Gelüst

Amerika an sich fehlt mir immer weniger, aber jetzt, wo es auf Halloween und Thanksgiving zugeht, würde ich schon gerne mal wieder eine Pumpkin Spice Latte trinken. (Wahrscheinlich, um dann wie jedes Jahr festzustellen, dass ich diese überzuckerte Zeug mit den künstlichen Aromen gar nicht wirklich mag.)

Der Besuch einer deutschen Starbucks-Filiale hilft nicht. Ich habs probiert. Der schmeckt da falsch.

Wieso? Weshalb? Warum?

Okay, es soll welche geben, die sind jung und brauchen das Geld. Andere haben 10 unmündige Kinder und deren Großeltern zu versorgen, wieder andere verdienen halt einfach ihr Geld im Quäler-Gewerbe und haben nix anderes gelernt.

Aber mit welcher Ausrede Captain “Das Toupet sitzt bombenfest” Kirk für diese Untat aus dem Genre Pop, Pop Rock, Spoken World daherkommt, das täte mich schon mal interessieren…

shatner clause

Der Tragödie erster Teil

Ich habe heute auf der Rückfahrt den Faust als Hörspiel angehört. Die Düsseldorfer Gründgens-Inszenierung von 1954, mit Gustaf Gründgens (Mephisto), Paul Hartmann (Faust), Elisabeth Flickenschildt (Marthe Schwerdtlein) und Käthe Gold (Gretchen). Man spielt und spricht heute so nicht mehr auf dem Theater, dennoch… Die Inszenierung hat mich sehr nachdenklich gemacht. Früher, als ich selber noch jung und dumm war, konnte ich mit Gretchen, diesem blondbezopften naiven “bin weder Fräulein, weder schön”-Geschöpf nichts anfangen, heute dauert sie mich unendlich und ihr Gespräch mit Faust über Religion (“du ahnungsvoller Engel”) und vor allem die Gerichtet/Gerettet-Schlußszene im Gefängnis, in der Faust sie sich wieder aneignen will (er nennt’s “befreien”) sind mir so zu Herzen gegangen wie nie zuvor.

Wahrscheinlich auch eine Alterserscheinung?

Herbstreise

Es ist wieder an der Zeit, die Geburtstage meiner Eltern zu begehen, also mache ich mich auf in meine schwäbische Heimat und in eine gelbe Welt. Ich habe die Sonne im Rücken und alle Sonnenblumen auf den weiten Feldern haben sich ihrer großen Schwester (und ein bißchen auch mir) zum Gruße zugewandt. Rechts und links leuchten Felder mit gelbblühender Zwischensaat, ob nun Raps (“mehr so neon”) oder Senf (“eher hellgelb”), weiß ich nicht zu sagen, ist mir auch egal. Die meisten Bäume an der Strecke haben, wohl wegen des trockenen Sommers, auf Rot in der Blattfärbung verzichtet, dafür wiegen sie sich in einer sanften Brise sehr mellow yellow und das in allen Schattierungen, die dem strahlenden Gestirn am tiefblauen wolkenlosen Himmel einfallen (viele). Am schönsten sind, wie immer, die Birken.

Die netten Menschen von Bayern 2 haben so viel Wissenswertes und Unterhaltsames zu berichten, dass ich gar nicht merke, wie die Zeit verfliegt und, hoppala, ich bin schon angekommen. Wochenendtäschle und Geschenkwundertüte geschultert – “Hallo, da bi…” “PSCHT!!” Zum Schweigen verdonnert, erfahre ich, dass das “Muggasäggle” es “geschafft” hat. Aha. Wer oder was ist ein “Muggas…” “PSCHT!!” und aus dem Radio erklärt der offensichtlich zugereiste Moderator, dass ein “Muggasäggle”…, “also eine Mugg ist eine Fliege” und, wie die vorlaute eingeborene Moderatorin keck einwirft, “auch ein Fliegerich, hihi”, “und bei der Fliege…” “und beim Fliegerich, hihi” “ist ja alles sehr klein…”, “hihihi”, “auch…”, “hihihihi”, “… das Geschlechtsorgan, hihi”, “hihihihihi” – ich erspare den Lesern das restliche hihihihisterische Gekicher der beiden SWR 4-Moderatoren* und löse: ein schwäbisches “Muggasäggle” entspricht einem hochdeutschen “Fliegenschiß”, also einer kleinen Kleinigkeit. Den kleinen Sack haben die bei SWR 4 in einer einwöchigen Recherche unter Mithilfe ihrer treuen Hörer zum schönsten schwäbischen Dialektbegriff küren lassen. Brüller! Hihihi. Jetzt, wo das endlich geklärt ist, stört es auch nicht mehr, dass ich schon seit ein paar Minuten dastehe und ich kann offiziell eintreffen.

Die Zeitreise geht los. Wir reisen zurück in eine Welt, in der Veronica Ferres und Christine Neubauer noch keine Vollweiber waren, sondern unbegabte Jungschauspielerinnen und der langhaarige (!) Moretti noch bei der Wiener Polizei und fast so gscheid wie sein Hund, aber das ist nur der erste Abend. Am nächsten Nachmittag (“schau doch mal ein bißchen Fernsehen mit deinem Vater”) lerne ich in mehreren unsäglichen Doku-Soaps viel über die “Dördy Drix” der “Schierlieder” (einfach laut lesen, man kommt drauf), dann ist “Gwalliffi” (doch, so heißt das beim Autorennen). Dann ist es Nacht geworden und wir tauchen ein in Londons dunkle Unterwelt, wo die Verbrecher zuverlässig daran zu erkennen sind, dass sie aus Chicago anreisen, Joachim Fuchsberger (“Hach, der Blacky – das waren halt noch Männer”) den Fall löst, Christopher Lee den Kommissar aus Hongkong gibt (was man mit Kajal nicht alles für Augenformen hinkriegt), und Eddy Arendt den “Todesbutler”, dem alle Nase lang wieder eine Herrschaft erstochen wird.

Noch einmal schlafen.

Heute gehts nach Hause. Vorher zeigt mir meine Schwägerin auf ihrem Handy noch sämtliche Urlaubsbilder vom Center Park in Zandvoort. Sämtliche. Inklusive der Mahlzeiten und des täglichen Wetterberichts. Nein, es ist nicht zu schnell. Ich kann folgen.

Hitting the road. Kalt, naß, neblig, ähbäh – sieht aus, als wollte die Wettergöttin den Beweis antreten, dass sie noch ganz genau weiß, wie November geht. Ein paar Kilometer weiter dann Ziemlichtiefnebel, dazu Schneeregen und überfrierende Nässe, auf der Alb schließlich eine geschlossene weiße Nebelwand sowie farbgleiche Schneedecke, Schneetreiben, inklusive schwerstschneebedeckter Bäume und Fahrbahnen (“Straßenmarkierung? Welche Straßenmarkierung?”). Diese Sauerei zieht sich mehr oder minder stark bis Augsburg (es gibt wenig traurigeres als ein verschneites Hopfenfeld mit kahlen Rankstangen), wo dann Nurnochstarkregen die Ablösung und Begleitung der Reststrecke übernimmt. Und um kurz vor 5 ist Sonnenuntergang und das bißchen Restlicht auch noch weg. Doppel-Äh-bäh.

So.

Mein Auto hatte schon seine Winterschuhe an und war darum glücklicherweise an keinem der acht Unfälle auf der Gesamtstrecke von knapp 250 Kilometern beteiligt, aber mir reichts hiermit mit Winter. Ja (um Herrn M. aus K. zu zitieren), jaduganzundgargrausligpfuideifi!

 

* SWR 4 ist ein ganz schrecklicher Dudelsender und mein kleiner Bruder bekämpft ihn auf seine Weise: immer, wenn er ein Firmenauto fährt, bei dem dieser Sender eingestellt ist, verstellt er ihn auf das Baden Württembergische Bayern 3-Äquivalent und dreht die Lautstärke hoch, “damit die beim Schdarda vor Schregg da Modoor abwierget”.

Gelesen: “Fünf plus Drei” von Arne Dahl

Sieht so aus, als wäre Dahl endlich runter von dem Trip, seine Ermittler ihre Fälle im wesentlichen von Kommissar Intiution und seinem Assistenten Spontane Eingebung lösen zu lassen – es mag daran liegen, dass der aktuelle Band der vorerst letzte der Berger&Blom-Reihe und es damit allerhöchste Zeit geworden ist, die Handlungsstränge zu entwirren und die Motive der Doppelt- und Dreifachagenten, der Adoptiv- und sonstigtraumatisierten Kinder und der Peripherirren und -wirren zu entschlüsseln.

Komisch, ich würde keinem anderen Autor einen solchen Wust an Vulgärpsychologie in Verbindung mit (selbstverständlich) internationalen Verschwörungen und allgemeiner Bösartigkeit durchgehen lassen. Dahl schon. Wobei es mir hier bei diesem dritten Band wieder leichter fiel, vielleicht, weil die Übersetzerin eine andere ist, als bei den ersten beiden Büchern.

Ich empfehle Binge-Lesen in kalten dunklen Winternächten.

Wow!

Die Kneipe gegenüber bietet nicht nur Cocktails2go an, nein, seit neuestem verkünden die frisch geklebten Buchstaben drunter, sind sie Auch zum Mitnehmen.

thumbs up

Sturmschäden

Man weiß ja oft nicht viel über die Eignungen und Neigungen von Winden, aber seit Sturmtief Siglinde gestern Nacht über meinen Balkon gebraust ist, scheint mir, dass sie ein rechter Recyclingfuchs ist. Die Tüten mit Altpapier und Pfandflaschen hat sie neu arrangiert, die mit dem leichten Plastikmüll gar teilweise ausgeräumt und dabei ein Streifchen Alu gefunden, das da gar nicht hineingehört. Brav. Außerdem hat sie wohl eine sportliche Ader und sucht Mitturner und hat zu diesem Zweck mein Wackelbrett so brettelbreit vor die Balkontür gebrettert, dass ich erst mal darüber hinweg balancieren mußte, bevor ich es wieder (wieder?) ordentlich hinter dem Bänkchen verkeilen konnte. Und, gemessen an der Verve, mit dem sie an ihm gezerrt hat, scheint sie kein Fan von Sonnenschirmen zu sein; ich bin aber noch nicht dahinter gekommen, ob es an der Farbe liegt oder am Ding an sich. Wills auch gar nicht wissen und habe ihn ihr weggenommen. Hah!

So, und jetzt blasen wir uns bitte aus, Fräulein, und lassen ab Morgen den schönen goldenen Oktober wieder zurückkommen. Gell?

Gelesen: “Moxie” von Jennifer Mathieu

Was man nicht tun sollte: spätnachts von einem Fest nach Hause kommen und dann vor dem Einschlafen “noch ein paar Seiten Moxie” lesen wollen – führt nur dazu, dass man das Buch früh nach 06:00 Uhr ausgelesen weglegt.

Nicht, weil es so superdupergroßartig tiefschürfend wäre, nein. Aber Ms. Mathieu hat in ihren Creative Writing-Kursen gut aufgepaßt und ein gutes Buch für Heranwachsende geschrieben, das davon handelt, wie die Mädchen an einer texanischen Schule irgendwann nicht nur die Schnauze davon voll haben, wie die Footballspieler hofiert und sie dagegen beschissen behandelt werden, sondern auch, wie (und womit!) sie sich wehren können. Mit viel Phantasie, Zivilcourage und nicht ohne Rückschläge. Das ist mit einem guten Ohr für adoleszente Probleme und in einer sehr frischen, aber nicht an die Zielgruppe anbiedernden, Sprache geschrieben und liest sich wie Butter.

Wer Nachwuchs in der Altersgruppe im Hause hat, sollte ihm Moxie zu lesen geben. (Gibts auch schon auf Deutsch.)

Tusch-Tara!

Ziemlich unbemerkt von der Welt hat der flockblog diesen Sommer seinen immerhin schon 10. Geburtstag gefeiert und was mal geplant war als “Geschichten aus der Neuen Welt” ist inzwischen zum “Flock’schen Allerlei” geworden; mit einer konstanten Leserschaft, wie ich zu meiner Freude bemerken darf.

Dies nun ist der blogpost Nr. 5.000 und ich bin schon ein bißchen stolz darauf.