Ich stehe an der Kaffeemaschine und werde vom Kollegen dabei beobachtet, wie ich den Drehknopf für die Kaffeemenge auf halb stelle und den für die Wassermenge auf kurz vor Dreiviertel, damit noch schön viel Milch in die Tasse passt. “Ah,” entfährt es ihm, “du bes dat emmer med dem Schlü”. Er persönlich würde die Knöpfe ja, wenn “die blöd Maschien dat künnt” am liebsten zwei Mal drehen, für “doppelt stark”. “Schlü”, lerne ich, “is so nix halves on nix janzes”. Und zwar auf Kölsch.
Isch sach dat jetz ma so extra dabei, damit ich nicht wieder von Hunsrücker Platt-Puristen für meine unzureichende Lautschrift getadelt werde…
Heute steht meine Heimreise anscheinend unter einem besonders glücklichen Stern. Auf der A61 ist ü-ber-haupt kein Verkehr und ich flutsche quasi durch nach Mannheim. Der neue Autoverleih, den ich dieses Mal ausprobiert habe, ist direkt am Bahnhof. Um dort hin zu kommen, muss ich nur am Freitagnachmittag einmal quer durch die Mannheimer Innenstadt und ihre verteufelt engen Sträßchen. Man fragt sich, wie das Rote Mannem in den Zwanzigern seine Aufmärsche gemacht hat? In Gänsemarschformationen? Auffällig auch, dass die Innenstadtverkehrswege, genau wie in Detroit, nur durchnumeriert sind. Von B5 bewege ich das Auto nach L11 und – wuppdich – stelle es auch schon in P2 ab. Jetzt nur noch den Schlüssel abgeben und dann habe ich soviel Vorsprung, dass es nur noch 10 Minuten bis zur Abfahrt des Zuges v o r meinem üblichen sind. Im DB Reisezentrum sind sieben von sieben Schaltern mit Personal besetzt und alle frei. (Das gibts eigentlich gar nicht.) Ein ganz unglaublich reizender junger Mann macht mir für den eigentlich vollkommen ausgebuchten Vorher-Zug in unter drei Minuten eine “Komfort-Reservierung”. Kostet? “Nein, nein,” wehrt er ab, “lassen Sie den Geldbeutel stecken. Sie sind mir sympathisch. Sputen Sie sich lieber, der Zug fährt in fünf Minuten ab. Und er ist pünktlich.”
Der ICE und ich kommen zeitgleich am Gleis 5 an. Zusteigen, abfahren. Ein Zeitmanagement wie aus dem Lehrbuch. Ich muß zwar mein Gepäck wegen der “geänderten Wagenreihung” fast durch den ganzen Zug rollern. Aber hey, wer wird sich angesichts einer gewonnen Stunde und eines kostenlosen Komfortkulanzsitzplatzes über solche kleinen Mißlichkeiten beschweren? Ich sicher nicht. Dazu habe ich gar keinen Grund.
Wir sind schon ein Viertelstündchen unterwegs, ich habe noch eine Süddeutsche erwischt und schon einen Kaffee bestellt, da schreibt mir verspaetungsalarm@bahn.de:
Wiewohl es mich gar nicht mehr betrifft, betätige ich den roten Button, um mehr herauszufinden. Ich bin ja doch neugiertig und inzwischen schon fast in Stuttgart. Wg. der dortigen Tunnels und dem arg fleckige W-Lan kann ich die “Aktuelle Information” leider nicht öffnen. Sonst hätte ich das lesen müssen:
Der danach führe auch nicht, sagt meine Sitznachbarin, die ebenfalls noch eine Reservierung ergattert hat. Mann, wie bin ich doppelt und dreifach froh, dass heute alles so dermaßen glatt ging!
Am Zugmikro unseres ICE, der weiterhin fahrplangemäß nach Süden braust, ist ein extrem fröhlicher Mann mit einem lustigen Akzent zugange, dem offensichtlich recht langweilig ist. So oft, wie er den Verehrtengästen (ein Wort) nun schon aufgetragen hat, was sie mit ihrem Gebäck zu tun bzw zu lassen haben (Nicht die Feierlöscher bloggieren, unbedingt die Nodausgänge freihalten, keine Hündernüsse aufbauen), kann ich gar nicht anders, als zum Cappuccino einen Beerdigungskuchen* zu bestellen. Für die Auslieferung von Speis und Trank ist in unserem Waggon eine sehr aufgeräumte Fränkin zuständig, die bei jedem Kaffee, den sie wem hinstellt, freudig und recht vernehmlich dazu animiert, später aber doch besser ein “Bierle” zu bestellen. Gell?
So flott verlief die Fahrt noch nie. Als wir etwas zu früh (!) ankommen, ist es noch nicht mal dunkel. Das hat durchaus Charme. Sollte ich öfter so machen.
* Beerdigungskuchen? Das habe ich auch diese Woche ins Vokabelheft geschrieben. So heißt auf dem Hunsrück der Streuselkuchen.
Er freue sich, erzählt der junge Kollege schon sehr aufs Wochenende. Er habe nämlich Karten für “Komplett Krank”. “Wie?” frage ich überrascht. “Du reist nach Wuhan?” Tut er nicht. Seine Seuche finde im Discoplex A61 in Alzey statt und sei besser als Corona.
Nachfolgend die Hightlights aus der Einladung (nix hinzugefügt, nix weggelassen):
👉🏻 SCHLUSS MIT LANGWEILIGEN STANDARDPARTYS! WIR NEHMEN DAS JETZT
Keine ERINNERUNGEN, KEINE HEMMUNGEN, einfach mal KOMPLETT AUSRASTEN!
💲 50EURO IN BAR! #KomplettKrank! Für die Person, die sich von uns beide Augenbrauen abrasieren lässt!
❌ WER DREHT KOMPLETT DURCH? #KomplettKrank! Der erste der in einem Kostüm kommt, erhält eine FLASCHE VODKA!
💵 KOMPLETT KRANK Die erste Person, welche in Unterwäsche zur Bar rennt, bekommt 100 Euro FREIVERZEHR von uns geschenkt!
🍔 WIR ÜBERNEHMEN McDONALDS! #KomplettKrank! Um 01:00 Uhr verschenken wir über HUNDERT HAMBURGER!
🎊 IST DENN SCHON SILVESTER!? #KomplettKrank! Wir schießen über HUNDERT KILO KONFETTI & 50 Silvester-Freikarten in die Crowd!
💸 HAUS DES GELDES! #KomplettKrank! Wir schießen BARGELD in die Menge!
🎟 1.000 LIMITIERTE TICKETS! #KomplettKrank! Wer kein Ticket hat, kann wahrscheinlich nicht mitfeiern! (Den ersten Käufer erwähnen wir mit seinem Namen im Event!) – Marina Zebrowski ❤️
🤷🏻♂ DEIN BESTER FEIND! Überrasche deinen Freund und melde diesen mit einem geilen Grund bei uns an, wir wählen einen Kandidaten aus, der der Star der Party wird! VIP-Bereich, Freigetränke & vieles Mehr!
💯 WAS GEHT HIER AB!? #KomplettKrank! An JEDER BAR gibt es GRATIS CHIPS & KONDOME!
🕺 MASKOTTCHEN-BATTLE! Wer traut sich ein TANZBATTLE im PIKACHU- oder MINION-KOSTÜM zu machen? Der Gewinner erhält eine FLASCHE VODKA!
🥃 SHOTs, SHOTs, SHOTs! #KomplettKrank! Immer wenn das Lied läuft, gibt es 60 SEKUNDEN SHOTS GRATIS!
👯♀ CASANOVA, CASANOVA! #KomplettKrank! Jeder Mann der mit vier Frauen kommt, beschenken wir mit 4 BIER!
💃 SEXY LADYS! #KomplettKrank! ALLE FRAUEN im KLEID haben EINTRITT FREI! (die ersten 10)
🎂 GEBURTSTAGS-S**! #KomplettKrank! Alle die in diesem Monat Geburtstag haben, erhalten 5 FREI-SHOTs!
🎫 INSTAGRAM-FLIRTKARTEN FÜR ALLE! #KomplettKrank! Hol dir von unserer Crew Instagram-Karten, trage deinen eigenem Namen ein und verteile diese im Club!
🎉 PARTY LIKE TOMORROWLAND! #KomplettKrank! CO2-GUN, CAKE-FACE, FESTIVAL-STICKS, im Boot über die Hände der Crowd und vieles Mehr!
_________________________________ 🔞 EINLASS AB 16 JAHREN Nur mit Muttizettel & volljähriger Begleitperson.
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Ah, jetzt verstehe ich. Der spekuliert auf den Wisch… Dabei habe ich höchsten sechs oder sieben Mal erwähnt, dass ich seine Mutter sein könnte und immer im Zusammenhang damit, dass er gefälligst tun soll, was ich sage.
Hubschrauber. Einer, zwei, drei. Wildes Sirenengeheule. Feuerwehrfahrzeuge, zwei, drei, vier. Polizei, lalü, lala. “Da muss ganz was Schlimmes passiert sein, uff de Einunseschzisch” raunt es im Kolleginnenkreis. Ist es auch, wie ich später nachlese: “Drei Lkw auf A 61 bei Pfalzfeld kollidiert – Fahrer eingeklemmt”. Zum Glück kommt keiner zu Tode. Als ich spätabends die Firma verlasse, ist die Auffahrt hinterm Büro (“”verkehrsgünstige Lage”) zwar immer noch wegen Räumungsarbeiten gesperrt, aber man hoffe stark, dass die Autobahn morgen wieder normal befahrbar sei.
Besser ist das, dann ist Freitag und ich will heim. Macht hinne!
Ich hätte gedacht, zwischen den beiden läge die maximal mögliche Distanz, aber vielleicht ist sein Weg ein Rundweg? Überhaupt, orakelt der Teebeutelphilosoph auf dem zweiten Teetüten*-Anhänger, “Mein Bauchgefühl ist mein Vertrauter”.
Ah. Das erklärt nun doch so einiges.
* Habe ich mal in einer furchtbar schlechten Übersetzung gefunden und sofort in meinen Wortschatz aufgenommen.
“Miefelsche”* sind nicht etwa kleine Gestänke (sowas kennen wir nur im Schwäbischen, da heißt das Hugole und ist den hugenottischen Zuwanderen und dem von ihnen importierten haut goût zu verdanken), sondern eine zwecks leichterer Eßbarkeit für Kinder oder Greise auf Reiter / Soldaten / Pferdchen geschnittene Scheibe Brot.
* Weil klaane Kenn noch nid so gud bäiße kenne krieje se es Brod än Mufel geschnied.
Gestern Abend drohten sie im Radio schon mit Schnee, “auch in tiefer liegenden Gebieten”. Und wie ich heute früh zur Arbeit fahre, tobt ein ausgewachsenes Wintergewitter mit Blitz und Donner, Schneegestöber und Graupelbombardement und binnen Minuten liegt die ganze Welt unter einer dichten Schneedecke.
Ich habs nicht weit von Frau Wirtins Domizil in Emmelshausen zum noch etwas höher gelegenen Industriegebiet in Dörth, darf aber mit Fug und Recht behaupten, dass ich heute jeden Zentimeter Strecke aus voller Seele gehaßt habe. Von mir aus kann ich in meinem letzten Lebensabschnitt vollends auf den weißen Dreck verzichten. Global warming, anyone?
Kümmererpackerl gibt es in zwei Variaten. Einmal fürs leibliche Wohl und dann für die Seele, auf dass sie in der Fremde nicht leide. Drum hat mir das für Seele und sonstiges Gedöns zuständige Kind einen schönen Witz geschickt. So schön, dass ich ihn hiermit mit meiner geneigten Leserinnenschaft teile:
Der Vorschlag, das in Gefahrensituationen traditionelle „President, get down!“ durch „Donald, duck!“ zu ersetzen, wurde vom Secret Service leider abgelehnt.
Ich mag es schon das eine oder andere Mal erwähnt haben… aber die sprechen wirklich komisch, hier uffm Hunsrück. Heute trat de Dilldapp in mein Leben, der, wenn man ganz genau hinschaut, der hiesige Schwippkuseng des Wolpertinger zu sein scheint und darüber hinaus in der Umgangssprache für Depp steht.
Wers wirklich wissen will, lese hier; http://www.hundemer-platt.de/Sprich8.html. Der Autor ist nicht nur der Nachbar meiner Kollegin vom gleische Doff (und damit schon eine Autorität), sondern auch noch Schbrachfoscha.