Liebe Frau “liebe Christiane”,
Sie sind, wenn man der Autorin trauen darf, die die “alle Lektoratsmethoden” beherrscht und die Autorin dazu brachte, sich “nie mit dem Zweitbesten” zufriedenzugeben.
Aha.
Lassen Sie mich, wie sich das gehört, mit dem Guten beginnen: Die Idee zum Buch ist gut. Ein Urvortex trifft die Erde und vermischt flugs die DNA von Millionen von Lebewesen mit Partikeln aus der Umgebung wie Pflanzen, Steinen, Metall und den Elementen Feuer, Wasser, Luft. Die Große Vermengung. Anschließend Mischwesen, auch Wesen mit Superkräften, Durcheinander, Kriege (Vortexkriege) und dann das Kuratorium, eine Art oberster Verwaltungsbehörde, das eine ordentliche Apartheid einführt, reinblütige Menschen und Splits voneinander trennt und lustige Kampfspiele (Vortexrennen) mit jungen Elite-Menschen veranstaltet, damit die Trennung auch weiterhin erhalten bleibt. Nein, Donald Sutherland kommt nicht vor, warum?
Soweit, so gut und so Young-Adult-Literatur-tauglich. Da haben Sie, liebe Frau Christiane, den richtigen Riecher bewiesen. In einer Welt, wo sich jugendliche Heldinnen in Hunger Games, Divergent und anderen Sagas wacker schlagen, hat immer noch eine mehr Platz.
Genug gelobt.
Liebe Frau Christiane, da war doch schon so viel Schönes dran. Warum bloß haben Sie Ihrer jungen Autorin nicht geholfen, ihr Werk in verständliches dudengerechtes Deutsch umzuschreiben? Wieso lassen Sie Begriffe wie ätzend genugtuerisch (gemeint ist rechthaberisch), Klavierflügel (gemeint ist das eine oder das andere), seichtes Glimmern (gemeint ist diffuses Licht) durchgehen? Warum müssen Fragen immer auf den Lippen brennen und dürfen nicht einfach auf der Zunge liegen? Wie darf ich es mir vorstellen, wenn sich auf seinen Fingern Blutflecken sammelten? Zum Angriff? Wie Beeren im Körbchen? Wie fühlt sich ein Nagetier, das ins Visier einer Schlange geraten ist? Wahrscheinlich nicht viel anders, wie eine Welt, die in sich zusammenfällt wie ein völlig instabiles Kartenhaus oder eine Wand, in der in völlig unterschiedlichen Bilderrahmen diverse Fotos hängen. Da muss man, Frau Christiane, doch schiefe Metaphern gerade rücken, kürzen und Füllwörter streichen. Mensch!
Warum haben Sie Ihre Autorin nicht davon abgehalten, jede Augenfarbe aus dem Pantonefilter zu nehmen? Und wenn schon, warum Gemeinplätze wie Kastanienbraun, Feuerrot, Smaragdgrün, Eisblau? Warum muss das Heldenblau dem zukünftigen Lover gehören und warum muss die Liebesgeschichte in ihrem verklemmten Aufbau so viele Anleihen aus den Fünfziger Jahren nehmen? Hmmm? Eine Elegie in Prüderie. (Ich zwang mich dazu, den Blick abzuwenden. Bale war nicht der Mittelpunkt meines Lebens, ausgeprägte Beinmuskeln hin oder her. Oder mein besonderer Favorit, als er ihr auf Seite 466 von 476 endlich seine Liebe erklärt: Für einen Moment hallten seine Worte bloß in meinem Kopf umher. Yes, Blondie, er nennt dich nicht ohne Grund Barbie.)
Liebe Frau “liebe Christiane”, Sie dürfen Ihrem Fischer-Verlag ausrichten, dass ich auf die Lektüre der Bände zwei und drei verzichten werde. Nicht, weil mich nicht interessiert, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, sondern weil ich es nicht ertragen können werde, ohne Rotstift zu lesen. Hätten Sie sich die Arbeit mal gemacht.
Ich schließe mit den Worten der Autorin: Danach senkte sich Stille über den Schuppen, nur die sanften Laute unserer Finger, die durch Atlas’ Fell glitten, waren zu hören.