1000 x Nebel

Nix da! Wir haben schon fast Anfang November und um diese Jahreszeit werden hier allenfalls Regenwolken gereicht (nicht wirklich), aber kein Nebel. Warum fährt dann jeder Dritte mit helleuchtender Nebelschlußleuchte?

Der Radiomoderator weiß mehr: eine Leuchtelampe hinten am Auto in Hellorange, die andere Seite schwarz ergibt nämlich ein Glaubensbekenntnis: „Go Giants!“ Er freue sich zwar über die vielen Mitfans, müsse aber doch darauf hinweisen, daß die CHP (California Highway Patrol) von der Lightshow möglicherweise nicht ganz so angetan und es eher angeraten sei, jetzt ganz fest die Finger zu kreuzen (das hiesige Äquivalent zum Daumen drücken), damit die Giganten nicht das zweite Spiel in Folge gegen die Königlichen verlieren. Noch dazu im ersten Heimspiel. Falls man einen Gott habe, sei jetzt die Zeit zu beten.

Ich bin über eine Stunde im Stau gestanden. Gebetsfrei, dafür herzhaft fluchend.

Im Kino: Calvary*

Das deutsche Feuilleton überschlägt sich gerade mit Lobgesängen über die Geschichte eines geläuterten Mannes und guten Hirten, dem eines seiner Schäflein bei der Beichte zunächst vom Mißbrauch in frühen Kinderjahren durch einen anderen Priester berichtet und ihm dann ankündigt, ihn dafür am Sonntag in einer Woche umzubringen. Stellvertretend für alle, die Unrecht begangen haben und um ein Zeichen zu setzen, wie Unschuld stirbt.

Es ist nicht untertrieben zu sagen, daß Brendan Gleesan die Rolle seines Lebens spielt. Er geht durch die ganze Gefühlspalette, von Fassungslosigkeit über Kampf, Abschiednehmen und Abrechnen, Resignation und Aufbäumen bis zum Moment, wo er sich entschließt, sein Kreuz zu tragen.

In den Nebenrollen findet sich die Crème de la Crème englischer und irischer Schauspieler, unter anderem der hochverehrte Chris O’Dowd.

Das deutsche Feuilleton hat recht: Anschauen! Anschauen! Anschauen!

(Wenn’s geht mit Untertiteln, ich hatte mit der O-Ton-Version doch manchmal zu kämpfen.)

* Deutscher Verleihtitel: “Am Sonntag bist du tot”

Aus dem Vokabelheft (für Fortgeschrittene)

Wegen des unaufhaltsamen Vormarsches der unheiligen Allianz aus Politischer Korrektheit und Antidiskriminierung um jeden Preis ist jetzt kein Mensch mehr behindert (handicapped), sondern allenfalls noch in Sinnen und Fähigkeiten beeinträchtig (impaired). So. Diese Vorrede hat’s gebraucht, damit sich die feine Gemeinheit des nachfolgenden Dialogs so richtig genießen läßt.

A: “Was hat eine gebildete Frau wie Lieselotte bloß dazu gebracht, sich mit so einem Schaumschläger einzulassen?”

B: “Judgement impaired?” (übertragen: “Urteilsvermögen krank geworden?”)

Schwer geprüft III

Frage: “Wann ist es erlaubt, ein Tier an der Autobahn auszusetzen?”

Ich bin noch jetzt sehr hin- und hergerissen zwischen

Antwort A: “Zu Beginn der Sommerferien.”
und
Antwort B: “In ländlichen Gegenden.”

Langweilig und richtig (und angekreuzt) ist
Antwort C: “Niemals!” (Never! – komplett mit Ausrufezeichen.)

Schwer geprüft II

Frage: “Wann ist es erlaubt, bei regnerischem und kühlem Wetter bei geöffnetem Fenster ein Kind unter 6 Jahren in einem parkenden Auto zurückzulassen?”

Lieblingsantwort: “Natürlich nur, wenn der Zündschlüssel steckt.”

Schwer geprüft I

Bei der theoretischen Fahrprüfung bekommt man hier immer drei Antworten angeboten, aus denen man tunlichst entweder die langsamste Geschwindigkeit oder das vermeintlich sicherste Vorgehen auswählt und liegt damit meist richtig.

Gestern hat es mich allerdings wirklich dermaßen in den Fingern gejuckt, auf die Frage “Was tun Sie, wenn ein “Peace Officer” (der hiesige Euphemismus für den Muchomacho-Cop in schwarzer Uniform) Sie aus seinem Fahrzeug heraus per Lautsprecher dazu auffordert, anzuhalten?” Antwort B auszuwählen: “Ich halte sofort vor dem Polizeiauto an (am besten im Feierabendverkehr auf dem 101 und blockiere damit eine Fahrspur), verlasse mein Fahrzeug und begrüße den Peace Officer freundlich.”

Im wirklichen Leben wäre man dann natürlich tot.

Aus dem Vokabelheft

Auf meine Reise nach Deutschland sei sie mir ja nicht wirklich neidisch, sagt eine Kollegin heute, aber daß ich auch in Frankreich gewesen sei, das mache sie richtig “helly-jelly”.

Mann, Frau! Willst du wissen, was mich so richtig helly-sauer macht? Wenn eine schon irgendwas ganz besonders findet und wünscht, dies mit “höllisch” zu betonen, dann bitte nicht “helly” sagen, das ist für beide peinlich, sie selbst und die Hölle. Und zweitens, Frau, du bist ungefähr 45 Jahre zu alt für saudummen Girliesprech. “Jelly” so wie in Jelly Bean (US-Abart von Gummibärchen) für ein so erwachsenes Wort wie “jealous”? Schäm dich.

Sonst zeige ich dir das Bild von der “Rue de la Rape”. https://flockblog.de/?p=24419

Sonnenuntergang in Orange*

Die Welt will mir heute ein wenig wirr erscheinen, und das liegt ausnahmsweise nicht nur an mir: mein Haus- und Hof-Autoradiosender kündigt an, in den nächsten paar Tagen “Royals” nicht mehr zu spielen, “sorry, Lorde – Go Giants!”. Aha. Was soll das? Auch in der Firma geht es kunterbunt zu, zwei Kolleginnen leuchten in Schwarz und Orange, fragen sich gegenseitig über das gestrige, das heutige und das morgige Spiel ab, und brechen in vorfreudige “Uiiiis” und “Ooooohs” aus, wegen der geplanten Stadionbesuche von Freitag bis Sonntag dieser Woche. Go Giants! Da waren nämlich die jeweiligen Gatten doch mal für was gut und haben Suuuupertickets besorgt. Freut mich auch, daß am Wochenende gespielt wird, erspart mir den üblichen Straßenverstopfheimspielstau. (Die Damen haben mich für den Rest des Tages keines Wortes mehr gewürdigt; Toni hatte sich schon durch die Frage “Spiel? Welches Spiel?” disqualifiziert.)

Was geht ab? Mann, ey, das weiß doch jedes Kind und seit heute früh auch ich: Die San Francisco Giants stehen gegen die Kansas Royals**  im Endspiel der “World Series” und man darf hier deswegen offiziell durchdrehen. Mit Flatterfähnchen am Auto herumbrausen oder welche an die Vorgartenhalloweengeistlein applizieren oder wildfremde Menschen auf dem Firmengelände mit “Go Giants!” anbrüllen. Übrigen: der Sieger ist immer eine amerikanische Mannschaft, denn in der Baseballwelt ist die “World” der World Series beschränkt auf den nordamerikanischen Kontinent. Aber wer wird kleinlich sein?

Ich natürlich.

 

* Den bejubelt der Mann im Abendradio mit “A sunset in orange! It’s a sign! Go Giants!”

** Wegen dieser vollkommen zusammenhanglosen Namensgleichheit entgehen der armen Lorde diese Woche die GEMA-Einnahmen.

Aus der Reihe “Geschichten von der Autobahn”

Auf dem Nummernschild des Autos im Stau vor mir steht “ZAHLTAG”. Seit dem rätsele ich: Ist das das neueste im Lehnwortsektor? Oder war das Auto einfach bloß sauteuer? Oder gibts dazu eine spannende Geschichte, die mindestens eine Vendetta zwischen zwei Famiglias umfaßt? Sowie mindestens ein geköpftes Pferd?

Kannitverstan

Mein alter ist nur noch bis zum 7. November gültig und mein deutscher hat zwar kein Verfallsdatum, ist aber hier nichts wert. Es war an der Zeit, mich um meinen neuen Führerschein zu kümmern (s. https://flockblog.de/?p=24169). Die amerikanischen Kollegen rieten von Besuchen an Vormittagen sowie freitags und montags ab und sprachen sich sehr wohlwollend für den Mittwochnachmittag aus, also habe ich ein stärkendes Süppchen zu mir genommen und bin nach der Mittagspause zur Außenstelle des Department of Motor Vehicles in Redwood City aufgebrochen. Mit dem Auto, natürlich. Anders kommt man da gar nicht hin.

Ich stelle mich in der Schlange der Unprivilegierten an, das sind die ohne vorherige Terminvereinbarung und die müssen warten, bis die etwas längere Schlange derer mit Termin abgearbeitet ist. Abarbeiten bedeutet, daß die Dame am Schalter sich das Anliegen vortragen läßt und dann eine Wartenummer vergibt. Meine “Renewal Notice” befindet sie, sei verwirrend und entspräche nicht den DMV-Richtlinien. Wieso ich ihr mit so einem Papier käme?  “Die ist doch von euch”, versuche ich die Verantwortung wieder von mir zu weisen. Nicht mir ihr! Ha! “Nee, ist von der Zentrale in Sacramento.” Sacramento ist der Sitz der kalifornischen Regierung und immer an allem Schuld. Gut, ist mir eigentlich alles vollkommen wurscht, sage ich und daß ich heute eh nur wegen der theoretischen Prüfung hier bin. Nein, sei ich nicht, sagt sie. Heute bekomme ich nur Fingerabdrücke genommen und muß bezahlen. Daraufhin verweise ich auf das Dokument: Hier stehe aber doch, daß der schriftliche Test abgenommen werde. Nix da! Nicht, soweit es sie betreffe. Das könne ich von ihr aus später mit anderen klären, das zu entscheiden läge “way above my paygrade” (dafür bezahle man ihr nicht genug).

Auch gut, dann setze ich mich jetzt zu den vielen anderen auf einen der blauen Plastikwartestühle und harre der Dinge, die da kommen und bevor ich mich über mich selbst ärgere, weil ich vergessen habe, ein Buch mitzubringen, bereite ich mich mit Unterstützung von http://bit.ly/1ymPCCe trotzdem auf die Prüfung vor, schaden kanns ja nicht. Das Nummernaufrufsystem scheint eine sehr amerikanische Spezialität zu sein und ist genau wie im Konsulat in Frankfurt, Buchstaben und dreistellige Zahlen und ohne jede Indikation, wann man denn möglicherweise selbst mal dran sein könnte. Nach gut eineinhalb Stunden ist es soweit, Schalter 21 werde sich meines Anliegens annehmen.

Auch der Dame an Schalter 21 leuchtet die Renewal Notice nicht ganze ein, aber man könne sich ja mal an die “procedure” machen. Will ich irgendwas an meinen Angaben ändern? Adresse, Augen- oder Haarfarbe, Gewicht, Größe oder so? Nein will ich nicht und lege nacheinander die abgefragten Papiere vor, Wartenummer, Renewal Notice, Driver License, Reisepaß, I-94. Wieso I-94? Hab ich nicht. Dieses Formular stellen eure Einreisebehörden doch seit über zwei Jahren nicht mehr aus. Die wirklich sehr freundliche Dame bedauert und drückt mir einen schon fast schwarzkopierten Zettel in die Hand. Doch, da stehe es: das Formular könne man sich bei Bedarf selbst online herunterladen. Wie, bei Bedarf? Habt ihr den vielleicht im Vorfeld angemeldet? Habt ihr nicht. Ja, das findet sie auch blöd, aber so sei es nun einmal. Ohne I-94 und Einreiseregistrierungsnummer komme man hier heute nicht weiter. Leider. Hmmm, denke ich mir lösungsorientiert wie ich bin, ich habe mein Smartphone an der Frau und damit ist das ü-ber-haupt kein Ding. Ich gehe dann mal schnell auf www.cbp.gov/I94 und besorge die Nummer, ja? Nein. Sie braucht das ausgedruckte Formular, zum Einscannen. Wie bitte? Daskannjawohlnichtwahrsein? Dafür habe ich mir jetzt auf diesen wiederlichen Plastikstühlen den Arsch breitgesessen, damit ihr Deppen mir jetzt ein Schriftstück abverlangt, das ihr auf eurem Anforderungsblatt noch nicht einmal ansatzweise erwähnt? Ja Himmelkruzitürken noch einmal! Verdammt und zugenäht! Zefix! Godvernommededom! Doch bevor ich einen auf HB-Männchen machen kann, schaltet sich die Kundin vom Nebenschalter ein.

Sie sei aus Spanien und in der gleichen Situation. Ich solle es doch machen wie sie: Den Wisch einfach via Telefon online beantragen und zwei Blocks die Straße runter sei ein FedEx-Shop, da könne man das Formular ausdrucken. Die Schalterdame ist von der Idee sehr angetan, DMV-untypisch wahnsinnig entgegenkommend und sagt, wenn ich das binnen 20 Minuten schaffte, dann solle ich unter Auslassung des Wartenummernprocedere direkt wieder zu ihr kommen und wir bekämen das alles vielleicht heute noch gebacken. Um 16:30 Uhr ist nämlich cut-off-time, danach geht dann nichts mehr, weil um 17:00 Uhr Dienstschluß ist. Die Zeit läuft: Ich tippe im Gehen flugs meinen Vor- und Nachnamen, danke meinen Eltern im Rennen, daß sie mich von Mittelnamen verschont haben, tippe weiter Geburts- und Einreisedatum sowie Reisepaßnummer, und auf dem Monitor erscheint der Hinweis “print”. Gut! Jetzt, du Eli von Fedex, habt ihr hier W-Lan, damit ich auf den Drucker zugreifen kann? Nein, hat er nicht, aber eine glänzende Idee – wir machen einen screen shot, den schicke ich ihm per mail, und er druckt ihn aus. Klappt alles wie’s Brezelbacken und wenige Augenblicke später bin ich im Besitz eines hochwertigen Screenshot-Farbdruckes, für 75 Cents + 7 Cents Steuern.

Der beeindruckt die Schalterdame beim DMV dermaßen, daß sie in Windeseile scant und Nummern abtippt, wieder scant und meine Daumenabdrücke nimmt und mich mit einem Riesenpapierstapel zur Kollegin schickt, auf daß die meine Daumenabdrücke (nicht fragen, doppelt hält besser) nehme und ein Foto mache, womit ich zum theoretischen Test zugelassen bin. Den ich im übrigen an einem vielbematschten Touchscreen mit Bravour, blitzschnell und null Fehlern absolviere, weil ich exakt dieselben Fragen in exakt dieser Reihenfolge keine Stunde vorher gelesen hatte und mich eines recht guten Kurzzeitgedächtnisses erfreue. Ich spreche wie angewiesen bei der Auswertungsdame vor. Sie bestätigt: “You passed the test. Hier ist Ihr aktueller Führerschein zurück und da ein vorläufiger für die Zwischenzeit und der neue wird binnen der nächsten 7 -30 Tage zugeschickt und Tschüß!” Ich bin ein wenig verwirrt und frage nach: “Äh, ich dachte, ich sollte noch einen “Behind-the-wheel-Test” machen und hatte angenommen, daß Sie mir hier einen Termin…” “You are doooooone” verabschiedet sie mich, in Tonfall und Geste einer Königin gleich, der der Hofnarr gerade an der letzten Faser ihres Geduldsfadens gezupft hat.

Auch recht. Dann gehe ich halt. Habe ja eigentlich alles, was ich wollte. Ich bin sehr gespannt, wie lange mein neuer Führerschein gültig sein wird*. Schau ma moi.

 

* Ein kleines nagendes Gefühl läßt mich vermuten, daß ich um die Fahrprüfung nicht herumkomme. Aber dann sind bestimmt wieder die in Sacramento schuld.