Kannitverstan

Mein alter ist nur noch bis zum 7. November gültig und mein deutscher hat zwar kein Verfallsdatum, ist aber hier nichts wert. Es war an der Zeit, mich um meinen neuen Führerschein zu kümmern (s. https://flockblog.de/?p=24169). Die amerikanischen Kollegen rieten von Besuchen an Vormittagen sowie freitags und montags ab und sprachen sich sehr wohlwollend für den Mittwochnachmittag aus, also habe ich ein stärkendes Süppchen zu mir genommen und bin nach der Mittagspause zur Außenstelle des Department of Motor Vehicles in Redwood City aufgebrochen. Mit dem Auto, natürlich. Anders kommt man da gar nicht hin.

Ich stelle mich in der Schlange der Unprivilegierten an, das sind die ohne vorherige Terminvereinbarung und die müssen warten, bis die etwas längere Schlange derer mit Termin abgearbeitet ist. Abarbeiten bedeutet, daß die Dame am Schalter sich das Anliegen vortragen läßt und dann eine Wartenummer vergibt. Meine “Renewal Notice” befindet sie, sei verwirrend und entspräche nicht den DMV-Richtlinien. Wieso ich ihr mit so einem Papier käme?  “Die ist doch von euch”, versuche ich die Verantwortung wieder von mir zu weisen. Nicht mir ihr! Ha! “Nee, ist von der Zentrale in Sacramento.” Sacramento ist der Sitz der kalifornischen Regierung und immer an allem Schuld. Gut, ist mir eigentlich alles vollkommen wurscht, sage ich und daß ich heute eh nur wegen der theoretischen Prüfung hier bin. Nein, sei ich nicht, sagt sie. Heute bekomme ich nur Fingerabdrücke genommen und muß bezahlen. Daraufhin verweise ich auf das Dokument: Hier stehe aber doch, daß der schriftliche Test abgenommen werde. Nix da! Nicht, soweit es sie betreffe. Das könne ich von ihr aus später mit anderen klären, das zu entscheiden läge “way above my paygrade” (dafür bezahle man ihr nicht genug).

Auch gut, dann setze ich mich jetzt zu den vielen anderen auf einen der blauen Plastikwartestühle und harre der Dinge, die da kommen und bevor ich mich über mich selbst ärgere, weil ich vergessen habe, ein Buch mitzubringen, bereite ich mich mit Unterstützung von http://bit.ly/1ymPCCe trotzdem auf die Prüfung vor, schaden kanns ja nicht. Das Nummernaufrufsystem scheint eine sehr amerikanische Spezialität zu sein und ist genau wie im Konsulat in Frankfurt, Buchstaben und dreistellige Zahlen und ohne jede Indikation, wann man denn möglicherweise selbst mal dran sein könnte. Nach gut eineinhalb Stunden ist es soweit, Schalter 21 werde sich meines Anliegens annehmen.

Auch der Dame an Schalter 21 leuchtet die Renewal Notice nicht ganze ein, aber man könne sich ja mal an die “procedure” machen. Will ich irgendwas an meinen Angaben ändern? Adresse, Augen- oder Haarfarbe, Gewicht, Größe oder so? Nein will ich nicht und lege nacheinander die abgefragten Papiere vor, Wartenummer, Renewal Notice, Driver License, Reisepaß, I-94. Wieso I-94? Hab ich nicht. Dieses Formular stellen eure Einreisebehörden doch seit über zwei Jahren nicht mehr aus. Die wirklich sehr freundliche Dame bedauert und drückt mir einen schon fast schwarzkopierten Zettel in die Hand. Doch, da stehe es: das Formular könne man sich bei Bedarf selbst online herunterladen. Wie, bei Bedarf? Habt ihr den vielleicht im Vorfeld angemeldet? Habt ihr nicht. Ja, das findet sie auch blöd, aber so sei es nun einmal. Ohne I-94 und Einreiseregistrierungsnummer komme man hier heute nicht weiter. Leider. Hmmm, denke ich mir lösungsorientiert wie ich bin, ich habe mein Smartphone an der Frau und damit ist das ü-ber-haupt kein Ding. Ich gehe dann mal schnell auf www.cbp.gov/I94 und besorge die Nummer, ja? Nein. Sie braucht das ausgedruckte Formular, zum Einscannen. Wie bitte? Daskannjawohlnichtwahrsein? Dafür habe ich mir jetzt auf diesen wiederlichen Plastikstühlen den Arsch breitgesessen, damit ihr Deppen mir jetzt ein Schriftstück abverlangt, das ihr auf eurem Anforderungsblatt noch nicht einmal ansatzweise erwähnt? Ja Himmelkruzitürken noch einmal! Verdammt und zugenäht! Zefix! Godvernommededom! Doch bevor ich einen auf HB-Männchen machen kann, schaltet sich die Kundin vom Nebenschalter ein.

Sie sei aus Spanien und in der gleichen Situation. Ich solle es doch machen wie sie: Den Wisch einfach via Telefon online beantragen und zwei Blocks die Straße runter sei ein FedEx-Shop, da könne man das Formular ausdrucken. Die Schalterdame ist von der Idee sehr angetan, DMV-untypisch wahnsinnig entgegenkommend und sagt, wenn ich das binnen 20 Minuten schaffte, dann solle ich unter Auslassung des Wartenummernprocedere direkt wieder zu ihr kommen und wir bekämen das alles vielleicht heute noch gebacken. Um 16:30 Uhr ist nämlich cut-off-time, danach geht dann nichts mehr, weil um 17:00 Uhr Dienstschluß ist. Die Zeit läuft: Ich tippe im Gehen flugs meinen Vor- und Nachnamen, danke meinen Eltern im Rennen, daß sie mich von Mittelnamen verschont haben, tippe weiter Geburts- und Einreisedatum sowie Reisepaßnummer, und auf dem Monitor erscheint der Hinweis “print”. Gut! Jetzt, du Eli von Fedex, habt ihr hier W-Lan, damit ich auf den Drucker zugreifen kann? Nein, hat er nicht, aber eine glänzende Idee – wir machen einen screen shot, den schicke ich ihm per mail, und er druckt ihn aus. Klappt alles wie’s Brezelbacken und wenige Augenblicke später bin ich im Besitz eines hochwertigen Screenshot-Farbdruckes, für 75 Cents + 7 Cents Steuern.

Der beeindruckt die Schalterdame beim DMV dermaßen, daß sie in Windeseile scant und Nummern abtippt, wieder scant und meine Daumenabdrücke nimmt und mich mit einem Riesenpapierstapel zur Kollegin schickt, auf daß die meine Daumenabdrücke (nicht fragen, doppelt hält besser) nehme und ein Foto mache, womit ich zum theoretischen Test zugelassen bin. Den ich im übrigen an einem vielbematschten Touchscreen mit Bravour, blitzschnell und null Fehlern absolviere, weil ich exakt dieselben Fragen in exakt dieser Reihenfolge keine Stunde vorher gelesen hatte und mich eines recht guten Kurzzeitgedächtnisses erfreue. Ich spreche wie angewiesen bei der Auswertungsdame vor. Sie bestätigt: “You passed the test. Hier ist Ihr aktueller Führerschein zurück und da ein vorläufiger für die Zwischenzeit und der neue wird binnen der nächsten 7 -30 Tage zugeschickt und Tschüß!” Ich bin ein wenig verwirrt und frage nach: “Äh, ich dachte, ich sollte noch einen “Behind-the-wheel-Test” machen und hatte angenommen, daß Sie mir hier einen Termin…” “You are doooooone” verabschiedet sie mich, in Tonfall und Geste einer Königin gleich, der der Hofnarr gerade an der letzten Faser ihres Geduldsfadens gezupft hat.

Auch recht. Dann gehe ich halt. Habe ja eigentlich alles, was ich wollte. Ich bin sehr gespannt, wie lange mein neuer Führerschein gültig sein wird*. Schau ma moi.

 

* Ein kleines nagendes Gefühl läßt mich vermuten, daß ich um die Fahrprüfung nicht herumkomme. Aber dann sind bestimmt wieder die in Sacramento schuld.

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