Noch in der 3Sat-Mediathek: Hotel Rock’n Roll

Man stelle sich vor, die Film-AG eines österreichischen Internats habe sich mit der Aufgabestellung “Menschen im Hotel” einen Jux gemacht. Man stelle sich weiterhin vor, die Herren und Damen Internatszöglinge sprächen dauernd und sehr reichlich jeder der dort immer und überall verfügbaren Drogen zu. Dauernd. Reichlich. Allen Arten von Drogen.

Dann kommt so ein albern-anarchischer Film heraus, für den der gute alte Kottan-Patzak sicher gerne die Patenschaft übernommen hätte. Mein Favorit: einer der schönsten blöden Banküberfälle der Filmgeschichte. Außerdem wunderschöne Rollstuhlwitze und Detlev Buck mit einem sehr dummen Auto.

Nix großes, aber wenn der Sommer eh nix kann als Regen, wenigstens ein schön bunter Trost mit viel guter Musik.

https://www.3sat.de/film/spielfilm/hotel-rock-n-roll-100.html

C-Schnipsel – Die Impf-Edition

Früher, als der Bundesgesundheitsjens, ja, der mit den Spahn-Masken, noch nicht für die Vorhersage von Jahreszeiten zuständig war (Sorgenherbst), war Impfen eine denkbar einfach Übung. Ärmel hoch oder Hose runter, blanke Haut und munter reingestochen. Es gab auch, außer man war noch sehr jung und hatte es verdient, keine Belohnung für Tapferkeit vor der Nadel, weil Immunschutz langt.

Heute ist das anders.

Dem gemeinen Impfling steht eine Unzahl an Optionen offen, seine Persönlichkeit zu entfalten. Je nach Typ ignoriert er Impfangebot oder –aufforderung, stapft stattdessen über Leichen, ignoriert die Impfreihenfolge und rempelt sich als Impfdrängler in die Pole Position. Andere fallen in schulische Verhaltensmuster zurück; diese Gruppe teilt sich in Impfschwänzer und Impfstreber. Wieder andere können nicht verstehen, warum ausgerechnet Mitglieder der ach so vulneraben Greisengangs ihre Spritzen nicht wollen, und heißen diese dann impfarrogante Rentner. Schuldige sind leicht gefunden: die Geizregierung, die zwar die Lufthansa am Leben hält, aber nicht genug Impfstoff bestellt und die Deutsche TÜV-Mentalität, der das Pragmatische “Dann-halt-eine-Impfstraße-auf-dem-Parkplatz-vor-dem-Supermarkt” der Amerikaner fehlt und wo irgendwas immer erst geht, wenn der ganze föderalistische Verein zugestimmt hat.

Ein ganz neues und schlimmes Phänomen ist der Impfneid, immer verbunden mit der Frage, warum wer anderer den Schuß mehr verdient hat, als man selbst (hat er nie). Dem homegeschoolten Nachwuchs attestieren Forscher Stagnation mit Tendenz zu Kompetenzeinbußen, ihren Eltern schmerzende Homeoffice-Rücken. In Hubsi Aiwangers Tinder-Profil-Update ist zu lesen, er sei ja nun kein Impfgegner, aber auch kein Impf-Euphoriker, was Maggus, wie alles, was Hubert sagt, Scheiße findet. Aber immerhin, die Bundesnotbremse ist gelockert. Wahrscheinlich, bis die Massenspreader-EM dann mal vorbei ist.

Fehlt noch wer? Aber ja! Der/die Vaxinista. Das sind Menschen, die ihr Trophäen-Impfpflaster am liebsten mit Sekundenkleber fixieren, Drück-mich-Ich-bin-geimpft-T-Shirts tragen, Sprüchetassen (Team Moderna) auf ihren Schreibtisch im Büro knallen und bei Etsy schon die dritte liebevoll handgeklöppelte Schutzhülle für ihren Impfpaß bestellt haben. Impf-Merchandise. Das ich das noch erleben darf.

Und nun zum Ausland:

Landpartie

Dieses Mal ist kein Reifen geplatzt und ich konnte die Fahrt zu den Eltern wie geplant antreten. Fast ein Viertel über malerische Landstraßen, wie immer.

Kann berichten, dass die Silageballenerntezeit begonnen hat.

Meisterlich

Seit wir nicht mehr bei der Europameisterschaft mittun, bekomme ich in meinem Supermarkt die “Aufreißen-und-Abstauben”-Glückslose quasi hinterhergeschmissen. Bisher immer nur Nieten gezogen, die auf Neudeutsch “Hauptgewinnchance” heißen und die Eingabe eines Codes sowie sämtlicher persönlicher Daten auf einer Website verlangen. Kaum sind Jogi und die Boys raus, heute einen Preisnachlass von 10 Euro auf meinen nächsten Einkauf gewonnen.

Ist doch nicht alles schlecht.

Horch, was kommt von draußen rein?

In meinem Briefkasten liegt ein weißer neutraler weißer Umschlag von minderer Massenqualität, darauf in eher ungelenken Druckbuchstaben mit blauem Kuli gedrückt mein Name.

Es läßt wahrscheinlich Rückschlüsse auf meine Lesegewohnheiten zu, dass ich als erstes “Erpressung” denke. Dann aber auch gleich “wowegen bloß?”* Als weitere Option bieten meine Synapsen “Lösegeldforderung” an. Aber ich habe weder Hund, Katze, Kind. Hmmm. Und sollte mein Name dann nicht aus ausgeschnittenen Buchstaben aus verschiedenen Druckerzeugnissen zusammengeklebt worden sein? Oder gilt das nur für das innenliegende Schreiben? Man müßte sich wirklich mal mit den Vorgaben beschäftigen. Aber nicht jetzt. Jetzt schau ich erst mal. Und wie ich schaue.

Da habe ich doch glatt das papierene Äquivalent zu An-der-Tür-klingeln-und-über-Gott-sprechen-wollen gekriegt.

* Ja, auch im inneren Dialog pflegt mein Hirn eine eher obsolete Sprache. Klischee, aber was will man machen.

Auf die Ohren – “Verteidigung von Friedrichshafen” Krimi-Komödie von Martin Walser

Dass frau sich so einen Pennälerhumorschwurbelschwachsinn in seiner Gänze anhört, ist wirklich nur dem Umstand zuzuschreiben, dass mehr als fünf Stunden Rückfahrt vom anstrengenden Gastarbeiterinneneinsatz im Hunsrück irgendwie vorgehen müssen und dass das Hirn ohnehin schon im Limbus herummäandert.

Dass für die Produktion aus dem Jahre 1977 der Rundfunk der DDR verantwortlich zeichnet, macht es nicht besser.

Gelesen: Becky Chambers – “The Galaxy, And The Ground Within”

Ms. Chambers hat den Lesern ihrer Wayfairer-Trilogie einen vierten letzten Band gegönnt – Hach!

Der Rahmen des Romans ist so alt wie die Literaturgeschichte: einander Wildfremde werden durch äußere Umstände gezwungen, an einem Ort, wo sie nie sein wollten, mit Geschöpfen, die sie nie kennenzulernen beabsichtigten, mit einer Situation fertigzuwerden, in der sie sich nie gesehen hätten.

Wayfairer-Leser*innen kennen die in einer Weltraumumsteigestation auf einem Wüstenplaneten Gestrandeten (zumindest die Spezies):

  • Pei, eine Aeluon: Angehörige einer hühnerähnlichen Spezies, derzeit weiblich, für die gesprochene (und damit auch gehörte) Sprache ein unvertrautes Konzept ist. Ihre Spezies kommuniziert in Farben, die sich auf ihren Wangen manifestieren und fühlt sich daher in bunten Umgebungen (blühende Gärten oder dergleichen), als würde sie ununterbrochen angebrüllt. Als Hilfsmittel für die Kommunikation mit anderen nutzt sie eine mechanische Sprachbox.
  • Speaker, eine Akarak: Eine Spezies, die der Ausrottung nur durch einen Exodus in alle unendlichen Weiten des Weltalls entronnen ist. Ihre Atemluft ist Kohlendioxid, also kann sie sich außerhalb ihres Schiffes nur in einem komplizierten rüstungsähnlichen Exoskelett mit eigener Luftversorgung bewegen.
  • Roveg, ein Quelin: Eine insektoide Lebensform mit 10 Paar Gliedmaßen, die eine elitäre paramilitärische Gesellschaft geformt hat und ihn wegen seiner aufrührerischen und künstlerischen Tendenzen schon vor langer Zeit exilierte.
  • Ouloo, eine Laru: Ein hundeähnliches Wesen (allein die Szenen, wenn sie sich morgens in ihrer “grooming machine”, eine Art Autowaschanlage mit Lockenwicklern, tagfein macht, sind zum Wegschmeißen). Außerdem die Frau, die die Pension “Five-Hop One-Stop” hauptsächlich durch Desserts und aufmerksame Zuwendung zusammenhält.
  • Tupo, auch ein Laru, ihr Kind, mittig in einer ca. 20 Jahre dauernden Pubertät, an deren Ende es sich unter anderem für sein Geschlecht entscheidet. Nervig, neugierig, tolpatschig. Puberino halt.

Natürlich finden alle diese Spezies im Angesicht der Krise zu einer Verständigung, natürlich wird alles gut. Aber wie Chambers sie zusammenbringt, essen, tanzen, kommunizieren läßt, das ist ein flammender Appell an Toleranz und, weil ich kein besseres Wort kenne, Menschlichkeit. Gut sein, auch wenn’s gerade gar nichts bringt. Über den Tellerrand sehen und feststellen, da draußen ist nicht alles schlecht und vieles, dessen man sich sicher war, ungewiß ist. Sie haben alle eine Gemeinsamkeit: sie sind aufgebrochen, weil sie nicht an die Überlegenheit der eigenen Rasse glaubten, weil sie helfen oder weil sie ihre Kinder nicht auf vorgezeichneten Wegen dieselben Schritte wie ihre Vorfahren machen lassen wollten. Dass sowas ohne Kitsch gelingt, ist Kunst und davor ziehe ich sehr den Hut. (Außer auf den allerletzten paar Seiten, und da ist es nun wieder erlaubt, jetzt wo die Wayfairer-Serie an ihrem Ende angekommen ist.)

Die Menschheit kommt übrigens nur in Anekdoten vor: zum Beispiel als Wesen, die anderen warmblütigen Säugetieren ohne deren Einwilligung die Babynahrung wegnehmen, nur, um sie dann zu fermentieren und, man stelle sich das mal vor, das so entstandene Produkt zu essen.

Lesen, Herrschaften! Lesen! Lesen! Lesen. Die ganze Trilogie + 1!

Erkenntnis

Im Stau auf dem Mittleren Ring an Wabenwohnanlagen mit Wabenwohnanlagenbalkons vorbeigekrochen. Dabei eins verstanden: je Satellitenschüssel, desto Flagge in Nationalfarben.