Sie ist noch immer auf Reisen

und hat inzwischen Straßburg und Mittelbergheim mit großem Bedauern hinter sich gelassen. Wir haben gelernt: Das Schnitzel bleibt in Straßburg! Gratiniertes ist mit Vorsicht zu genießen und wem Choucroute garnie verweigert wird, dem bleibt immer noch der Altstadt-Thai. Außerdem sollte sich der christliche Religionsbeauftragte unbedingt der Straßburger Kathedrale annehmen und die Händler aus dem Tempel schmeißen – ich sage nur Ölberg. (Wer Licht will, zahlt.)

Jetzt München. Das leuchtet umsonst.

Reise tuen und erzählen

“Heute sind alle Deitschen da” und drum ist die Stadt vollkommen verstopft und die privaten Parkplätze, die uns das Hotel vor der Anreise vollmundig versprochen hat, schon “lääääängst weg”. Wir könnten es, empfiehlt der nette Herr an der Rezeption, im Parkhaus am Bahnhof versuchen. Das sei nur 5 Minuten weg. Gehminuten. In Autodurchdenstaustehminuten sind das knapp 75. Aber wir haben Dusel und finden im vorletzten Stockwerk eine Lücke und müssen nicht bis zum Park&Ride Parkplatz an der Rotonde staustehen, und von da aus zwei Stationen mit der Trambahn zum Hotel zurück. Überhaupt, die Trambahn. Mit der haben die Straßburger, wie wir in einem Feldversuch feststellen, ja wirklich das ganz große Los gezogen. Wir beziehen zu Forschungszwecken ein Zimmer über den Gleisen: tagsüber fährt die Bahn alle Nase lang, und muß recht viel klingeln, weil wieder irgendwer die Gleise zustellt, abends fährt sie immer noch arg oft, so oft, daß man im Touristenschlender schier überrannt wird, und nachts auch. Das macht die Straßburger so glücklich, daß spätnachts/frühmorgens eine kleine Gruppe abgeordnet wird, um auf der engen Straße mit dem schönen Halleffekt zu singen und zu tanzen, wobei sich eine Frau hervortut, weil sie über einen gefühlt viel zu langen Zeitraum exakt die Stimmlage mit ihrer quietschenden Fahrradbremse hält. Für die Zeit ummara 3:00 Uhr früh liegen keine verläßlichen Daten vor, weder zum Ureinwohner, noch zum Transportmittel; das Forschungsteam bedauert, offensichtlich wurden beide kurz vom Schlaf befallen. Danach fährt die Bahn in einem für so frühe Morgenstunden recht häufigen Turnus. Glückliche Straßbürger!

Außerdem haben wir gelernt: Nie wieder gratiniert!

Leaving on a Jetplane

Obwohl wir erst spät aus dem Büro loskommen, bin ich rechtzeitig am Flughafen, Gepäck ist eingecheckt, noch eine schnelle SMS an Toni, daß ich jetzt zum Security Check gehe – und wo ist dieses verdammte Handy? Dammit! Doppeldammit! Das liegt daheim auf dem Küchentisch und lädt auf. Zefix! Kurz erwägen, ob ichs einfach zurücklasse. Ja? Nein! Geht nicht. Geht gar nicht! Also Blitzaktion starten: wieder raus aus dem Flughafen, da fährt auch schon das von mir herbeigewünschte Taxi vor, der Fahrer läßt mich, obwohl das ganz und gar illegal ist, bei “Departures” einsteigen, braust zum Häuschen, und während er am Ende der Sackgasse wendet, springe ich flott rein, Handy ab- und einstecken, wieder abschließen, noch ein Abschiedsblick und dann rasen wir auch schon wieder zum Flughafen. Keine 20 Minuten und 30 Dollar ärmer bin ich wieder am Ausgangspunkt, vor dem Security Schalter. Puuaaaahhh! Das ist gerade nochmal gutgegangen. An der Security ist nichts los, so sehr nichts, daß die TSA-Menschen sogar herzlich mit mir über meine Nachlässigkeit lachen, als ich durchgehe und das eben gerettete Handy in meiner Hosentasche piepst. Und die lachen sonst nie.

Das Gate füllt sich langsam mit Mitreisenden, am auffälligsten ist ein Vater mit vier Kindern + Frau, alle in butterblumengelben T-Shirts und in dem Gewimmel nicht zu übersehen. Bei näherer Betrachtung kann man sich allerdings nur wünschen, daß die Frau in einem kündbaren Anstellungsverhältnis steht, so wie der Typ sie jedes Mal anhirscht, wenn eines der Kinder Begleitung für einen Toilettengang braucht. Dann noch ein Model mit Entourage und mehr Handgepäck als die sechsköpfige Gelbfamilie insgesamt aufgegeben haben dürfte und eine Asiatin in knappem Top, die sich zur Freude aller anwesenden Männer durch die verschiedenen Warrior-Posen yogat. Manche Frauen nesteln verstohlen schon nach ihren Schlafbrillen, um ihren angetrauten Gaffern die Scheuklappen anzulegen.

Dann steigen wir ein und super! die 100 Dollar für den Platz am Notausgang haben sich echt rentiert. Ich müßte mir noch ca. einen halben Meter Bein wachsen lassen, damit ich bis an die Wand vorne reiche. Mein Nachbar ist ein polnischer Student, der gerade nach einem Vierteljahr Work and Travel wieder an die Uni in Breslau zurückfliegt und wir vertreiben uns die Zeit bis zum Abendessen mit darüber angeben, wer schon wo war und wie schön wir das dort fanden. Dann gehen wir schlafen und 11 Stunden später sind wir in München. So einen schönen ereignislosen Flug hatte ich schon lange nicht mehr. Und weil ich, kaum angekommen, gleich mit Rainer in seinen Geburtstag hineinfeiere, gehe ich erst ganz spät schlafen und bin so alle, daß ich nichts mehr tun kann, außer durchzuschlafen.

Jetzt gehts in Urlaub!

PS @ Toni: überhaupt.

Schlangenlinien

Ein bislang stark unterschätzter Risikofaktor im Innenraum von Kraftfahrzeugen sind Schlangen. Ja, Schlangen. Diese sich häutenden schuppigen wechselwarmen Biester. Warum sonst hätte der Pick-up Truck hinter mir nicht nur sämtliche Türen, die Heckklappe (dazu später) und auch seinen Kühlergrill in Grellgelb und sogar in Spiegelschrift mit der Frage beklebt: “Got Snakes?” So dicht, wie er auffährt, scheint er eine in meinem Kofferraum zu vermuten und ist offensichtlich einsatzbereit zu sofortiger “Humane Rattlesnake Removal & Consultation”. Brauch ich nicht. In meinem Kofferraum sind nur Klappboxen und meine Tasche mit den nassen Schwimmklamotten. Drum bin ich froh, daß er mich bei der ersten sich bietenden Möglichkeit überholt.

Sehe den monstergroßen gelben Heckaufkleber noch lange auf der schnurgeraden Strecke in jeder Spur aufblitzen. Schließe daraus, daß es sich bei dem Fahrstil um ein Berufsrisiko handelt (occupational hazard).

Polemik

Der Moderator einer satirischen Fernsehsendung befragt im Straßeninterview Passanten zum Thema Gewaltenteilung (“3 Branches of US Government”). Er wird viele richtige und halbwegs korrekte Antworten bekommen haben, gezeigt hat er diese Aussage eines mündigen Bürgers: Die drei Gewalten im Staat seien Feuerwehr, Post und Polizei. Warum diese – wahrscheinlich und hoffentlich – nicht repräsentative Antwort so erschreckend ist? Der Mann ist stolz darauf, als Wähler eingetragen zu sein.

Dazu muß man wissen, daß es in den USA kein zentrales Melderegister gibt und wer sein Wahlrecht ausüben will, sich dazu aktiv in ein Wählerregister eintragen lassen muß. Dies geschieht unter Vorlage einer “Picture ID”, im allgemeinen des Führerscheins, auf dem neben einem Photo die Anschrift der Person erfaßt ist und fällt damit in die Zuständigkeit des Department of Motorvehicles. Klingt komisch, ist aber so. Steht auch auf meiner Führerschein Renewal Notice: “Do you wish to register to vote?”

Hmmm. Do I?

“Stay dry”

Wetter konnte nicht geladen werden* Zunächst zu den Fakten: Gestern Nachmittag war der Himmel grau bedeckt und letzte Nacht haben sich die dicken schweren Wolken sehr gleichmäßig leergeregnet.

Nun zur nordkalifornischen Reaktion auf eine (1) lächerliche Regennacht: “Bleiben Sie trocken”, wünscht der Radiomann gestern Abend der geneigten Hörerschaft. “A hard rain is gonna fall.” Jawoll. Hard Rain. Genau. Keine Ahnung, wo der Mann das her hat, auf zwanzig Meilen Strecke gibt es gerade mal genug Feucht von Oben für zwei Mal Scheibenwischen. Hard Rain. Aha.

Meine Nacht ist ruhig und friedvoll und jedes Mal, wenn ich auch nur viertelt wach werde, säuselt mich der Regen wieder in den Schlaf und ich wache ausgeruht wie schon lange nicht mehr auf. Als ich ins Büro aufbreche, glitzert die Morgensonne auf ein paar wohlgefüllten Schlaglöchern und lacht sich über die eilends aufgestellten leuchtend gelben “Flooded”-Warnschilder kaputt. Ich würde ja mitlachen, aber offensichtlich bereiten sich die anderen Verkehrsteilnehmer auch gerade auf die schriftliche Fahrprüfung vor und haben gelernt, daß die Straße am gefährlichsten ist, wenn es nach einer langen Trockenperiode regnet. Bei den ängstlicheren Typen führt dieses Wissen dazu, daß sie so sehr kriechen, daß sie rechts und links von wagemutigen Weinbergschnecken überholt werden, andere haben ihre Kamikaze-Stirnbänder angelegt und kreuzen die Spuren im Jeronimo!-Stil, offensichtlich in dem Irrglauben, daß, wer rast, schneller wieder von der Straße weg ist. Normal fährt keiner. (Außer mir.) Über den Stromausfall im Büro wundern sich auch nur die Zugereisten. Und PG&E, der Stromversorger. “The cause is listed as unknown.” Ja dann. Es bleibt auch nur ein paar Minuten dunkel, dann ist alles wieder heil. Aber, unkt es, das könne beim nächsten Hard Rain schlimmer werden. Viel schlimmer!

Die einzigen, die die paar Tropfen nicht für eine Katastrophe halten, sind Feuerwehrleute und Waschbären. Erstere bekämpfen gerade allerorten Waldbrände und freuen sich über Luftunterstützung beim Löschen, letztere feiern Orgien auf matschigem Fallobst. Greisin Lyn von Nebenan hingegen ist es sehr sehr peinlich. Sie hat mir wieder ein Entschuldigungsschreiben in den Briefkasten gesteckt: Schlechtes Wetter sei a) um diese Jahreszeit vollkommen ungewöhnlich und b) ü-ber-haupt kein Grund, Kalifornien den Rücken zu kehren.

Will ich ja gar nicht. Ihr müßt mir aber versprechen, die Kirche wieder ins Dorf zurückzubringen: eine Regennacht ist eine Regennacht ist eine Regennacht. Und keine Katastrophe.

* Bei dem Bildchen handelt es sich um einen Screen Shot von GMX heute früh.

Aus dem Vokabelheft oder Reiner Schuhfall

Es ist wie immer, erst letzte Woche habe ich das Idiom “Waiting for the other shoe to drop” (Warten bis der andere Schuh fällt) gelernt, und seitdem begegnet es mir auf Schritt und Tritt, immer dann, wenn jemand sagen will, daß er auf die nächste Hiobsbotschaft wartet. Ihren Ursprung hat die Redewendung in einem alten Vaudeville-Witz, und der geht so:

Ein Reisender trifft spätabends in einem Hotel ein und wird ermahnt, sich mucksmäuschenstill zu verhalten, da der Herr im Zimmer nebenan äußerst geräuschempfindlich sei. Unser Reisender ist denn auch ganz vorsichtig, dreht den Schlüssel leise im Schloß, stellt seinen Koffer behutsam auf denTeppich, hängt Hut und Mantel auf, setzt sich geräuschlos auf sein Bett und löst seine Schnürsenkel. Er war den ganzen Tag auf den Beinen, der Fuß steckt fest, er zieht und bummmbadderabumm fällt der Schuh aufs Parkett. Ah, wie peinlich! Dabei hatte er doch so aufgepaßt. Kaum vernehmbar nestelt er sich aus dem Rest seiner Bekleidung, schleicht auf Samtpfoten noch schnell ins Bad, Spülen, denkt er sich, kann er auch morgen früh noch, rollt sich in seine Decke, löscht das Licht und dämmert weg. Eine Stunde später hämmert es an seiner Wand und hellwach vor Schreck hört er von nebenan eine anklagende Stimme: “Verdammt, wann werfen Sie endlich den zweiten Schuh?”

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Waffenbrüder

Brüder? Das ist so von Gestern, daß es schon beinahe von Vorgestern ist. Seit hier allerorten, meist auf Countylevel (entspricht ungefähr einem Landkreis) und übrigens vom dafür zuständigen Sheriff, das bißchen Waffengesetze noch weiter aufgeweicht wird und die Diskussion in vielen Fällen nur noch darum geht, ob man seine Schußwaffe verdeckt oder offen trägt (concealed or open carry), sind die Schwestern auf dem Vormarsch.

Carrie Lightfoot hat die Zeichen der Zeit erkannt und diesen Trend zum Geschäft gemacht. “In früheren Zeiten waren wir das beschützte Geschlecht. Heutzutage gehen Frauen zur Arbeit und sind alleinstehend. Sie bewegen sich nach wie vor in einer Männerwelt, haben aber keinen Beschützer mehr. Darum müssen wir uns selbst schützen.” Sagt sie. Und daß sie helfen will.

the-well-armed-woman

In ihrem Tante-Carrie-Laden gibt es Handtaschen mit verstecktem Waffeninnentäschchen (concealed), Büstenhalter mit Holster fürs Date-Pistölchen, “Mein-Hüfthalter-bringt-mich-um”-Modelle in Pink, Limone und wahlweise Blümchen- oder Leopardendruck, bezaubernde Ohrring- und Halskettensets aus Patronenhülsen und und und… (Mehr? s. http://www.thewellarmedwoman.com/)

egg-fryer-mold-225x200Man sollte auf keinen Fall versäumen, im Gun Giftshop vorbeizuschauen. Ich habe keine Ahnung, wozu man Eiswürfel in Pistolenform braucht. Die passen doch nicht mal mit Gewalt in die Shot-Gläser (hihi)? Andererseits, den Kauf dieses Eierförmchens würde ich möglicherweise erwägen. Ein Spiegelei wie das links zum Frühstück hält bestimmt jeden davon ab, einen beim Morgenmuffeln zu belästigen.

Falls das immer noch nicht genug ist, hat Carrie für ihre Kundinnen noch einen Superdeal im Holster: einen 100-Dollar-Coupon für die Neumitgliedin bei der NRA.

Manchmal denke ich mir, daß es langsam an der Zeit ist, zurück nach Hause zu gehen und dieses Land sich selbst zu überlassen.