Neu im Kino: “Fabian oder Der Gang vor die Hunde” nach dem Roman von Erich Kästner

Der erste Kinobesuch seit… ja, seit es endlich wieder geht (wiewohl die Zuschauenden, wohlgemerkt nach der Werbung, darauf hingewiesen werden, sie mögen doch während der Vorstellung und gleich nach dem “Konsum” für den Dreistundenfilm ihre Masken tragen) und wo ich mich doch schon so lange auf die Verfilmung eines meiner Lieblingsbücher vorgefreut hatte, schien es eine gute Wahl zu sein. Sagen wir mal so: als “Erstes-Mal-Kino-seit”-Event wird der Film allemal haften bleiben. Sonst?

Tja. Sonst gehts mir wie dem deutschen Feuilleton, das sich streitet, ob der Film nun ein “Meisterwerk” oder ein, wenn auch fast geniales, “Thema-verfehlt-Stück”, ob “besonders wertvoll” oder halt eben nicht.

Was soll ich sagen? Ich habe jetzt eine Nacht darüber geschlafen und sie haben alle recht.

Die drei Stunden Film vergehen, nun, nicht wie im Fluge, aber doch wie in einer fahrplangemäßen Schnellzugfahrt mit ein paar Tunnelstrecken, die Rollen sind ideal besetzt (wie lange fordere ich nun schon den Casting-Oscar?), die Schauspielleistung durch die Bank brilliant, Görlitz gibt ganz allerliebst das Vorkriegs-Dresden, Bahlin bleibt Bahlin, Schnauze und allet wa?, die Schnitte schnell, Grafs Babylon-Version schmuddeliger und kaschemmiger als die jüngst veröffentlichten Hochglanzepen, Gott Mammon auf dem höchstmöglichen Sockel und der Sugar-Daddy-Kapitalisten-Filmproduzent marioadorfiger als das Original, die Nazis laut, die Bücherverbrennungsflammen hoch, die Roten irgendwie auch (noch) da, Kriegsversehrte, elend vernarbt und verkrüppelt unken vom Untergang, ‘raus an Wannsee ist jrüner und schöner als je zuvor, die fast unglaubliche junge Liebe hochromantisch und herrlich naiv-glücklich – und doch, man wird nicht warm mit der Geschichte.

Ja, Fabian (Tom Schilling) bleibt der Kästnersche Moralist, der an seiner Zeit verzweifelt und verendet, ja, die Liebesgeschichte zwischen ihm und Cornelia (Saskia Rosendahl) bleibt bittersüß und sehr hübsch anzuschauen, ja, Labude (Albrecht Schuch), der großgeistige reiche Klassenkämpfer verreckt am Kleingeist eines kleinbürgerlichen Faschisten, ja, die Apologetin der freien Liebe, Frau Moll (Meret Becker), die später ein Männerbordell gründet, kapituliert, wie sie alle, zwangsläufig vor dem Umstand, dass Körper nichts sind als Handelware (weibliche mehr), ja, es zeitgeistet und schwappt immer wieder über in die Jetztzeit, aber man ist keinen Moment so wirklich mitgerissen, mitleidend, dabei.

Daran krankt der Film für mich: ich habe drei Stunden lang mir fremden Geschöpfen in einem Aquarium zugesehen. Viel los dort. Das meiste übererklärt. Aber eigentlich ist es mir wurscht.

Wenn ich den Fabian lese (und das tue ich einmal im Jahr, denn er ist eines meiner Trostbücher in schlechten Zeiten), dann habe ich bei manchen Stellen noch heute Tränen in den Augen. Und es ist mir nicht wurscht.

Mann, Herr Graf, Sie sind doch ein Guter. Warum zeigen Sie mir das in Ihrem Fabian nicht?

Wer drei Stunden Zeit hat, lese. Es muss noch nicht einmal die endlich unzensierte “rekonstruierte” Neuausgabe aus dem Jahr 2013 sein, die alte langt völlig. Wer sechs Stunden Zeit hat, schaue sich auch den Film an und bilde sich sein eigenes Urteil.

Stark untersommert

Ja, ich weiß. Andere hat er viel furchtbarer getroffen, der Sommer 2021. An der Ahr gab es Todesopfer und große materielle Verluste und auch woanders hat Wasser große Schäden angerichtet. Und wo es nicht nass ist, brennt es. Weiß ich.

Aber ich leide dennoch. An viel zu wenig Licht. An viel zu wenig Hitze. An viel zu viel nass. An dem Wissen, dass für dieses Jahr noch nicht einmal ein Fünkchen Hoffnung besteht, dass es lange laue helle Nächte mit Sternschnuppen und lange faule helle Tage am See geben wird, weil nämlich die erste Augustwoche schon rum ist und der Winter quasi schon wieder vor der Tür steht.

Statt leichter Sommerkleidchen trage ich langärmlige Pullis und Jacken und irgendwo ist immer ein Schirm griffbereit. Ein Schirm! Ich hasse Schirme. Und wozu ich überhaupt Sandalen im Schuhschrank habe, bleibt dieses Jahr ein Rätsel. Es ist ein Kreuz!

Ich war noch nie ein Fan von Jahreszeiten. Aber was bleibt einem bekennenden Weichei, wenn die einzige, die halbwegs im Bereich des Akzeptablen liegt, auch noch ausfällt? Hmmmm?

Vorhin in der Unterfahrt: “El Vikingo De La Salsa feat. Samuele Davi”

Das Pelzjäckele fällt noch während der ersten Nummer…

“El Vikingo” the Artist also known as Schütt, Thorben Schütt und spielt die Posaune und das macht er ganz vorzüglich. Die Band setzt sich aus Hochkarätern aus der ganzen Welt zusamen (Matthias Bublath (keys, comp). Wilbert Pepper (b), Roberto Guerra Madden (conga, perc), Christian Lettner (dr) und im zweiten Teil der begnadete Samuele Davi an der Trompete) und spielt gleich von Anfang mitreißend mit einem tollen Groove!

Trotzdem. Ich kann die Konservenmusik inzwischen echt nicht mehr ertragen! Was ein Glück, dass wir für nächste Woche zum ersten Mal seit März 2021 Karten für den Keller haben.

Gelesen: Anna Benning – “Vortex” (Band 1 von 3)

Liebe Frau “liebe Christiane”,
Sie sind, wenn man der Autorin trauen darf, die die “alle Lektoratsmethoden” beherrscht und die Autorin dazu brachte, sich “nie mit dem Zweitbesten” zufriedenzugeben.

Aha.

Lassen Sie mich, wie sich das gehört, mit dem Guten beginnen: Die Idee zum Buch ist gut. Ein Urvortex trifft die Erde und vermischt flugs die DNA von Millionen von Lebewesen mit Partikeln aus der Umgebung wie Pflanzen, Steinen, Metall und den Elementen Feuer, Wasser, Luft. Die Große Vermengung. Anschließend Mischwesen, auch Wesen mit Superkräften, Durcheinander, Kriege (Vortexkriege) und dann das Kuratorium, eine Art oberster Verwaltungsbehörde, das eine ordentliche Apartheid einführt, reinblütige Menschen und Splits voneinander trennt und lustige Kampfspiele (Vortexrennen) mit jungen Elite-Menschen veranstaltet, damit die Trennung auch weiterhin erhalten bleibt. Nein, Donald Sutherland kommt nicht vor, warum?

Soweit, so gut und so Young-Adult-Literatur-tauglich. Da haben Sie, liebe Frau Christiane, den richtigen Riecher bewiesen. In einer Welt, wo sich jugendliche Heldinnen in Hunger Games, Divergent und anderen Sagas wacker schlagen, hat immer noch eine mehr Platz.

Genug gelobt.

Liebe Frau Christiane, da war doch schon so viel Schönes dran. Warum bloß haben Sie Ihrer jungen Autorin nicht geholfen, ihr Werk in verständliches dudengerechtes Deutsch umzuschreiben? Wieso lassen Sie Begriffe wie ätzend genugtuerisch (gemeint ist rechthaberisch), Klavierflügel (gemeint ist das eine oder das andere), seichtes Glimmern (gemeint ist diffuses Licht) durchgehen? Warum müssen Fragen immer auf den Lippen brennen und dürfen nicht einfach auf der Zunge liegen? Wie darf ich es mir vorstellen, wenn sich auf seinen Fingern Blutflecken sammelten? Zum Angriff? Wie Beeren im Körbchen? Wie fühlt sich ein Nagetier, das ins Visier einer Schlange geraten ist? Wahrscheinlich nicht viel anders, wie eine Welt, die in sich zusammenfällt wie ein völlig instabiles Kartenhaus oder eine Wand, in der in völlig unterschiedlichen Bilderrahmen diverse Fotos hängen. Da muss man, Frau Christiane, doch schiefe Metaphern gerade rücken, kürzen und Füllwörter streichen. Mensch!

Warum haben Sie Ihre Autorin nicht davon abgehalten, jede Augenfarbe aus dem Pantonefilter zu nehmen? Und wenn schon, warum Gemeinplätze wie Kastanienbraun, Feuerrot, Smaragdgrün, Eisblau? Warum muss das Heldenblau dem zukünftigen Lover gehören und warum muss die Liebesgeschichte in ihrem verklemmten Aufbau so viele Anleihen aus den Fünfziger Jahren nehmen? Hmmm? Eine Elegie in Prüderie. (Ich zwang mich dazu, den Blick abzuwenden. Bale war nicht der Mittelpunkt meines Lebens, ausgeprägte Beinmuskeln hin oder her. Oder mein besonderer Favorit, als er ihr auf Seite 466 von 476 endlich seine Liebe erklärt: Für einen Moment hallten seine Worte bloß in meinem Kopf umher. Yes, Blondie, er nennt dich nicht ohne Grund Barbie.)

Liebe Frau “liebe Christiane”, Sie dürfen Ihrem Fischer-Verlag ausrichten, dass ich auf die Lektüre der Bände zwei und drei verzichten werde. Nicht, weil mich nicht interessiert, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, sondern weil ich es nicht ertragen können werde, ohne Rotstift zu lesen. Hätten Sie sich die Arbeit mal gemacht.

Ich schließe mit den Worten der Autorin: Danach senkte sich Stille über den Schuppen, nur die sanften Laute unserer Finger, die durch Atlas’ Fell glitten, waren zu hören.

Listen to the rhythm of the falling rain

Sonntagmorgens, halb sechs. Schleusen auf, Wasser marsch!

Lass dir eins gesagt sein, du Niederschlag. Wer so lautstark daherschüttet, noch dazu um die Zeit, der darf für sich kein Taktgefühl in Anspruch nehmen. Aber sowas von nicht! Geh mal noch mal zum Wettermann im Radio und lass dir von dem erklären, wie ergiebiger Landregen geht. Wenn’s schon sein muss, dann doch wenigstens leise, ey.