Gelesen: Leonhard M. Seidl “Letzte Ausfahrt Giesing”

Zum Einzug und Wiedereinleben hat mir ein wohlmeinender Freund einen Münchenkrimi geschenkt, den ich gestern in weniger als einer Stunde zu Altpapier gelesen habe, erst zeilenweise, wie sichs gehört, dann nur noch diagonal, was diesem Schund schon zu viel Ehre erwiesen war. Verriß gefällig?

Haben es alle bemerkt? Wirklich alle? Hmmm? Schon mit dem Titel biedert sich der Autor bei einem großen Werk der Kriminalliteratur an und es geht noch viel schlimmer weiter in der Geschichte um den Ex-Korruptcop-Jetzt-Privatermittler mit goldenem Herzen und hyperaktivem Schwanz und dem furchtbar sprechenden Namen Valentin Gaukler (Etymologie wird im Buch ausführlich erklärt, nicht, dass es nochmal so geht wie mit dem Titel und wer was nicht mitkriegt). Alle seine Figuren sind Typen mit irre witzigen Spitznamen, die Frauen Mütter, Huren oder beides und samt und sonders nymphoman, die Männer Alkoholiker, dummgesoffen oder schon so geboren. Die Antagonisten sind reich und darum korrupte gierige Brutalgentrifizierer mit Betonmischmaschinen und einer Korona von Anwälten, die Helden weniger gut gestellt, haben aber dafür je ein goldenes Herz, eine Stahlleber sowie ein allzeit bereites Geschlechtsorgan, siehe oben.

Weil sich grade nix so gut verkauft wie Regionalkrimis, müssen Giesinger Straßen, Plätze, Landmarken als Schauplätze herhalten, auf denen ordentlich blutig gedroschen und wild partnertauschend gevögelt wird. Im Anschluß an eine dieser Aktivitäten (hab vergessen welche und keinen Bock, nachzusehen) wird des Helden Liebste ermordet und dann gehts aber los und er zeigt es Denen Da Oben aber so richtig richtig! Auge um Auge, Betonguß um Betonguß. So einen Dreck habe ich selten gelesen, obwohl (oder weil?) Herr Seidl sich nicht entblödet, gelegentlich Shakespeare und Goethe zu zitieren, damit auch der dümmste Leser merkt, dass hier ein gebildeter Mann am Schreibwerk ist. Darauf ein tiefempfundes Fack ju Göthe bzw. Suck Me Shakespeer!

Was habe ich gelernt? Ich kannte bis dato weder “Tortellini Alabama” (Tortellini alla panna) noch die “Rentner-Bravo” (Apothekerzeitung). Bloß, für diesen Erkenntnisgewinn hätte es vollkommen genügt, die “Erläuterungen” auf Seite 250 zu lesen.

Möge “Letzte Ausfahrt Giesing” künftigen Generationen als Zellstoffprodukt dienen. Da paßt dann auch der Titel.

Aus zweitem Mund?

Der Akku meiner elektrischen Zahnbürste aus Amerika läßt gerade bitter nach; irgendwas am hiesigen Strom taugt ihm wohl nicht, er lädt auf inzwischen schon nicht mehr genug nach, als dass es für ein Mal Zähneputzen reichen täte. Ersatz muß her. Und weil heute Sonntag ist und this not America, geh ich online Shopping. Sagt an, Trader Jeff, was habt Ihr für mich? Schau an, Modelle in allen Größen, Farben, Preis- und Qualitätsklassen. Auch “Gebraucht – Gut” und “Gebraucht – Akzeptabel”. Ah, nah. Igittigitt!

Hör Er zu, Jeff, das ist nicht gut fürs Geschäft: Noch nicht einmal Knausella Scrooge, Tochter eines Schotten und einer Schwäbin und Leiterin einer erfolgreichen Second-Hand-Shop-Kette würde den Kauf einer fremdgebißgeputzthabenden Zahnbürste auch nur einen Wimpernschlag lang in Erwägung ziehen. Bitte aus dem Angebot nehmen. Pronto!

Fleischeslust

Hab ich schon erzählt? Auf meiner Straße ist am Samstagmorgen immer Markt. Nicht groß und sehr überschaubar, zwei Metzger, ein Fischtandler, ein Bäck, ein Käsemann, eine Hendlbraterei, einer mit Kruscht, Wollsocken und Kittelschürzen, ein anderer mit Federvieh und Marmeladen, dann noch Blumen, Obst, Gemüse und fürs Exotische ist unsere Frau Lilifer Sadak (so ein schöner Name!) zuständig, bei der gibts Feigen, Oliven und anderes Eingelegtes sowie frisches Fladenbrot.

Bisher haben mich die langen Schlangen meistens abgeschreckt, aber heute war ich, vom Falschwaschweibe aufgehalten, erst kurz vor Verkaufswagenschluß da und habe mich ohne langes Warten durch diverse Specke und “G’reicherts und G’selchtes” probiert und außerdem mit hausgemachten Leberspätzle, Brätnockerln, Speckknödeln sowie einem “bachenen” Leberknödel zum Probieren eingedeckt. Dem Kunden vor mir war zum Kloß noch der Rat erteilt worden, er möge “der Frau” sagen, dass gebackene Leberknödel eine etwas längere Kochzeit haben, bei mir wurde das Fachwissen vorausgesetzt (“können’S Eahna gwieß denga, dass der länga brauch”).

Nur noch 10 Minuten bis zur Supersuppe.

Frostmorgen

Atem zweitverwertet.
Am Busstop kollidieren
klobige Kapuzenautisten.

Aus der Reihe:
“Manchmal versuche ich mich an Haikus”

Die Schatten des Freibiers*

Es wissen ja viele nicht, aber mein neues Münchener Wohnviertel ist Heim einer kulturellen Garde, wobei noch Klärungsbedarf besteht, ob Avant-, Devant- oder Neverfuckingever-.

Das weiß ich, weil mir eben beim Einkaufen ein Herr, dessen Berufsbezeichung am besten mit “Mache-alles-für-Bier” beschrieben ist, einen Flyer in die Hand gedrückt hat, von dem mir ein Koteletten- und Brusthaarmodel, ein vollbärtiger Hut-, Brillen-, Gitarrenträger sowie ein langhaariger Grauhaargnom mit Schnauzer vor Blümchentapete entgegengrinsen, meiner fachlichen Einschätzung nach in unterschiedlichen Stadien von irr. Gemäß der jeweiligen Selbsteinschätzung handelt es sich um einen ‘Sonnenanbeter’ der besonderen Art, das heißt, einen Mann, der mit Leib und Seele dem “Sonnenaufgang” huldigt, also der Zeit, in der MP3, Techno und Dieter Bohlen noch düstere, apokalyptische Endzeit-Science-Fiction waren! aka Reiner Kowalski und Hanse Schoierer, den Chuck Berry vom Schlachthofviertel. Der Grauhaargnom ist entweder einer von Hans-Chucks “Freibier Shadows” und Mitglied seiner – Zitat, ich schwör! – Virtuellen Band oder der Repräsentant von www.bertl-concerts.de, der diese und andere Showgrößen vertritt.

Leider muß ich die Antwort auf die Frage: “Hadern: Avant-, Devant- oder Neverfuckingever-Garde?” schuldig bleiben, was vor allem daran liegt, dass der Verteilermann wohl neulich an eine gute Ration Stoff gekommen ist und Stand heute nur noch furchtlose Zeitmaschinenbesitzer in den Kunstgenuß des Konzerts im Saal vom Restaurant ‘Knossos’ am 5. März kommen können. Schade eigentlich.

* Danke an Christoph für diese gelungene Übersetzung.

Aus der Waschanstalt

Die Demirsche aus dem Dritten ist im Waschplan verrutscht und hat das erst gemerkt, als ich froh- und waschgemut mit meinem Korb voll ich-habe-eine-Woche-lang-geniest-und-gehustet-Bakterien-Wäsche vor den rotierenden Maschinen stand. (Vor denen sie ebenfalls stand und in Begleitung von Hund und Tochter Demir der Wäsche sinnierend beim schäumenden Drehen zusah, aber das ist eine andere Geschichte, die kein anderes Mal erzählt werden soll.) Frau Demir ist daraufhin in Verzweiflung ausgebrochen und hat angefangen zu weinen, Frau Demirs Töle solidargeheult und Frau Demirs Tochter geschimpft. Worauf Frau Demir in bester biblischer Schuldtradition ihre Haare raufte, sich mit beiden Händen gegen Kopf (“Duu-uumm bist du! Und bleeede!”) und Brust schlug und schließlich um Vergebung flehend vor mir auf die Knie sank. Keine gute Idee. Erstens war ich von soviel Krach und Drama am Samstagmorgen vollkommen überfordert (man erinnere sich, ich wollte nur rasch die Maschinen befüllen), und zweitens bedurfte es einer konzertierten Aktion von Tochter Demir und mir, die plärrende Mutter Demir vom feuchten Waschküchenboden wieder in die Senkrechte zu bringen.

Sobald sie stand, wurden wir informiert, dass sie, die Demirsche nämlich, frieher in Kraaaankenhaus gearbeitet habe, und ganz genau weiß, was Piieenktlichkeit ist und sie sich diesen Fauxpas bin in ihr duuunkles Graaab nie niemals nie nicht nimmermehr verzeihen werde können, ganz egal, wieviele Absolutionen ich erteile. Da schau her, Krankenhaus. Ich hätte Oper vermutet. Dramatischer Mezzosopran mit extra Drama und Triplemezzo. Mindestens.

Meine Fresse! Lesson learnt: Nie wieder Waschsamstag, nie niemals nie nicht nimmermehr!

Gerontologie für Anfänger

Uschi Glas ist da! Und Ireen Sheer! Simone Rethel-Heesters (Ihr 100-Jahr-Johannes ist wegen Ablebens vor 5 Jahren entschuldigt), Michael Schanze, Sky Du Mont, Heribert Faßbender – alle da. Sowie Voltaren, Bayern plus (der Radiosender, der ihre Platten spielt), das gestraffte Oberlid, Magnesium Oil (“Wohlgefühl einfach aufsprühen”), Mainz (Selbstbild: “Immer eine Reise wert!”), Bier (weil in Bayern), TIMPS (“In einer einzigen Sitzung von wackligen Dritten zu kaufesten* und festsitzenden Zahnprothesen.”), Heilendes aus dem Bienenvolk, Bayer, der Redondoball, Lachyoga, Demenz und Smart Living (und nein, keines scheint das andere auszuschließen), Zeitbote AG “die erste lizensierte Postdienstleistung für Briefe in die Zukunft”, Wobenzym. Alle da.

Aber trotz der Freude darüber, dass “es gelungen ist”, soviele lebende “Prominente hautnah” auf einem Fleck zu versammeln, bleibt noch Raum für die wirklich wichtigen Fragen des Lebens: “Gardening – the new kind of sex?”**, “Schönheitsoperation im Ausland – Was muß ich beachten?”, “Mahnschreiben – wie reagiert man richtig?”, “Gelenkschmerzen – was kann ich tun?”, “Welche Auswirkungen haben Handy, Satellitenfunk und belastende Erdstrahlen auf Nahrung, Trinkwasser und den Mensch?*** – Mit Live-Demonstrationen”****, “Smartphone, iPad, Computer, Laptop & Tablet – Wo liegt der Unterschied?”*****, “Warum Sie ihr Dünndarm alt aussehen läßt”****** und die Frage aller Fragen: “Passt die blaue Pille zur gelben?”. Antwort von Dr. Sabine Allwissend: Aber sicher, einmal mindestens.

Wer keine Lust auf schwere Fragen hat, kann sich mit “neuen Fun-Hobbies für Jedermann” ablenken, zum Beispiel “Taschen Upcyclen” (wenn schon ausländisch, wie wäre es mit “Pimp my Purse” bzw. “PMP statt PMS!”?), “Wein und Gesang”, “Reload your love”, “Der Weg zum perfekten Sattel”, “Begeisterung leben”, “Gstanzl Workshop”, “Die Organisation Islamischer Staat und ihr Kalifat” sowie “Darmreinigung durch Kräuterkraft”. Mit neuer Handtasche, frisch gesattelt, love-reloaded und darmgereinigt könnte man wegfahren: “Eine Reise durch Bayerns Heilbäder + Kurorte. Mit dem Bayerischen Pilgerbüro fremde und faszinierende Welten sicher und komfortabel entdecken” (heißt das, die stellen für Bergtouren jetzt endlich Sänftenträger?) oder einen Trip in den Europapark Rust planen, an Sonntagen mit Stefan Mross sowie dem “Sasionangebot ‘Sommer’ inklusive Kuchen” oder sich auf den von der Schwarzen-Sheriff-Big-Band gesicherten Weg machen: “Mit Muße und Musik von Macchu Picchu bis nach Angkor Wat – die Sicherheit reist mit!” Aber das ist noch lange nicht alles; unter dem Motto “Schick. Aber nicht Schicki Micki  präsentiert K+L Ruppert die aktuelle Frühjahrsmode! Mit den Gewinnerinnen des Die 66 Modelcastings 2016!” Wobei ich mich ja frage, ob “Die 66” (aussprich “dei sixtysix”) sowas wie der “Club 27” der vor- und vorvorherigen Generation sein soll. Wer dann noch “Die Lichtkraft – vegetarische Ernährung und Meditation” sowie “Die Kraft der Schalen” wohlbehalten übersteht, darf ein Los fürs Gewinnspiel kaufen. Hauptpreis: Kurzurlaub, 2. Preis: Drei-Gänge ShowMenü, 3. Preis: Golf-Kurs, Trostpreis: Zaubertheater.

“Was”, geneigte Leser, fragt ihr euch, “Was ist nur mit unserer Lieblingsbloggerin los? Schreibt sie im Fieberwahn von Schreckensvisionen und wie kommt sie bloß auf sowas? Muß man ihr Suppe bringen? Oder besser eine Zwangsjacke?” Nicht doch. Mit mir ist wieder alles in Ordnung, danke der Nachfrage. Ich habe bloß in der letzten Wochenendausgabe der Süddeutschen einen Prospekt gefunden, der diese Messe bewarb: http://die-66.de/index.html; Zielgruppe dieser Veranstaltung mit dem Namen “Die 66” (nein, ich wiederhole mein Witzle von vorhin nicht!) sind Menschen über 50. Also wir. Also, viele von uns – und ihr jüngeren Leser kommt auch noch dran. Wir kommen alle noch dran. Großes Wolferl-Ehrenwort.

Seriously? Golfkurs? Heilbad? Kaufest? Michael “Dünndarm” Schanze? Zu alt für Geräte mit Monitor? Make Garden Not Love? Nochmal: seriously? Ich empfehle den Veranstaltern, vor dem Besuch der K+L Ruppert Modenschau die Einnahme von zwei blauen und einer gelben Pille mit ein wenig lauwarmem Wasser. Danach Gartenarbeit. Oder Darmreinigung mit Klangschalen. Vorzugsweise ein letzter Brief in die Zukunft.

* “Kaufest”. Diese Wortschöpfung mußte ich auch erst drei Mal und im Kontext lesen, um sie zu verstehen. Beispielsatz, aus meiner eigenen Wortschmiede: “Bißfester Apfel vs. Kaufesten Zahn oder Nur die Hahten kommen in’ Gahten”.

** “Gardening – the new kind of sex?” War den Machern diese schwachsinnige Frage selbst so peinlich, dass sie sie in der Hoffnung, dass es dann immerhin nicht jeder gleich versteht, auf auswärts gestellt haben? Oder läuft das auf Hardcore Bliehmschnsex hinaus? Und will man es wirklich wissen?

*** Die Autoren des Heftes scheinen es zu mittelprächtigen Abschlüssen in den Leistungskursen Malen nach Zahlen und Synchronschwimmen gebracht zu haben – bei ihrer Zielgruppe wurde der Akkusativ in den Schulen noch gelehrt und in der geschriebenen sowie der gesprochenen Sprache angewandt.

**** Live Demonstrationen über die Auswirkungen von Erdstrahlen auf den Mensch. Ich hoffe, das gibts bald als youtube-Tutorial.

***** So liebe markenverdummte Kinder, setzt euch, die Tante muß euch jetzt amal was sagen. Auch wenn’s wehtut, ein iPad ist auch bloß ein Tablett – woher nehmt ihr iGnoraten eigentlich die Chuzpe?

****** Weil der Dünndarm bekanntermaßen das hinterhältigste unter den Organen ist? Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass gemeine Menschen das kleingeschriebene “ihr” zu bösesten Mißinterpretationen ausnutzen könnten. Zum Glück sind gerade keine gemeinen Menschen da.

Der Möbelschnitzer von Mexiko

ist ganz offensichtlich eine Zierde seines Berufsstandes. Wahrscheinlich ist José-Pablo-Carlos-Juan-Enrique-Diego-Hector-Javier-Ésteban-Jésus de la Mañana schon längst damit fertig, meinen neuen Sekretär ganz ganz sorgältig mit seinem Stechbeitel aus einem ganz ganz großen Stamm zu meißeln und braucht den mindestens einen Monat, um den der Liefertermin nach hinten verschoben wurde, halt noch für seine Signatur.

Montags nie

Man möchts kaum glauben, aber an Montagen kocht der Vegetarier nicht; nach drei Reservierungsversuchen bei explizit vegetarischen Restaurants habe ich aufgegeben.

Phhh! Dann gehen mein Besuch und ich halt zum Inder.