Aus dem Vokabelheft

Das Verwünschen scheint aus der Mode gekommen zu sein. Das ist schade, denn es tut gut und keinem wirklich weh. Mein Allzeit-Liebling war, ist und wird immer bleiben “Geh weg und spiel mit was Giftigem!” Seit gestern weiß ich, wie die amerikanische Variante heißt: “Why don’t you go play marbles on the highway?”*

Ha! Jetzt habe ich schon zwei Favoriten!

* Hau ab und spiel Schusser auf der Autobahn.

Memento Mori

Es hat immer etwas Trauriges, wenn die Säfte schwinden. Äpfel verschrumpeln, Blätter fallen, Hintern fallen ein. Was mich jetzt wieder umtreibt? Keine Sorge, es ist kein Anfall von Herbstmelancholie, dazu ist es viel zu hell und sonnig. Ich bin nur neulich drei Ampelphasen lang an einer verstopften Kreuzung gestanden, und habe zugesehen, wie einem Katzenhintern die Luft ausging. Nein, ich habe auch keinen größeren Hau als sonst. Wieso?

Es ist vielmehr so: immer in den Wochen vor Halloween werden hier auf größeren Freiflächen  “Pumpkin Patches” aufgestellt. Lustige XXL-Spielplätze mit Rutschbahnen, Kinderkarussellen, Tschu-Tschu-Zug-Rundparcours, Bouncy Castles sowie Kürbisverkauf. Und auf jedem einzelnen Patch war die größte Attraktion eine riesige Hüpfburg-Monsterslide-Kombination in Form einer dicken fetten orangefarbenen Katze mit hochgerecktem Hintern und besorgniserregendem Hohlkreuz.

Die müssen jetzt alle wieder eingemottet werden, weil hier demnächst Santa Claus Ohtannenbäume verkaufen wird. Statt Orange werden die vorherrschenden Farben Weiß, Rot und Grün sein und statt Kürben werden Zuckerstangen (candy canes) potentiellen Kunden den Weg weisen, die Augen werden mit Kunstschnee beleidigt werden, die Nase mit saisonalen Düften aus der Dose und die Ohren mit klebriger Weihnachtsmusik.

Das alles bleibt der Katze erspart. Die Luft ist raus und sie verbringt Weihnachten aufgerollt und unbeschallt in einem trockenen dunklen Lagerraum.

Also wirklich!

Mann, Leben, grad mach ichs Maul zu und lobe ich dich vor 10 Minuten noch, daß du so hübsche Geschichten schreibst und dann muß ich lesen, daß Präsident Obama ausgerechnet eine Dame namens Loretta Lynch zur Justizministerin ernennen will.

Lynch-Justiz? Echt? Bist du jetzt unter die Satiriker gegangen?

 

Nachtrag: Daß die Autokorrektur aus “Lynch” “Lunch” macht, scheint meinen Verdacht zu bestätigen. Leben, spinnst du?

Rastaman Vibration

Daß das beste jamaikanische Restaurant in Santa Clara ausgerechnet an der Kifer Road liegt, werte ich jetzt mal als Hinweis darauf, daß das Leben doch immer noch ganz gute Geschichten schreibt. Nur mit der Rechtscheibung hapert es…

Am 11.11. um 11:00 Uhr

wird hier keiner berufsnärrisch. Nein, in Amerika und in den Ländern des britischen Commonwealth ist das ganz anders. Hier begeht man den “Remembrance Day”* und gedenkt der Kriegsteilnehmer des 1. Weltkriegs und des an diesem Tage geschlossenen Waffenstillstandes zwischen dem deutschen Kaiserreich und der Entente. Früher hat jedes Schulkind dieses Gedicht zum Tage auswendiggelernt:

“Ode of Remembrance” (Laurence Binyon’s “For the Fallen”)

They went with songs to the battle, they were young.
Straight of limb, true of eye, steady and aglow. They were staunch to the end against odds uncounted,
They fell with their faces to the foe.

They shall grow not old, as we that are left grow old:
Age shall not weary them, nor the years condemn.
At the going down of the sun and in the morning,
We will remember them.**

They mingle not with their laughing comrades again;
They sit no more at familiar tables of home;
They have no lot in our labour of the day-time;
They sleep beyond England’s foam.

Heutzutage haben die Kinder schulfrei und Erwachsene im Staatsdienst oder bei Post, Bank und dergleichen angestellt haben einen Federal AND State Holiday und sie fallen allesamt prompt in die nächste Mall ein. Die Weihnachtseinkäufe stehen an! Es sind nur noch 42 Shopping-Tage bis Christmas; die Panik steht manchen schon ins Gesicht geschrieben. Bei uns in der Firma machen wir das ein bißchen anders (meine Idee und ich bin stolz darauf): wer nicht wg. schulpflichtiger Blagen am kommenden Dienstag freinehmen muß, der kann sichs aussuchen, ob er gleich dieses Wochenende verlängert und am Montag daheimbleibt oder erst das nächste und am Freitag faulenzt.

Weihnachten, Neujahr, der Veterans Day und der 4. Juli sind die einzigen Feiertage hierzulande, die tatsächlich auf ein Datum fallen und sollte das mal unpraktischerweise an einem Wochenende liegen, werden sie nachgeholt. (Braucht man bei den wenigen Urlaubstagen hier aber auch.) Alle anderen Federal Holidays sind so organisiert, daß sie am 2. Montag oder 3. Wasweißich stattfinden. Ich mag das.

 

* In den USA umbenannt zum “Veterans Day” und das Gedenken um alle nachfolgenden Kriege erweitert.

** Man sagt im Commenwealth traditionell nur die mittlere Strophe auf; danach sprechen alle die letzte Zeile im Chor noch einmal ergriffen mit. Außer sie sind Australier. Dann heißt es: “Lest we forget!”

Wirklich das Allerletzte zu Halloween 2014

In den Geschäften werden die verbliebenen Süßigkeitenberge mit irren Bloß-weg-mit-dem-Zeug-Preisnachlässen abverkauft, vereinzelt hängen noch Skelette, Geister und Kürben mit feuerroten “Final Sale”-Schildern herum und in den “Spirit-Halloween”-Läden werkeln nur noch die Tatortreiniger. Was fehlt? Genau, Jimmy Kimmels alljährliche Schau der Grausamkeiten, in denen Eltern ihren Kindern erzählen, daß sie ihnen alle ihre schwer ertrickundtreateten Candies weggegessen haben http://bit.ly/1tEuRSQ.

Ganz schlimm finde ich die wohlabgerichteten “It’s okay”-Kinder. Dafür ist mein diesjähriger Favorit das kleine Mädchen, das mit einer klassischen Volte zurückschießt: “Eat an apple!”

Herzlichen Glückwunsch zum Ausgang der Midterm-Wahlen

Was ist Amerika heute? Ich habe neulich auf NPR ein Interview mit einem Schriftsteller gehört, dessen Namen ich entweder längt vergessen oder nie gewußt habe. Bin dem Herrn aber für seine sehr griffige Formel dankbar:

America is The Land of Opportunity turned into The Land of Opportunists“.

Wie sagt man das nun am besten auf Deutsch? Teil 1 ist einfach: “Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten”, aber dann fehlt noch der Opportunist. Und die Griffigkeit. Vielleicht so: “America Today, weit offen für Gesinnungslumpen.” Nah, das ist zwar wahr, aber auch nicht richtig gut.

Was bringt die Zukunft? Vorerst zwei Jahre totalen Stillstand mit Rumbrüllen und Grabenkämpfen sowie den teuersten Wahlkampf aller Zeiten. Man darf gespannt sein, wer sich den nächsten Präsidenten kauft.

Wasserschaden?

Die Helden von San Bruno Cable haben den halben Sommer gebraucht, um ihr wackeliges Internet zu reparieren (s. http://bit.ly/1Eewbio und http://bit.ly/1uoFbAm), damit ihre Kunden in den Genuß der in der Werbung vollmundig versprochenen superschnellen Netzanbindung kommen. (Beim Preise erhöhen waren sie schneller; Klischee, aber was will man machen?)

Seit Freitag gibt es wieder das Paket mit den ständigen Unterbrechungen. Was ist los? Hat’s euch auf die Leitung geregnet oder was? Dimpfel, elende! Wie soll frau denn da bloggen? Hmmm?

Clash of Cultures

Eines der Dinge, auf die ich mich bei meiner Reise nach Deutschland ganz besonders vorgefreut hatte, war, endlich daheim in meiner Sprache zu sprechen. So, wie mir der Schnabel gewachsen ist und mit der genau passenden Vokabel für das, was ich sagen will, ohne Ausflüchte in Synonyme und halbgare Beispiele und dann, verdammt, bin ich – für meine Begriffe viel zu häufig – ins Schwimmen geraten und der amerikanische Begriff hat sich vorgedrängelt. Nicht, daß dieses Phänomen ganz neu wäre (s. http://bit.ly/1odBomJ), aber trotzdem. Schön ist das nicht!

So richtig verstanden habe ich mich gefühlt, als mir ein Kollege heute früh diesen link schickte: http://bit.ly/1tBVacq. Mit dem Konflikt “T-Shirt kaufen oder Bild in den blogpost kopieren?” hatte ich nur ganz kurz zu kämpfen – diese Entscheidung wurde selbstverständlich von den Genen getroffen. Und die sind Schwaben.

der Moment wenn du denken

Gelesen: Nic Pizzolatto “Galveston”

Was Mimi halt so macht, wenn am Sonntag die Sonne scheint – sie setzt sich im Garten in den Schatten (jahaha!) und liest einen Krimi. Und nicht nur irgendeinen, nein, einen richtig schwarzen, so schwarz und dunkel, daß ihn selbst die Amis “noir” nennen.

Dem Vernehmen und dem Klappentext nach, ist “Galveston” ein Roman. Das ist aber nur bedingt wahr. In Wirklichkeit ist es ein in einigen Anflügen sehr geglücktes literarisches Exposé für einen Film mit Matthew McConaughey. Ein Einsamer Wolf und Mittelgroß-Krimineller mit terminaler Lungenkrebsdiagnose und ganz großem Herzen erzählt seine Lebensgeschichte, irgendwo zwischen New Orleans und Ganz-Grausig-Texas. Wer sich bei der Überschrift gedacht hat “Pizzolatto, Pizzolatto… irgendwas sagt mir der Name doch”, der/die ist meiner Empfehlung gefolgt und hat sich “True Detective” angesehen. Pizzolatto ist Erfinder, Autor und Produzent dieser großartigen Fernsehserie.

Nachtrag: Da denke ich mir, das liest sich doch schon fast wie ein Drehbuch und wie meine Recherchen vor zwei Minuten ergeben haben, kommt der Film 2015 ins Kino. Überraschenderweise mit Matthias Schoenaerts als Matthew McConaughey (http://imdb.to/10Q9VNy). Dann schau ma moi.