Aus all den Unsäglichkeiten, die mir die Lufthansa beim Rückflug andrehen wollte, habe ich einstimmig (me, myself, and I) diesen Porzellan-Mops als “Häßlichstes Ding, wofür jemand Geld von mir haben will” gewählt. Mein Sitznachbar, mit trockenem Humor gesegnet, nach einem Blick auf das Ungetüm: “38% billiger. Warum bloß?”
Initiative Bürger
Um der zunehmenden Militarisierung der hiesigen Polizei (s. https://flockblog.de/?p=26366) entgegenzuwirken, erwägt man in Kalifornien ein neues Gesetz, das Bürgern ein Mitspracherecht bei der Anschaffung von Polizeiausrüstung gewähren soll.
Der Sprecher der kalifornischen Sheriffs hält gar nichts von dieser Idee. Bürgerbeteiligung werde am Ende doch womöglich dazu führen, daß man der Polizei künftig den berechtigen Wunsch nach neuen Hubschraubern oder Mobiltelefonen abschlagen werde. Und dann? Dann würden diese Bürger aber am eigenen Leibe erleben, wie ihnen die Verbrecher auf der Nase herumtanzen. Hah!
Oh Mann!
Soulfood
Seit ich wieder hier bin, werde ich mit Leckereien geradezu beworfen. Den Anfang machte Nachbarin Carmen mit einer Familienportion Tamales, weil ich die doch so mag (und weil offensichtlich lange Abwesenheit gleich bewertet wird wie Krankheit – man bringt ein “homemade dish”). Und Toni erst, der Brötchen und Pandakekse gebacken und den Kühlschrank mit dem nötigsten befüllt hatte. Sonntags wurde per skype angefragt, was ich denn wohl montags im Büro gerne zu Mittag äße und auf meinen Schreibtisch wartete schon ein Schüsselchen mit den ersten Kirschen aus jemandes eigenem Garten. Heute gab es Meringen vom australischen Kollegen und als Krönung wurde mir nachmittags ein Heidelbeer-Schokoladenkuchen überreicht. Die Schablone für das Supersabine-Logo hatte ein anderer Kollege selbst aus Pappendeckel gefertigt und das Backwerk eigenhändig pudergezuckert, nur den Kuchen hat er von der Gattin backen lassen.

Wenn ichs nicht besser wüßte, würde ich fast vermuten, die wollen mich mästen…
Was bleibt.
Ja, was bleibt nach 24 Tagen in und um München herum? Erstens, ganz großer Respekt für Herrn Einstein, denn es fühlte sich irgendwie viel länger an als dreieinhalb Wochen. Und ebenso irgendwie viel kürzer. Relativ halt. Relativ zu was woaß i ned.
Und sonst?
- Blaue Haare. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht mindestens eine Frau mit einem Schopf in Indigo gesehen hätte; zum Schluß war ich soweit, daß ein Tag ohne Blaufrau als glückloser Tag gegolten hätte, wie ein Tag, an dem ich nicht irgendwo eine Findelmünze aufklaube.
- Die Erkenntnis, daß, was in München als GDL-Streik und fürchterlich eingeschränkte Bewegungsfreiheit gildet (“Wie, man wartet hier schon fast 10 Minuten und es ist (beleidigter Unterton) immer noch keine Tram da?”), hierzulande dem Traum von funktionierenden ÖPNV schon ganz ganz nahe kommt.
- Daß ich in der Höchstphase meines Aufenthalts mit vier fremden Schlüsselbunden (mit angeschlossenem Aufenthaltsrecht) gesegnet war, und mit jeder Schlüsselrückgabe die Abreise in greifbarere Nähe rückte.
- Überhaupt: ich weiß jetzt, wie Abschied klingt. Wie zugezogene Reißverschlüsse.
- Griechische Restaurants (Mykonos-Platte für zwei Personen mit Fleischmengen für ca. vier) gibt es nur noch in der Vorstadt. In der Stadt haben die Vietnamesen die Gastronomie übernommen.
- Studenten trinken mehr als früher, vor allem Kaffeegetränke und Säfte. Die Baristas schenken in Locations mit coolen Namen in Neon aus; zu meiner Zeit waren das alles Buchhandlungen.
- Wo’s nichts zu trinken gibt, gibt es statt Büchern nunmehr Tracht, um nicht zu sagen, Niedertracht. Was man in den Auslagen so sieht ist alleweil arg nahe am Fetisch. Dazu muß ich, glaube ich, noch eine längere Abhandlung schreiben, wenn ich fertig darüber nachgedacht habe.
- Kaufladen spielen macht Spaß. Danke, Gabi!
- Während ich dies schreibe, ist im Silicon Valley drei (3) Mal das Internet ausgefallen – Großes Lob an München: da ist mir das nie passiert und alle W-Lans, in denen ich je mal angemeldet war, haben sich an mich erinnert. Meins hier zu Hause in San Bruno hatte eine kurzfristige Gedächtnislücke…
- Wettermäßig schenken sich die Regionen zur Zeit gar nichts; es ist zwar nicht so naß wie in Bayern, dafür toben pazifische Stürme, die in Colorado sogar Neuschnee bringen und der Nebel hängt so grau und tief, daß sich mir die Haare zum Afro kräuseln.
- Bei einem möglichen Rückumzug muß ich nur noch mit dem Söder klären, wie sich die Voralpenlandschaft gegen den Pazifik (auch anteilsweise) austauschen läßt. Es gibt nämlich immer noch nix besseres fürs Gemüt, als sonntagnachmittags auf dem Steg in Pacifica mit einem Heißgetränk in der Hand bei den Crabbern und Fischern zu kibitzen und sich richtig zu freuen, daß ein Seehund Kunststücke vorschwimmt. Sowie windschnittige Möwen, anlandige Wellen und überhaupt.
Mir geht es wie dem alten Miesepeter Brecht. Mit einer ganz wichtigen Ausnahme: ich bin gerne, wo ich herkomme und ich bin gerne wo ich hingehe. Ungeduldig bin ich trotzdem auch.
Der Radwechsel
Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
mit Ungeduld?
Wandervogel
Jetlag, das auf Kontinentalreisende spezialisierte Sauvieh, hat sich bei der Suche nach einem neuen Wirtstier ohne große Umstände auf mich festlegen können. Mit Albernheiten wie frühmorgendlichem Gezwitscher oder dergleichen hält er sich inzwischen gar nicht mehr auf, nicht doch. Er fährt dazu noch obendrauf die ganz fetten Geschütze auf, wie Schlafanfälle am frühen Abend, kombiniert mit Wachglöckerln zur Geisterstunde, alle denk- und undenkbaren Nachtmahre und so oft wieder wachrütteln, bis ich entnervt um 5:00 Uhr früh – und dann doch zu Vogellärm – alle weiteren Schlafversuche einstelle. Ebenfalls im Programm hat er nagenden Hunger um 3:00 Uhr morgens und wilde Körpertemperaturgefälle zu allen Tages- und Nachtzeiten. “Meinen Nerz, jetzt, sofort! Oder nein, doch lieber eine eiskalte Dusche, auch jetzt, sofort!” Ich mag gar nicht daran denken, daß das in weniger als drei Monaten in die andere Richtung schon wieder ansteht.
Mag vielleicht wer einen leicht gebrauchten aber immer noch funktionstüchtigen Jetlag? Ich packe ihn auch ein. In Buntpapier mit Schleiferl.
Close Encounters of the Third Kind
An jedem der sechs (6!) geöffneten Einreiseschalter warten gerade mal fünf (5!) Menschen, die alle sehr zügig abgefertigt werden. Als ich dran bin und die Frage nach dem Grund meines Aufenthaltes wahrheitsgemäß mit dem Verkauf meines bisherigen Arbeitgebers und meinem “Transition” – Beratungsauftrag beantworte, geschieht etwas, was noch niemals nie nicht an einem Immigration-Schalter vorgekommen ist: der uniformierte Herr wechselt in den Trost- und Mutmachermodus. Kennt er alles, von seinem Bruder nämlich. Der war damals bei der großen Entlassungswelle von HP dabei, endete in einer Art Auffanggesellschaft und wurde zu wesentlich schlechteren Konditionen als “Consultant” von Hewlett Packard wieder engagiert. Doch kaum ein halbes Jahr später hätten die da oben sich besonnen und eingesehen, daß es ohne seinen Bruder nicht geht und er wurde re-hired, mit einem höheren Gehalt als je zuvor. Ich solle mir keine Sorgen machen, genau das werde bei mir auch eintreten. Dafür kreuze er alle Finger (das entspricht hier dem Daumen drücken) und die Zehen gleich mit. “What would California be without you?” Mir bleibt schlichtweg die Spucke weg. Ja. Klar. Danke auch. Wiedersehen, Sie netter Mann. Ich muß in einem Parallel-Universum gelandet sein, sonst würde doch mein Koffer nicht schon wie selbstverständlich auf dem Gepäckband kreisen und daß es Mister Customs Man not pleased to touch my Schokoladen- und Haribobags ist bestimmt der finale Beweis.
Erst als Toni (nur echt mit dem Monsterbart) bei “Arrivals” vorfährt, mich verlädt und zum Häuschen bringt, in dem sich die Anzahl von Ameisenleichen und Spinnenweben die Waage halten, ziehe ich die Möglichkeit in Erwägung, daß das hier alles doch echt ist und die Ursache für meine ungewohnten Erfahrungen im magischen Mai und seinen sprichwörtlichen Erneuerungskräften zu suchen ist.
Holla!
Plan B
Weil man ja in Bayern im Mai immer noch eine Schlechtwettervariante braucht, gibts statt Nachenfahrt zur Roseninsel Im-Wald-Rumlaufen. Und zwar in Rosenheim, da haben sie nämlich den Regenwald überdacht. Auf dem Weg liegen Dörfer mit so schönen Namen wie “Willing” – wobei “Unwilling”, das natürliche Schwesterkaff, übrigens nicht ausgeschildert war und dieser Umstand uns zu den wildesten Mutmaßungen (Feinde, Schlachten, Übeltäter) animierte und unzählige Zwiebeltürme, wobei mehrfach die Absprache zwischen Kirchturmbauer und Zwiebelplaner gefehlt zu haben scheint und zum Design “Dicker-Klops-auf-dünnem-Stengel” führte. Nett und kurzweilig ist die Fahrt und schon sind wir im P1, was in Rosenheim keine coole Disco, sondern ein Parkhaus ist.
Da ist den Herren und Damen Lokschuppen eine recht hübsche Ausstellung gelungen! Genug Ameisen, um meinen Begleiter glücklich zu stimmen (mich auch, ich hätte denen noch stundenlang beim Blättersäbeln und -schleppen zuschauen können), viel Wissenswertes ansprechend aufbereitet, doch ja. Leider auch wahnsinnig familienfreundlich. Ein bißchen habe ich mich zurückgesehnt in die alten Zeiten, wo Väter zu Himmelfahrt zuverlässig mit dem Bollerwagen saufend durch die Lande ziehen und Weib und Kinderschar daheim sich selbst überlassen, dann hätte ich nicht laufend in den eh schon engen vollen und verwinkelten Räumlichkeiten noch Super-Outdoor-Strollerreifen in die Hacken gekriegt. Mir will scheinen, daß standesbewußte Eltern keine Kinderwagen in Normalgrößen oder gar Buggies in ihren Geländewagen mitführen können; da braucht scheint’s auch das Balggefährt Breitreifen mit Heftigprofil.
Aber sonst war’s wirklich sehr schön und im übrigen gildet die Liberalitas Bavariae. Das ist mir dann auch gleich wieder eingefallen, als wir auf dem Schuppenvorplatz bei mildem Sonnenschein ein Regenwald-Motto-Mittagessen zu uns genommen hatten.
Voller Bauch ist friedlfertig.
Aus gegebenem Anlaß
Der Mensch ist ein Tauscher. Arbeit gegen Geld (oder gleich Essen), Schüler aus A gegen Schüler aus B, Frauen (unter Beteiligung von RTL II), Hütten gegen Paläste sowie Kultur, Kunst und überhaupt.
Mir ist heute Nacht, während ich zunächst ein pyrotechnikpreisverdächtiges Wetterleuchten und anschließend einen mächtigen Maigewittersturm mit Blitz und Donner und Gartenmöbelumeinanderwerfen bestaunt habe, eine ganz wunderbare Idee gekommen: wie wäre es denn mit einem Wetteraustauschprogramm? Als Pilotteilnehmer schlage ich München und Umland und die Bay Area vor, und zwar, weil ich ein bekennendes Weichei bin, rückwirkend von meiner An- bis zu meiner Abreise. Für die Bayern wäre dabei ein warmer und sonniger Frühsommer herausgesprungen und für die Kalifornier das nie gekannte Gefühl der Freizeitplanung mit “Was mach ma bei schlechtem Wetter?”-Alternative sowie Fliederduft und geradezu verschwenderische Wasser-von-oben-Zufuhr. (Hiesige meteorologische Fachterminologie: “Es regnet Katzen und Läuse”.)
Werte Landesväter Horst und Jerry, übernehmen Sie?
Wanted!
Seit ich in Deutschland bin, ist meine Muse abgängig. Wir haben sonst ein sehr enges Verhältnis und sie neigt dazu, mich – unabhängig von der Tageszeit oder meinen Plänen (denen schon gar nicht) – in ihre leidenschaftlichen Umarmungen zu zerren und unter heißen Küssen und vollkommener Ignoranz von Hunger oder Harndrang mit halblaut heiser gehauchtem “Schreiben…, weiterschreiben…, schreib das auf!” zu meiner Chronistinnenpflicht anzuhalten. Dann tue ich wie geheißen und sie begleitet jedes meiner Worte und die oft schwere Geburt ganzer Sätze und Abschnitte wohlwollend mit den Beflügelflügeln schlagend. Aktuell rauscht sie höchstens mal ab und zu vorbei, tätschelt mir den Kopf, kommentiert meine Beobachtungen mit einem herablassenden “ja, ganz hübsch”, tritt ungeduldig von einem Bein aufs andere, bis ich sie notiert habe und wusch! ist sie wieder fort.
Muse, wir müssen reden! Ich bin nicht sicher, ob du die Aussicht auf einen Deutschlandaufenthalt mit Ferien verwechselt hast (sollte sie inzwischen aus leidvoller Erfahrung besser wissen) oder ob in der Musenverwandtschaft im Mai viele Familienfeiern anstehen (was bei acht Schwestern nicht überraschend wäre) – aber dann sag doch was! Kann man sich ja absprechen. Laß mich doch bitte nicht einfach so im Regen stehen. Oder bist du etwa… eifersüchtig? Weil ich nicht so viel Zeit für dich habe wie sonst?
Mußt du nicht. The rainy days are over, wir sind bald wieder in Kalifornien. Also pack dein Zeugs und melde dich zum Dienst! Es gibt viel zu erzählen.


