Exit-Strategie

Wenn mich früher mal jemand gefragt hätte, welches philantropische Steckenpferd Toni nach unserem erfolgreichen Exit* reiten wird, dann hätte ich ohne zu zögern geantwortet, daß er der Neuerer des amerikanischen Verkehrssystems wird, inklusive Infrastrukturplanung, Jungfahrerausbildung und der Einführung von DIN-Normen für Beschilderungen.

Nun zweifle ich. Es könnte nämlich sein, daß er statt der Herrschaft über die Straßen ein Backimperium anstrebt: heute morgen hat er mich mit frischen Brezen aus seiner Wunderbackstube überrascht. Richtige Brezen, von einem Software-Entwickler mit der seinem Berufsstand angemessenen Perfektion in Lauge getaucht (und selbstverständlich im Vorfeld recherchiert, welche seiner Küchengeräte bis zu welcher Konzentration laugentauglich sind), vorbildlich geschlungen, resch gebacken und sooooo lecker!

Bake on, Toni! Bake on!

* Die Aussicht auf Übernahme durch einen der hiesigen Giganten und damit die Umwandlung von Stock Options in richtig viel Geld hält die Wirtschaft im Silicon Valley in Gang. Durch Unmengen unbezahlter Überstunden, nicht genommener Urlaube und einen stetig genährten Hang zur Selbstausbeutung.

Wertegemeinschaft

budweiser_knitbotDer Bierbrauer Budweiser hat dieses Jahr auf sehr elegante Weise zwei sehr angelsächsische Traditionen miteinander verbunden: demjenigen, der während der vorweihnachtlichen Besäufnisse im Freundeskreis nüchtern bleibt, um die besoffene Bagage als Designated Driver anschließend heimzufahren, strickt der Budweiser Knitbot als Belohnung einen Ugly Holiday Sweater. (Letztere sind in dieser Saison aus unerfindlichen Gründen der totale Renner.)

Wenns schee macht.

Wieder was gelernt

Ich wußte bis dato nicht, daß man hierzulande in einem Geschäft Konsumgüter zurücklegen lassen und dort in Raten abbezahlen kann, bis sie einem endlich gehören. Die Praxis nennt man “Layaway” und sie wird im allgemeinen von Menschen genutzt, die ihren Lebensunterhalt von “paycheck to paycheck” finanzieren und deren “credit history” so schlecht ist, daß Kreditkartenfirmen ihnen die Plastikkarten verweigern. Hauptanbieter dieses für sie risikolosen Services sind große Ketten wie Walmart, Sears oder ToysRus – schlimmstenfalls kündigt der Kunde sein Layaway und dann wird immerhin eine Bearbeitungsgebühr fällig.

Weil sich auch arme Menschen dem Weihnachtskonsumgebot nicht entziehen und mehr reservieren, als sie sich leisten können, häufen sich nun gerade in der Adventszeit die “cancellations”. Das hat neulich einen Geschäftsmann in Florida so sehr gerührt, daß er eine Runde Zurückgelegtes bezahlt und es damit in die Schlagzeilen geschafft hat. Sein Beispiel machte Schule; seitdem sind im ganzen Land “Layaway-Santas” unterwegs und löhnen für fremder Leute Zeugs.

Nun herrscht Wohlgefallen. Der eine hat ein gutes Werk getan, der andere bekommt sein Stück langersehnter Ware umsonst, die Presse wird regelmäßig mit neuen rührseligen Vorweihnachtsgeschichten gefüttert und den Walmarts dieser Welt isses wurscht, wer zahlt. Hauptsache, daß.

Aus dem Vokabelheft

Fürderhin nennen wir einen “Pickup” nicht mehr Pickup, sondern nutzen die korrekte deutschen Übersetzung “Klaubauf”.

Danke, Christoph: Du hast mein “Wort des Jahres” kreiert!

“No Sports!”*

Das Thermometer steht nach einigen Tagen in den “lower thirties” immerhin auf stolzen 50F (10°C), als ich im Schwimmbad eintreffe; wohlgemerkt einem Freibad, das Prinzip Hallenbad hat sich in Kalifornien noch nicht wirklich herumgesprochen. Die Kindlein, die gerade das Becken für unsere Dicke-Damen-Spritzel-Stunde räumen, zeigen erschreckend bläuliche Teints, genauso wie mein großer Zeh, den ich schon mal probehalber in den Pool stippe. “Yeah”, bibbert die Schwimmlehrerin, “sorry, the heater is having issues”. Okay-ay. Wird schon gehen, ich trage schließlich Neopren. Leider nicht an den Beinen, und dann sind knapp unter 20°C Wassertemperatur bei leichter Brise und im Schatten durchaus eine Herausforderung. Da müssen wir drei Dicken jetzt durch, schlimmer kanns ja nicht werden.

Oh doch! Trainerin Desha hat als “special treat” eigens eine CD mit Weihnachtsliedern für uns zusammengestellt, vorwiegend Elvis (“my all time hero”) und Dolly Parton mit angeschlossenem Kinderchor. Das möchte man nicht hören. Das tut den Ohren weh und schmerzt im Hirn. Hmmm. Frieren, turnen und zu allem Überfluß sollen wir mitsingen – “Join the chorus… jingle bells, jingle bells… isn’t that fun?” Unser Spaß hält sich in Grenzen, wir bibbern und bewegen uns so schnell die arthritischen Knochen das im Wasser hergeben, und singen demonstrativ NICHT. Desha ist fassungslos: “Man könnte fast glauben, daß ihr alle Weihnachten nicht mögt…”. Kursteilnehmerin Judy, kurz, knapp und unamerikanisch ehrlich: “Dam’ right. What’s to like about this nonsense anyway?” Zustimmendes Zähneklappern von uns beiden anderen. Die Stunde endet mit einem Mißklang zwischen den beteiligten Parteien, wie echte Weihnachten. Desha geht ohne den üblichen Schwatz beleidigt ab, wir streben Richtung Duschen. Heißes Wasser! Viel! Jetzt sofort! Auf den ganzen kalten Körper! Nichts da. In dem Schwimmverein ist Murphy Ehrenmitglied und die Warmwasserleitung kaputt.

“Sorry for the inconvenience.” Euch geb ich “inconvenience”! Könnt ihr mir mal sagen, wie ich nach dieser Performance Innerer, den perfidesten Schweinehund von allen, nächste Woche überreden soll, wieder zum Sport zu gehen? Ich kann ihm förmlich dabei zusehen, wie er sich mit Scotch und Zigarre in seinem *Winston-Sessel einrichtet und vor dem Frühjahr nicht mehr daraus wegbewegen will.

Doing The Most Good

Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit stellt die Heilsarmee an jeder Straßenecke ihre Armee von Freiwilligen mit feuerroten Sammelbüchsen und dicken Glocken auf und sammelt für Bedürftige. So wie Keith, mit dem ich gestern beim Spenden ins Gespräch gekommen bin. Keith ist eigentlich Buchhalter, findet aber keinen Job und arbeitet jetzt die Nachtschicht an einer Tankstelle, “to make ends meet”. Außerdem bleibe ihm dann mehr Zeit, tagsüber seine Glocke zu schwingen. Weil, das müsse schließlich auch jemand machen. Für die Armen.

Wenn ich’s ihm nicht gesagt hätte, wäre ihm gar nicht aufgefallen, daß ihm dabei Flügel gewachsen sind.

Angel in disguise

Darauf ein “Hallelujah”!

Und mein Lieblingslied von Judy Henske: http://www.youtube.com/watch?v=foXs9bZq-vg

Erkenntnis

Eigentlich sind Ameisen wie Schnupfen: eine Woche kommen sie, eine Woche bleiben sie und eine Woche gehen sie.

Nachdem ich die ganze Woche gesprüht, Gel aufgetragen und weggeschwemmt habe, irren jetzt nur noch ein paar vereinzelte Nachhutbeauftragte herum und fragen sich, was das alles gebracht haben soll,

Ich sags euch: nix außer Tod und Verderben! Laßt es halt einfach zukünftig bleiben und macht euer Ameisending draußen. Da lasse ich euch in Ruhe. Großes Pfadfinderehrenwort.

Bravo Uruguay!

Uruguay ist das erste Land auf der Welt, das Anbau, Verkauf und Konsum von Marihuana legalisiert. Die amerikanischen Berichterstatter hat das heute sehr verwirrt und sie warten noch auf eine offizielle Stellungnahme aus Washington, bevor sie eine Meinung haben wollen.