mir Ovulation. Keine Ahung, ob nur ich so schräg drauf bin, oder ob die unterschwellige Botschaft lautet: Eisprung – fruchtbar – viele Haare (im Marketingsprech = volles Haar)?

Anything goes

“Weil wir heute nur eine einzige Stunde haben und der Pool danach für Weihnachten schließt, dürft ihr euch aussuchen, was wir machen. What is it gonna be?” ruft unsere Aqua-Fitness-Instruktorin vom Beckenrand. Wir sind zwar nur zu viert, aber wir bestellen alles, was wir kennen und mögen:  Pilates, Tai Chi, Rücken, Boot Camp, Arthritis, Yoga – und das Tolle an Desha ist, daß sie uns on the spot zu einem Rock’n Roll Christmas-Medley Elemente aus der ganzen Wunschliste vorturnt und vorsingt, inklusive Luftgitarrensolo. Wir verlassen das Kinderbecken schwer “energized” und schweißgebadet.

Die einen haben noch Last-Minute-Einkäufe vor sich, die anderen Kochorgien und ich muß heute nix mehr. Keinen Geschenke einwickeln, keinen Baum anzünden, keinen Turkey begießen. Einfach nix. Sehr schön, das.

Vitamine frei Haus

Sam hat Orangen gebracht, für hiesige Verhältnisse unverkäuflich: gerade mal babyfaustgroß, hutzelig und braungefleckt. Vier ergeben ein randvolles Glas Saft und der ist über alle Maßen gut. So gut, daß man mir eine Jahresladung Konzentratsaftgallonen vor die Haustür stellen könnte und ich sie nicht gegen meine Tüte Tüpfelorangen eintauschen würde. Yummmiieeee!!