Was bleibt.

Ja, was bleibt nach 24 Tagen in und um München herum? Erstens, ganz großer Respekt für Herrn Einstein, denn es fühlte sich irgendwie viel länger an als dreieinhalb Wochen. Und ebenso irgendwie viel kürzer. Relativ halt. Relativ zu was woaß i ned.

Und sonst?

  • Blaue Haare. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht mindestens eine Frau mit einem Schopf in Indigo gesehen hätte; zum Schluß war ich soweit, daß ein Tag ohne Blaufrau als glückloser Tag gegolten hätte, wie ein Tag, an dem ich nicht irgendwo eine Findelmünze aufklaube.
  • Die Erkenntnis, daß, was in München als GDL-Streik und fürchterlich eingeschränkte Bewegungsfreiheit gildet (“Wie, man wartet hier schon fast 10 Minuten und es ist (beleidigter Unterton) immer noch keine Tram da?”), hierzulande dem Traum von funktionierenden ÖPNV schon ganz ganz nahe kommt.
  • Daß ich in der Höchstphase meines Aufenthalts mit vier fremden Schlüsselbunden (mit angeschlossenem Aufenthaltsrecht) gesegnet war, und mit jeder Schlüsselrückgabe die Abreise in greifbarere Nähe rückte.
  • Überhaupt: ich weiß jetzt, wie Abschied klingt. Wie zugezogene Reißverschlüsse.
  • Griechische Restaurants (Mykonos-Platte für zwei Personen mit Fleischmengen für ca. vier) gibt es nur noch in der Vorstadt. In der Stadt haben die Vietnamesen die Gastronomie übernommen.
  • Studenten trinken mehr als früher, vor allem Kaffeegetränke und Säfte. Die Baristas schenken in Locations mit coolen Namen in Neon aus; zu meiner Zeit waren das alles Buchhandlungen.
  • Wo’s nichts zu trinken gibt, gibt es statt Büchern nunmehr Tracht, um nicht zu sagen, Niedertracht. Was man in den Auslagen so sieht ist alleweil arg nahe am Fetisch. Dazu muß ich, glaube ich, noch eine längere Abhandlung schreiben, wenn ich fertig darüber nachgedacht habe.
  • Kaufladen spielen macht Spaß. Danke, Gabi!
  • Während ich dies schreibe, ist im Silicon Valley drei (3) Mal das Internet ausgefallen – Großes Lob an München: da ist mir das nie passiert und alle W-Lans, in denen ich je mal angemeldet war, haben sich an mich erinnert. Meins hier zu Hause in San Bruno hatte eine kurzfristige Gedächtnislücke…
  • Wettermäßig schenken sich die Regionen zur Zeit gar nichts; es ist zwar nicht so naß wie in Bayern, dafür toben pazifische Stürme, die in Colorado sogar Neuschnee bringen und der Nebel hängt so grau und tief, daß sich mir die Haare zum Afro kräuseln.
  • Bei einem möglichen Rückumzug muß ich nur noch mit dem Söder klären, wie sich die Voralpenlandschaft gegen den Pazifik (auch anteilsweise) austauschen läßt. Es gibt nämlich immer noch nix besseres fürs Gemüt, als sonntagnachmittags auf dem Steg in Pacifica mit einem Heißgetränk in der Hand bei den Crabbern und Fischern zu kibitzen und sich richtig zu freuen, daß ein Seehund Kunststücke vorschwimmt. Sowie windschnittige Möwen, anlandige Wellen und überhaupt.

Mir geht es wie dem alten Miesepeter Brecht. Mit einer ganz wichtigen Ausnahme: ich bin gerne, wo ich herkomme und ich bin gerne wo ich hingehe. Ungeduldig bin ich trotzdem auch.

Der Radwechsel
Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
mit Ungeduld?

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